Eine außergewöhnliche Frau geht ihren Weg - Christine Sonnenberg liest in Gretels Lesestube aus „Fassetten der Angst“

Am Donnerstag, den 14. Mai 2009 hätte man in Gretels Lesestube im Hotel Kluster Hof in Basdahl bei Bremervörde jede Stecknadel fallen hören. Im voll besetzten Zuschauerraum war die Spannung buchstäblich zu spüren, als Christine Sonnenberg begann, die Erinnerungen einer außergewöhnlichen Frau vorzulesen.
Renata, 1905 in einem kleinen Dorf in der Nähe von Berlin geboren, durfte nur nach wiederholter Aufforderung durch den Dorfschulmeister lesen und schreiben lernen. Dem Vater waren seine Töchter mehr oder weniger egal. Er kümmerte sich fast ausschließlich um seine Söhne. In den 1920er Jahren wurde Renata immer häufiger in der väterlichen Schneiderwerkstatt eingesetzt und erlernte so ganz nebenbei dieses Handwerk.
Da die Zeiten immer schlechter wurden, kamen nun auch begüterte Personen aus Berlin, um sich auf dem Lande preisgünstig mit neuer Kleidung einzudecken. Eines Tages wird Renata von einer reichen Frau angesprochen und gebeten, ihr nach Berlin zu folgen. Renatas Mutter willigt gegen eine kleine Geldspende ein und schon nach wenigen Tagen fährt ein großes Automobil vor, um Renata abzuholen.
In der Hauptstadt angekommen, muss sie für ihre neue Chefin und deren Freundinnen aus edlem Stoff noch edlere Kleider herstellen. Renata tut ihr Bestes und erarbeitet sich schnell einen ausgezeichneten Ruf als Schneiderin. Nebenbei verschlingt sie heimlich die halbe Bibliothek ihrer Chefin und erfährt auf diese Weise viel über die Welt und Land und Leute.
Irgendwann hat sie keine Lust mehr, sich ausnutzen zu lassen und macht sich selbstständig. Inzwischen ist sie so bekannt, dass sie sogar für ein renommiertes Theater schneidert und dadurch zum ersten Mal in ihrem Leben mit dem Showgeschäft in Berührung kommt.
Auf einem ihrer abendlichen Streifzüge durch die Kneipen Berlins lernt sie eine Frau kennen, die ein kleines Theater betreibt und dringend eine neue Ansagerin sucht. Renata denkt darüber nach und nimmt den Job an. Schnell fühlt sie sich auch auf der Bühne zu Haus und erlangt eine gewisse Berühmtheit. Sie verdient mit ihren zwei Jobs viel Geld, dass sie, gegen den Trend, nicht in Aktien, sondern in Immobilien anlegt.
Da sie der amerikanischen Swing-Musik nicht abgeneigt ist, muss sie schließlich vor den Nazis fliehen und landet nach einer halsbrecherischen Tour durch ganz Deutschland schließlich in der Schweiz. Dort ist sie vor ihren Häschern sicher und hilft anderen Flüchtlingen, die nicht so begütert sind, wie sie selbst.
Eine nicht alltägliche Geschichte, die von Christine Sonnenberg meisterhaft vorgetragen, für große Anteilnahme im Publikum sorgte und im Anschluss eine rege Diskussion auslöste.

Heide Marie Zimmer
Fassetten der Angst
ISBN 978-3837002850
340 Seiten
19,90 Euro
Info
http://gretels-lesestube.homepage24.de

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