Der Balken im eigenen Auge

Die EU tritt für eine harte Linie gegen den Iran ein. Man hoffe auf Einigkeit im UN-Sicherheitsrat über eine Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran, hieß es am Montag am Rande eines Treffens der EU-Außenminister in Brüssel. Dabei gehe es vor allem darum, auch die Vetomächte Russland und China zu überzeugen. Insbesondere die Regierungen in Berlin und Paris wollen die Sanktionen gegen den Iran verschärfen.

Während dies besprochen wurde, weilte Israels Außenminister Avigdor Lieberman in Brüssel. Sowohl die Hohe Repräsentantin der EU für Außenpolitik als auch einige Außenminister trafen ihn – trotz des unter Verwendung europäischer Pässe offenbar vom Mossad ausgeführten Mordes an dem Hamas-Funktionär Mahmud al-Mabhuh, den nach Angaben der „Sunday Times“ Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angeordnet haben soll. Muss die EU-Haltung da nicht wie zweierlei Maß erscheinen?

Und wenn man dem Iran den Bau von Anlagen zur Anreicherung von Uran vorwirft, wozu er nach dem Atomwaffensperrvertrag berechtigt ist, sollte man auch bedenken, dass die Atomwaffenbesitzer USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China ihren Abrüstungsverpflichtungen aus diesem Vertrag nie nachgekommen sind.

Jetzt soll die Situation also eskaliert werden. Erst Sanktionen, dann Krieg? Alles wie gehabt?

Ganz abgesehen davon, dass der von Merkel bewirkte Rückzug deutscher Unternehmen aus dem Iran-Geschäft nicht im deutschen Interesse liegt: Handel und Wandel können starke Friedenskräfte darstellen. General MacArthur wollte während des Korea-Kriegs bis zu 50 Atombomben auf China werfen, was US-Präsident Truman – der schon zwei auf Japan geworfen hatte – ablehnte. Heute würden die USA mit einer derartigen Wahnsinnstat die in China gelegenen Produktionsstätten ihrer eigenen Unternehmen vernichten.

Und auch der Eindruck der iranischen Bevölkerung, man werde entgegen dem Völkerrecht als Staat minderen Rechts behandelt, wird durch Sanktionen verschärft. So werden die Fanatiker gezüchtet, vor denen sich zu fürchten der Westen vorgibt. Mal ehrlich: Wo ist das Risiko größer, Opfer eines Vernichtungsschlages aus der Luft zu werden, im Iran oder in Israel? Es war doch auch nicht der Iran, sondern die NATO, die erst am Sonntag wieder Dutzende Zivilisten bei einem Angriff in Afghanistan tötete.

Die Heuchelei des Westens, nur den Splitter im Auge des anderen, nicht aber den Balken im eigenen zu sehen, wird eines Tages auf uns zurückschlagen.

Karl Diefenbach


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