Sprachpanscher DB geht in sich

Weniger Englisch, mehr Deutsch.

Die DB hat angekündigt, in Zukunft wieder mehr deutsche Bezeichnungen zu verwenden. Ob wir uns auf den Bahnhöfen noch zurechtfinden werden, wenn der „Service Point“ plötzlich wieder Auskunft heißt, der „Ticket Counter“ Fahrkartenschalter, „Mc-Clean“ wieder Toilette und „Kiss & Ride“ einfach nur Kurzparkzone?

Bahn-Chef Rüdiger Grube erklärte vorige Woche, die Deutsche Bahn wolle in Zukunft sparsamer mit Begriffen in englischer Sprache umgehen. Anstelle „Hotline“ soll beispielsweise der Begriff „Service-Nummer“ (auch nicht das Wahre) verwendet werden, anstelle „Flyer“ „Broschüre“ oder „Handzettel“. Mittlerweile eingebürgerte Begriffe wie „Intercity“ oder „BahnCard“ sollten allerdings weiter benutzt werden, Und auch „Call a bike“, freilich ergänzt mit dem Zusatz „das Mietrad-Angebot der Deutschen Bahn“ (warum eigentlich nicht gleich „Fahrradverleih“?)

AUSGERECHNET BAHN

Diese Nachricht ist schon deshalb erfreulich, weil das Staatsunternehmen DB in der Vergangenheit zu den größten Verunstaltern der deutschen Sprache gehörte. Hier lieferte sie sich regelmäßig einen traurigen Wettbewerb nicht zuletzt mit der Deutschen Post und der Deutschen Telekom. Die Post brachte unter anderem die folgenden hanebüchenen Kauderwelsch-Begriffe hervor, bei denen übrigens nicht nur Deutschen, sondern oft auch Engländern die Haare zu Berge stehen: „One stop shopping“, „Global mail“, „Mailing Factory“, „Stampit“, „Postage point“, „Easytrade“, „Funcard mailing“, „Travel service“, „Speed booking“.

Andere Firmen sind da allerdings auch nicht viel besser. Und im Wirtschaftsleben sind Begriffe wie „Shareholder value“, „Assessment Center“, „Corporate Identity“ oder „Key Account Manager“ (für den guten alten Kundenbetreuer) derzeit nicht auszurotten. So ist es in vielen Firmen noch selbstverständlich, wenn das Meeting am Weekend im Office stattfindet. Wegen der Deadline nämlich, sprich: Frist, ohne Mittagspause, also Lunch-Break. Statt gestrichen wird gecancelled statt verschoben geshiftet und statt getauscht geswitcht. Und wer so spricht, glaubt nicht selten, ein „Belonger“ zu sein: dazuzugehören. Auch wenn es nur noch peinlich ist.

Wie weit die Vermanschung der deutschen Sprache mit englischen oder englisch klingenden Begriffen fortgeschritten ist, zeigt ein kurzer Spaziergang in praktisch jeder beliebigen Fußgängerzone. Anstelle des „Schlussverkaufs“ leuchten einem von überall her die Lettern „SALE“ entgegen. Wobei interessanterweise Geschäfte, die etwas auf sich halten, bereits wieder andere Wege gehen. Tragbare Telefone werden in „Handy-Shops“ feilgeboten, weil Engländer oder Amerikaner dazu „mobile phone“ sagen. „Coffee TO GO“ kommt in den seltensten Fällen aus Togo, lädt aber dazu ein, die obligatorischen Pappbecher in der Gegend herumzuschmeißen. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

FRANKREICHS BEISPIEL

In Frankreich oder Spanien waren derartige Entstellungen der eigenen Sprache immer undenkbar. Von Gesetzes wegen ist dort vorgeschrieben, dass im Wirtschaftsleben wo möglich eigensprachliche Begriffe zu verwenden sind. Und das funktioniert gut. Statt „e-mail“ heißt es in Frankreich „courrier (oder message) électronique“, abgekürzt mél, was übersetzt „elektronische Post“ bzw. „elektronische Nachricht“ bedeutet. SMS heißt „texto“ und Mountainbike „VTT“: vélo tout terrain. Die französische Nation ist nicht bereit, sprachlich vor den USA zu kapitulieren.

