Was soll aus der Europäischen Union werden?

Die Rede des britischen Regierungschefs Cameron, in der er ein Referendum über den Verbleib seines Landes in der EU für 2017 ankündigte, hat erneut die Frage aufgeworfen, welche Kompetenzen die Mitgliedsstaaten an den Staatenbund abgeben sollen bzw. müssen. Es überrascht nicht, daß darüber zahllose unterschiedliche Meinungen bestehen.

Daß es die überwiegend kleinen europäischen Staaten ohne Verbund in Zukunft schwer haben würden, sich politisch und wirtschaftlich gegenüber Staaten wie USA, China, Brasilien, Rußland zu behaupten, dürfte unstrittig sein. Insofern macht eine Europäische Union nicht nur Sinn, sondern ist auch geboten. Unstrittig ist aber auch, daß sich die europäischen Staaten hinsichtlich der Mentalitäten ihrer Völker, ihrer Traditionen und ihrer politischen und wirtschaftlichen Kraft erheblich unterscheiden.

Die Europäische Union wird deshalb ein buntes Völkergemisch bleiben. Einheit in der Vielfalt. Um im weltweiten politischen Politiktheater eine tragende Rolle spielen zu können, muß die Europäische Union viel mehr sein als eine Freihandelszone. Um den unterschiedlichen Neigungen und Interessen ihrer Mitglieder gerecht zu werden, muß sie aber gleichzeitig weniger sein als ein Einheitsstaat. Das darf allerdings nicht bedeuten, daß sich jedes Mitgliedsland nur das heraus sucht, was ihm Vorteile bringt.

Die Bankenkrise und die dadurch in den Südländern der Währungsunion verursachte Staatsschuldenkrise hat gezeigt, wo die größten Defizite liegen. Europa braucht Einheitlichkeit der Steuer- und Sozialversicherungssysteme sowie einheitlich Regeln der Haushaltsführung. Europa braucht aber nicht die Normierung von Klosettbrillen und Zigarettenschachteln. Europa muß eine gemeinsame, vom Ausland unabhängige Energieversorgung aus regenerativen Quellen auf die Beine stellen und ein Bildungssystem schaffen, das Schülern und Studenten einen länderübergreifenden Wechsel der Ausbildungsstätten ermöglicht. Auch die Verkehrsinfrastruktur und Straßenverkehrsregeln müssen im Interesse der Verkehrsfreiheit einheitlich geregelt werden.

Der Grundsatz sollte sein: Auf europäischer Ebene wird nur das Reguliert, was im Interesse der Wohlfahrt aller europäischen Bürgerinnen und Bürger liegt und was den Zusammenhalt der Europäischen Union fördert sowie ihre politische und wirtschaftliche Macht stärkt.

Daß die Europabürokratie wuchert ist nicht überraschend. „Ein Amt bringt Samt“, lautet ein deutsches Sprichwort. In der Tat läßt es sich als Angehörige/r der Eurobürokratie gut leben. Das erzeugt einen Sog, der den bürokratischen Apparat aufbäht. Eine alte Erfahrung. Bürokratie sucht Beschäftigung – und sei sie auch noch so sinnlos oder gar schädlich. „Bürokratismus: Geistesstörung der Verwaltung, die durch die Allgegenwart ihrer Erscheinung zur Normalität wurde“, meint der Aphoristiker und Satiriker Prof. Querulix, und definiert: „Bürokratismus ist eine noch wenig erforschte Form manisch-depressiver Geistesstörung, die sich epidemisch verbreitet.“

Wenn David Cameron dagegen angehen möchte, ist ihm viel Glück zu wünschen. Das Zurückschneiden der europäischen Bürokratie liegt in unser aller Interesse. Leider sieht es nicht so aus, als sei das die tatsächliche Motivation des britischen Regierungschefs. Vielmehr ist zu vermuten, daß er den Euroskeptikern in seiner Heimat das Wort redet, um sie auf seine Seite zu ziehen, und daß er auf weitere Zugeständnisse seiner europäischen Partner beim Zurückbau der Europäischen Union zu einer von ihm und seinen politischen Freunden präferierten Freihandelszone hofft.

