Ortwin und die Nazis - oder Mit Leugnen und Kameras gegen Rechts

Zwei Ereignisse der letzten Tage veranlassten uns dazu, diesen Text zu schreiben. Zum einen war es der Versuch von etwa 50 Neonazis, in Mahlow aufzumarschieren[1] und zum anderen ein Interview in der Märkischen Allgemeinen Zeitung mit dem Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow (Brandenburg), Ortwin Baier.

Am Donnerstag, den 23. August 07 veröffentlichte die Märkische Allgemeine im Zossener Regionalteil ein Interview mit dem Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow, Ortwin Baier, das als direkte Reaktion auf einen verhinderten Aufmarsch von Neonazis in Mahlow in der vergangenen Woche gewertet werden kann. Gleichzeitig ist es jedoch auch der wiederholte Versuch, schadensbegrenzend wirken zu wollen und dabei das rechte Problem kleinzureden. Wenn Baier sagt, „wir haben ein rechtes Problem“, dann hat er nicht Unrecht. Dass er diese Erkenntnis aber im selben Atemzug mit der Aussage revidiert, dass dieses Problem „aber nicht größer oder kleiner ist, als in anderen Kommunen auch.“[2], ist symptomatisch und zeugt nicht von Unkenntnis der herrschenden politischen Situation in der Gemeinde, sondern ist die von jeher hier praktizierte Reaktion auf rechte Aktivitäten. Solange es geht wird geleugnet, ist dies nicht mehr möglich, wird relativiert und die Schuld bei anderen gesucht. Dann ist nicht der prügelnde Neonazi, der als selbstständig denkendes und handelndes Individuum für seine Taten selbst verantwortlich ist, die Ursache des lokalen Rechtsextremismus, sondern die Menschen, die solche Aktivitäten nicht schweigend hinnehmen. Nach den Ursachen der zunehmenden rechten Vorkommnissen in der Gemeinde befragt, lässt Baier verlauten, dass seiner Meinung nach „auch aus dem linken Spektrum provoziert wird. Die Antifa hebt die Rechten immer wieder auf die Bühne.“[3] Baier stellt diese absurde Behauptung ohne nähere Erläuterung einfach in den Raum. Inwiefern Antifaschisten dafür verantworltich sind, bleibt ungeklärt. Das Rechtsextremismus nicht mit Totschweigen und Leugnen bekämpft wird, ist bei ihm scheinbar bis heute nicht angekommen.

Baiers Vorgehen ist nicht neu. So bezog er im November 2006 sofort Stellung zugunsten des Wirts der Gaststätte „Zur Eiche“, als dieser durch eine Veranstaltung der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) in die Schlagzeilen geriet.[4] „[Er] hatte keine Chance zu erkennen, um wen es sich bei den Gästen handelte.“[5] ließ Baier sofort verlauten. Dass der Wirt Kliemann auch nachdem ihm bewusst geworden war, wen er sich ins Haus geholt hatte, die Veranstaltung weiterführen ließ, verschweigt Baier bewusst. „Plötzlich erschienen Polizisten, verlangten die Auflösung der Veranstaltung und die Abgabe des Hausrechts an das Polizeikommando, was meine Frau richtigerweise ablehnte.“[6] äußerte sich der Wirt zur Bereitstellung von Räumlichkeiten für ein bundesweites Treffen von mehr als 200 Rechtsextremen.

Um zu suggerieren, dass in Blankenfelde-Mahlow kein rechtes Potenzial vorhanden sei, behauptet Baier im Interview, dass „höchstens zwei Prozent der Teilnehmer des Aufmarsches vom vorigen Wochenende [...] aus der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow [kamen], der Rest ist aus Berlin und Umgebung angereist“. Bezogen auf die Zahl der rund 50 Teilnehmern, die polizeilich festgestellt wurden, würde dies bedeuten, dass höchstens ein Teilnehmer aus der Gemeinde stammte. Die Tatsache, dass die Polizei mehr als einem örtlichen Nazi an diesem Abend Platzverweise aussprach, z.B. unter anderem Dirk Reinecke[7] aus Blankenfelde und Lutz Skupin[8] aus Mahlow, widerspricht der Darstellung des Bürgermeisters. Diese Betrachtungsweise verschweigt im Übrigen auch einen wesentlichen Aspekt. Es ist nämlich gar nicht so wichtig, wie viele Teilnehmer des Aufmarschversuchs aus der Gemeinde selbst stammten. Bemerkenswert ist vielmehr, dass die örtliche Naziaktivisten es geschafft haben, die Berliner und Brandenburger Szene dazu zu bewegen, in Blankenfelde-Mahlow zu marschieren. Dieser Umstand zeugt von der Eingebundenheit der lokalen Naziaktivisten in die politisch aktive rechte Szene und einer vorangeschrittenen überregionalen Vernetzung im Landkreis. Beides sollte zu denken geben. Zudem sollte man sich hüten, von der Zahl der lokalen Nazis, die an dem Aufmarschversuch teilnahmen, vorschnell auf das Ausmaß des Rechtsextremismus in der Gemeinde zu schließen. Denn nicht alle lokalen Nazis zählen zum aktionsorientierten Spektrum der „Freien Kameradschaften“[9], das am besagten Freitag aufmarschierte. Nazis wie der Blankenfelder NPD-Kader Matthias Ridderskamp wurden beispielsweise nicht gesichtet.
„Schreiben Sie, dass Mahlow kein Nazidorf ist!“