Es ist schon erstaunlich, dass gerade die deutsche Sprache, die sich gewiss nicht vor dem Englischen verstecken muss, einen derartigen Einbruch erleidet. Kommt dies daher, dass es Menschen als „in“ empfinden, sich einen englischen „touch“ (Anstrich) zu geben? Das mag in Einzelfällen zutreffen, geht aber am Kern des Problems vorbei. Seit über 40 Jahren wird der Bevölkerung eingeimpft, man dürfe nicht stolz sein auf die Heimat, auf die eigene Kultur und Geschichte. 2005 bezeichnete der damalige Bundestagspräsident unsere Sprache allen Ernstes als „Sprache der Mörder“ (als ob nicht unzählige Opfer der Massenmorde des vergangenen Jahrhunderts Deutsch zur Muttersprache gehabt hätten). Klar, dass wir da in der EU ständig gegenüber anderen Sprachen zurückstecken, obwohl Deutsch die mit Abstand meistgesprochene Muttersprache in der EU ist. Die Folge dieser Politik ist, dass Minderwertigkeitskomplexe und Neurosen kultiviert werden, die sich unter anderem eben auch in der gezeigten Geringachtung der eigenen Sprachkultur offenbaren.

Doch glücklicherweise regt sich eine immer stärkere Gegenbewegung gegen die Entstellung und Überfremdung des Deutschen durch vermeidbare Anglizismen. Verdienstvoll ist beispielsweise die Arbeit der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Sie setzt sich auf vielfältige Weise für die Pflege der deutschen Sprache ein. Unter anderem verleiht sie seit 1997 alljährlich den Schmähpreis „Sprachpanscher der Jahres“ für besonders bemerkenswerte Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache. Dass auf dem Siegertreppchen schon zweimal der Chef der Deutschen Bahn und je einmal der Chef der Deutschen Post und der Deutschen Telekom standen, verwundert wenig. Interessant sind die anderen Preisträger. Im vergangenen Jahr beispielsweise wurde der Deutsche Turner-Bund ausgezeichnet, und zwar für das gedankenlose Übernehmen englischer Begriffe wie „Slacklining“, „Gymmotion“, „Speedjumping“ oder „Speedminton“ sowie für Veranstaltungen wie „Feel Well Woman“ oder „Sport for Fun“. 2004 traf es den ZDF-Intendanten Markus Schächter für die Verwendung von Begriffen wie „KIDDIE contests“, „Webcam Nights“ und Sendungen wie „History“ oder „Nightscreen“. Auch der frühere DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder war vor dem Schmähpreis nicht gefeit. 2003 erwischte es ihn wegen der vom DFB vertriebenen „Home & Away Shirts“, „Signature Shirts“ und „Reversible Tops“. Makaber ging es bei der Preisverleihung 2001 an den Vorsitzenden des Bundesverbandes deutscher Bestatter zu. Kritisiert wurden „funeral master“ als neues Berufsbild bei Bestattungsunternehmen, „eternity“ als Name für eine jährlich stattfindende Fachmesse sowie „peace box“ statt Sarg.

SO SCHLIMM WAR ES SCHON

Der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg und neue deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger wurde 2006 als „Sprachpanscher des Jahres“ ausgezeichnet für seine Äußerung in einem SWR-Interview: „Englisch wird die Arbeitssprache. Deutsch bleibt die Sprache der Familie und der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest.“ Freilich hätte er wie man heute weiß, gleich einen Doppelpreis verdient gehabt: Für die Verhunzung der deutschen wie der englischen Sprache gleichermaßen.

Die erste Preisträgerin im Jahr 1997 war übrigens die Modeschöpferin Jil Sander, geboren in Dithmarschen, wohnhaft in Hamburg. Preiswürdig erschien folgende Interviewäußerung:

„Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine givingstory. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.“

ENDE EINES IRRWEGS?

Das ist schon eine Weile her. Das Umdenken ist längst im Gange. Erstaunlicherweise hat gerade die amerikanische Schnellrestaurantkette McDonald’s recht früh ihren Spruch von „McDonald’s – I love it“ in „McDonald’s – ich liebe es“ umgeändert. Das Firmenmotto des Essener Energiekonzerns RWE lautet nun „VORWEG GEHEN“ – statt einst „One group. Multi utilities“. Und Douglas „macht das Leben schöner“ – statt des früheren „Come in and find out”. Meinungsumfragen haben gezeigt, dass die Menschen heute kritischer auf unnötige Anglizismen reagieren, auch in der Werbung. Der Umschwung bei der Deutschen Bahn kommt daher nicht völlig überraschend. Es fragt sich nur: Warum mussten die absurden „Denglisch“-Verballhornungen überhaupt sein?

Dr. Petersen


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