Mangel an Bauingenieuren: Bayerische Ingenieurbüros warten gespannt auf den 1. Mai

München/Nürnberg (26.04.2011). Mit Spannung blicken viele bayerische Ingenieurbüros dem 1. Mai 2011 entgegen. Dann tritt in Deutschland die vollständige Freizügigkeit für Arbeitnehmer in Kraft: Arbeitskräfte aus fast allen osteuropäischen EU-Ländern können sich dann für freie Stellen in Deutschland bewerben. Die von Fachkräftemangel betroffenen Ingenieurbüros erhoffen sich qualifizierte Bauingenieure vor allem aus Polen und Tschechien. „Wir rechnen allerdings nicht mit einem Ansturm, denn auch in den osteuropäischen Staaten entwickelt sich die Wirtschaft dynamisch“, so Dr.-Ing. Heinrich Schroeter, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Honorar- und Lohndumping durch osteuropäische Arbeitskräfte wird deshalb auch nicht bei den kleinen Ingenieurbüros befürchtet, wie eine stichprobenartige Umfrage der Kammer zeigt.

In den vergangenen Jahren konnten in der Bauwirtschaft zahlreiche offene Ingenieurstellen nicht besetzt werden. Der Bedarf ist groß, aber Ingenieurbüros können nicht genügend Leute finden. Auf absehbare Zeit kann der jährliche Einstellungsbedarf von rund 4.500 Bauingenieuren nicht gedeckt werden. Tatsächlich fehlen jedes Jahr etwa 1.000 Hochschulabsolventen.

„Früher haben wir auf eine Stellenanzeige in der Regel mehr als 40 Antworten bekommen, heute meldet sich mitunter kein einziger Bewerber, der die Anforderungen der Stellenausschreibungen erfüllt.“ berichtet Dipl.-Ing. Univ. Dietrich Oehmke. Der geschäftsführende Gesellschafter des Nürnberger Ingenieurbüros Rieger + Brandt mit rund 40 Angestellten hat unterschiedliche Erfahrungen mit im Ausland ausgebildeten Bauingenieuren gemacht. So sei der Versuch „ins Auge gegangen“, einen Ingenieur aus dem arabischen Raum zu beschäftigen, so Oehmke. Das Können des Ingenieurs und die Anforderungen hätten nicht zusammengepasst. Den neuen Möglichkeiten, die durch die osteuropäischen Kollegen eröffnet werden, steht Oehmke offen gegenüber. Grundsätzlich entspreche die Qualität der Ausbildung in vielen Ländern der deutscher Universitäten und Hochschulen.

International geht es ebenfalls bei der WTM ENGINEERS München GmbH zu, die zur WTM ENGINEERS Unternehmensgruppe mit insgesamt 160 Mitarbeitern gehört. Am Standort München arbeiten unter anderem Ingenieure aus China, aus Russland, aus der Türkei und aus Serbien. Geschäftsführer Dr.-Ing. Otto Wurzer erhofft sich nun vor allem eine Erleichterung bei der Anstellung neuer Mitarbeiter: „Eine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu beschaffen war bisher ein fürchterlich mühseliger Prozess, der mindestens zwei Monate dauerte“, so seine Erfahrung mit Behörden, Konsulaten und Botschaften. In Osteuropa gebe es viele gut ausgebildete Kollegen. Da bei vielen Aufträgen die Projektsprache Englisch sei, erwartet Wurzer nach eigenen Angaben keine großen Verständigungsprobleme.

Von Schwierigkeiten osteuropäische Bauingenieure in Deutschland anzustellen, berichtet auch Dipl.-Ing. Dieter Stumpf, Geschäftsführer der SSF Ingenieure AG. Das Unternehmen mit insgesamt 220 Angestellten unterhält mehrere Büros im Ausland. „Bisher konnten wir fertig ausgebildete Diplom-Ingenieure aus Osteuropa in Deutschland nicht halten“, so Stumpf. Nicht etwa, weil in Deutschland kein Bedarf da gewesen wäre, sondern weil die Mitarbeiter laut Stumpf aus rechtlichen Gründen nach drei Monaten in ihr Heimatland zurück mussten. „Wir rechnen nun schon damit, dass wir für unser Ingenieurebüro Mitarbeiter aus Osteuropa einstellen werden.“ In Deutschland könnten die Ingenieure deutlich mehr Geld als in ihrem Heimatland verdienen. Allerdings seien die Lebenshaltungskosten hierzulande auch deutlich höher, relativiert Stumpf.

Die deutsche Bauwirtschaft und die Planungsbüros bieten gut ausgebildeten Ingenieuren hervorragende Karrieremöglichkeiten. Auch in der öffentlichen Verwaltung sind Ingenieure sehr gefragt. Berufseinsteiger starten mit einem Durchschnittseinkommen in Höhe von 39.000 Euro (brutto), erfahrene Ingenieure verdienen durchschnittlich 55.000 Euro (brutto) pro Jahr.


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