So falsch Ortwin Baier mit dieser Strategie auch handelt, ebenso falsch wäre die Unterstellung, er würde dies aus Sympathie für die Rechten tun. Traurigerweise interessiert er sich aber weniger für die Opfer der Nazis als für die Negativ-Schlagzeilen, die der Gemeinde durch Naziattacken entstehen. Deswegen setzt er auch weniger auf aktives Handeln gegen Rechts, sondern auf das oben erwähnte Kleinreden. „Schreiben Sie, dass Mahlow kein Nazidorf ist!“[10] fordert er einen Journalisten in einem Interview auf und beginnt einen halbstündigen Monolog über lokale Errungenschaften gegen Rechts. Baiers Ideen sind allerdings alles andere als förderlich. So möchte er den Mahlower Bahnhofsvorplatz mit Kameras überwachen lassen, denn „rechte Parolen und Graffiti würden das Areal verunzieren“. „Seit langem wurmt mich, was das für ein schlechtes Aushängeschild für unsere Gemeinde ist“[11]. Es wird deutlich, das Baier sich ausschließlich um das Image der Gemeinde sorgt. Dass aus der Perspektive der potentiellen Opfer rechter Gewalt der Mahlower Bahnhof schon seit längerem ein Angstraum ist, ist scheinbar nicht das Problem. Inwiefern Kameras dazu führen das Taten verhindert werden, bleibt ebenfalls offen. Die Installation von Kameras würde lediglich dazu führen, dass die Täter sich vermummen, um auf den Videobändern nicht erkennbar zu sein. Einen Abschreckungseffekt haben solche Kameras nicht, wie bereits Pilot-Projekte in anderen Städten wie Potsdam und Bernau bewiesen haben. Trotz Installation von Kameras an dortigen Kriminalitätsschwerpunkten konnte kein Rückgang der Delikte erzielt werden, z.T. stieg die Zahl der Straftaten sogar weiter.[12]

„Wir sind außerdem sehr eng mit der Polizei vernetzt...“[13] lobt Ortwin Baier das Engagement der Gemeinde. Dass die Polizei Teil des Problems ist, will er nicht sehen. So belästigen die Beamten beispielsweise nach rechten Übergriffen die Opfer, wie in einem Fall im Jahr 2006 geschehen, als Angehörige der MEGA (Mobile Einheit gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit) einen Betroffenen von Nazigewalt aufsuchten, unter Druck setzten und linke Strukturen aushorchen wollten,[14] aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit einiger Antifaschisten. Das ist in anderen Landkreisen nicht anders zu beobachten, auch dort stört sich die MEGA nicht an den rechten Aktivitäten als solches, sondern an denjenigen, die diese öffentlich anprangern.[15] Des weiteren ist es zwar möglich, mit polizeilichen Mitteln rechte Aufmärsche zu verhindern, allerdings kann mit diesen nicht die Ideologie in den Köpfen bekämpft werden. Um das zu erreichen, müssen antifaschistische Initiativen und Strukturen gefördert werden.

Autonome Antifa Teltow-Fläming [AATF] im August 2007

[1] http://www.rbb-online.de/_/nachrichten/politik/beitrag_jsp/key=news63045...
[2] Märkische Allgemeine Zeitung, 23.08.2007
[3] ebd.
[4] http://www.tagesspiegel.de/medien-news/Medien;art290,1974125
[5] Märkische Allgemeine Zeitung, 18.02.2006
[6] Wochenspiegel, 08.11.2006
[7] http://aatf.antifa.net//index.php?option=com_content&task=view&id=125&It...
[8] http://www.inforiot.de/material/tf_antifarecherche07.pdf
[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Kameradschaften
[10] http://www.neon.de/kat/sehen/gesellschaft/rechtsradikalismus/199974.html
[11] Märkische Allgemeine Zeitung, 09.08.2007
[12] http://www.inforiot.de/news.php?topic=news&article_id=8218
[13] Märkische Allgemeine Zeitung, 23.08.2007
[14] http://www.inforiot.de/news.php?topic=news&article_id=7087
[15] ebd.


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