Westerwelles Größenwahn

Dass Bundesaußenminister Westerwelle in den ersten Wochen seiner Amtstätigkeit den Nutzen unseres Vaterlandes gefördert hätte, wird kaum jemand annehmen. Zuerst fuhr er nach Polen, Israel und in alle möglichen Staaten, bevor er die Wirtschaftsmacht Japan und die aufsteigende Supermacht China besuchte. In Peking belehrte er die Gastgeber über Menschenrechte, nachdem China Jahrhunderte hindurch von den Imperialisten aus Großbritannien, den USA, Frankreich und Russland grauenvoll entrechtet und ausgebeutet worden ist. Ein Höhepunkt des Kolonialismus war der Opiumkrieg 1840 – 42, mit dem die Chinesen gezwungen wurden, die Einfuhr des Rauschgiftes in beliebigen Mengen hinzunehmen, die Häfen zu öffnen und eine Kriegsentschädigung zu zahlen.

Da die in Berlin Regierenden selbst in Mitteleuropa wenig bis nichts zu sagen haben und dies mehr oder minder auch ganz in Ordnung finden, ist es schwer verständlich, warum sie in den bevölkerungsreichsten Staat der Erde reisen, um dort Moral zu lehren. Die chinesische Führung ist sehr gut über die Verhältnisse in Deutschland unterrichtet und weiß darum auch, wie es um die Meinungsfreiheit bei uns bestellt ist und wie viele Bundesbürger bei abweichenden Auffassungen ins Gefängnis wandern.

Was Westerwelle wohl nicht bedacht hat, ist die Tatsache, dass Deutschland im Fernen Osten einen makellosen Ruf hat, der von der Hasspropaganda in der westlichen Wertegemeinschaft kaum beeinträchtigt ist. Wir können von uns mit Fug und Recht sagen, dass, im Gegensatz zu anderen damaligen Großmächten, wir an den Entsetzlichkeiten der Unterjochung Chinas praktisch keinen Anteil hatten. Die Niederschlagung des Boxeraufstands nach der Ermordung des deutschen Gesandten ist uns ebenso verziehen wie die Pacht Kiautschous.

Dass Westerwelle seinen Lebenspartner der Führung in Peking präsentierte, ist verständlich, aber möglicherweise nicht nützlich. Denn auch wer davon ausgeht, dass sich niemand seine sexuelle Orientierung aussuchen kann, sondern sie ihm von einer höheren Macht zugeteilt wird, kann kaum bestreiten, dass im Reich der Mitte Millionen bei der Demonstration gleichgeschlechtlicher Paare nicht ohne Vorbehalt sind.

Dass die Zukunft China und mit ihm verbündeten Völkern gehört, ist möglicherweise bis zu Westerwelle noch nicht durchgedrungen, der an die bleibende Macht und Herrlichkeit heute Herrschender glaubt.

Dr. Gerhard Frey


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