Mangel an Ingenieuren: Eine Gefahr für den Standort Bayern!

Von Dr.-Ing. Heinrich Hochreither

Große Errungenschaften der Gesellschaft haben mit Ingenieurwissen zu tun. Neben dem Maschinenbau und der Elektrotechnik zeichnen Bauingenieure sowohl in der Umwelttechnik als auch bei der Energieversorgung mit dem Kraftwerksbau und bei der Entwicklung der Infrastruktur beispielsweise mit spektakulären Brückenbauwerken beim Eisenbahn- und Autobahnbau verantwortlich. Diese funktionierende Infrastruktur ist Grundlage unseres Wohlstandes.

Deutschland verfügt über ein zu geringes Angebot an Ingenieuren, um die Nachfrage nach Akademikern dieser Qualifikation befriedigen zu können. Der Mangel an Ingenieuren auf dem Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Das belegt auch die aktuelle Konjunkturumfrage der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Fast die Hälfte aller Teilnehmer gab an, Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen mit qualifiziertem Personal zu haben. Eine Trendwende ist noch nicht absehbar. Derzeit stagniert die Zahl der Absolventen im Bereich Bauingenieurwesen bei jährlich 3.200. Der Einstellungsbedarf liegt aber seit etwa zehn Jahren konstant bei 4.500 bis 5.000 Mitarbeitern pro Jahr.

Dieser beträchtliche Mangel an Ingenieuren - in Zukunft noch verstärkt durch den demografischen Wandel - beeinträchtigt die Innovationsfähigkeit vieler Unternehmen, gefährdet die Entwicklung neuer Produkte und Technologien und erweist sich damit als Wachstumsbremse - mit negativen Folgen für unser technisch hoch entwickeltes Gemeinwesen. Bestehende Marktchancen können nicht genutzt werden.
Der Ingenieurberuf scheint in den letzten Jahrzehnten an Attraktivität verloren zu haben. Heute stehen andere Berufsgruppen im Vordergrund Beispiels-weise sieht man bei medizintechnischen Fortschritten, wie etwa bei künstlichen Gelenken, eher den Arzt vor sich, der das Gelenk einbaut, als den Werkstoffingenieur, der dieses entwickelt hat.

In Bayern lässt sich die Bedeutung der im Bauwesen tätigen Ingenieure für die Wirtschaft an 40.000 zur Verfügung stehenden Arbeitsplätzen ermessen. Damit verzeichnen die etwa 15.000 Ingenieurbüros die höchste Beschäftigung in den technologieorientierten, wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen und generieren dabei einen Umsatz von 5,22 Mrd. Euro - dies entspricht mehr als 14% des bundesweiten Umsatzes. Bundesweit betreuen die mittelständischen Ingenieurbüros dabei Bauinvestitionen von rund 217 Mrd. Euro und beschäftigen mehr als 300.000 Menschen. Etwa 60.000 jungen Menschen wird durch Ausbildungsplätze, Praktikanten- und Diplomandenstellen eine Perspektive gegeben.

Bildungsqualität, Wissen und Technik

Bildung und Wissen sind zu einem Produktivfaktor von hohem Rang geworden, dem wir nur entsprechen können durch eine ebenso hohe Stufe an Bildungsqualität. Diese ist keinesfalls zu erreichen durch eine gut gemeinte aber dennoch verfehlte Gesamtschulidee, sondern nur innerhalb eines talentfördernden, gegliederten Schulsystems. Leistungseliten zu fördern, scheint dringend geboten!
Wirtschaft und Technik sind Grundpfeiler unserer Volkswirtschaft und keines dieser Fächer wird bisher an den Schulen pflichtmäßig unterrichtet. Um künftig international konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir mehr junge Menschen als bisher für den Ingenieurberuf begeistern. Nur wenn Jugendliche in der Schule positive und faszinierende Erfahrungen mit der Technik machen, denken sie später daran, einen technischen Beruf zu ergreifen.

Die Ingenieurwissenschaften sind von herausragender Bedeutung für Fortentwicklung unsere Gesellschaft. Wird diese Bedeutung nicht erkannt, gefährdet dies die Attraktivität und Entwicklung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Bayern.

Unsere Erwartungen an die Politik:
• Förderung des Bewusstseins in unserer Gesellschaft zur Notwendigkeit technischer Entwicklungen

• Einführung der Wissensgebiete Wirtschaft und Technik an den Schulen als eigenständige Pflichtfächer

• Master als Regelabschluss an den Hochschulen zur Erhaltung und Weiterentwicklung unseres hohen technischen Standards

• Beibehaltung der Gebührenordnungen der Freien Berufe - Leistungswettbewerb statt Preiswettbewerb

Über den Autor:
Dr.-Ing. Heinrich Hochreither ist Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Er studierte an der TU München Bauingenieurwesen und ist Geschäftsführer eines Ingenieurbüros in Aschaffenburg, das sich unter anderem auf Machbarkeitsstudien, Objekt- und Tragwerksplanung, Bauüberwachung und Bauwerksprüfung spezialisiert hat.


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