Daraus dürfte aber nichts werden. Wenn Großbritannien sich nicht in eine Europäische Union integrieren möchte, soll es austreten. Europa ist zwar ohne Großbritannien nicht vollständig, aber im internationalen politischen und wirtschaftlichen Zusammenspiel sehr gut lebens- und entwicklungsfähig. Daß dies für ein isoliertes Großbritannien gleichermaßen gilt, darf bezweifelt werden. Mit seiner Ankündigung eines Referendums hat Cameron deshalb in Großbritannien große Unsicherheit verbreitet.

Deutschland investiert derzeit unbegrenzt in die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit der südeuropäischen Problemländer. Der Vertrag über die Währungsunion schließt das zwar aus, aber er wurde mit deutscher Zustimmung einfach gebrochen. Denn der Euro soll um jeden Preis erhalten und der Austritt einzelner Länder verhindert werden.

„Der Euro ist das Ergebnis konzertierter Schummelei, offensichtlich motiviert durch die Hoffnung, die selbst verursachten wirtschaftlichen Probleme künftig auf Kosten der Nachbarn lösen zu können“, lesen wir bei Prof. Querulix (Des Menschen größte Bürde ist der Mensch, eBook, ISBN 978-3-943788-13-6, Umfang 104 S., 9,95 Euro, eVerlag READ – Rüdenauer Edition Autor Digital).

Faktisch wird in der Währungsunion jetzt genauso wie in den USA und Japan in ungeheuren Mengen Geld gedruckt. Die eigentlichen Strukturprobleme des Bankensystems und der Problemländer sind bisher nicht gelöst. Sollten die inflationären Folgen dieser Politik die ohnehin in Gang befindliche soziale Desintegration unserer Gesellschaft weiter antreiben, sind Wohlstand und sozialer Friede bald zugleich gefährdet. Eine brisante Mischung, wie wir aus historischer Erfahrung wissen.

Bleiben zwei Hoffnungen:

1. Daß die deutschen Politiker für den europäischen Gedanken nicht mit der Zukunft unseres Volkes Vabanque spielen, sondern jetzt schon durch entsprechende Reformen des Steuer- und des Sozialversicherungssystems die zu erwartende Schädigung von Geldsparern und Empfängern sozialer Leistungen verhindern. Im Interesse der Steuergerechtigkeit und um Altersarmut wirklich wirksam zu verhindern, sind diese Reformen übrigens ohnehin überfällig.

2. Daß die anderen Länder der Europäischen Union den hohen deutschen Einsatz würdigen und ihrerseits alles tun, um ihm den Erfolg zu verschaffen, der im Interesse aller europäischen Völker nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist.

Ob sich diese Hoffnungen erfüllen werden? Die Erfahrung mit Politikern macht äußerst skeptisch. „Hoffnung mag uns Flügel geben, aber ihren Gebrauch lehrt sie uns nicht“, bekräftigt Prof. Querulix unsere Skepsis (Besser quer gedacht als quergeschossen, eBook, ISBN 978-3-943788-15-0, Umfang 141 S., 12,95 Euro, eVerlag READ – Rüdenauer Edition Autor Digital).

Wenn die Cameron-Rede etwas Gutes bewirken kann, dann ist es die Stärkung der Kräfte für eine zukunftsweisende Optimierung der Europäischen Union. Eine Sonderrolle für Großbritannien darf und wird es aber nicht geben. Entsprechende Illusionen europakritischer Briten sollten unverzüglich beseitigt werden.

READ Pressestelle
Kontakt:
RÜDENAUER EDITION AUTOR DIGITAL
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
read@ruedenauer.de
www.read.ruedenauer.de