Verschiebebahnhof – Wie die Verantwortung weitergereicht wird

Die zweite Mißhandlung Volmarsteiner Heimopfer

„Eine einseitige und nur durch die Evangelische Stiftung Volmarstein zu tragende Opferentschädigung kann ich Ihnen nicht in Aussicht stellen.“ So das letzte Glied in der Verantwortungskette. Dabei steht sie als Rechtsnachfolgerin der Verbrecher in den Nachkriegsjahrzehnten in einem Heim für schwerstbehinderte Klein- und Schulkinder in der Pflicht.
Nicht verantwortlich sieht sich auch der Bürgermeister der Stadt Wetter, Frank Hasenberg. Zwar gab es in den 50er und 60er Jahren ein Jugendamt in Volmarstein, aber davon will Hasenberg nichts wissen: „Ihre Aufforderung habe ich zuständigkeitshalber an den Landrat der Kreisverwaltung des Ennepe-Ruhr-Kreises weitergeleitet, da die Stadt Wetter (Ruhr) zu der Zeit der zu unrecht erlittenen Geschehnisse über kein eigenes Jugendamt verfügte.“ Alte Volmarsteiner wissen es anderes und auch, wo das Jugendamt zu finden war, nämlich in der „Von-der-Recke-Straße“. Außerdem liegt ihm die Kopie eines Dokumentes vor, das ausgerechnet an das Jugendamt Volmarstein gerichtet war. Bürgermeister Hasenberg verweist auf den Ennepe- Ruhr-Kreis.
Armin Brux, der zuständige Landrat in einem Schreiben: „Hinsichtlich des Ennepe-Ruhr-Kreises läßt es sich für mich nach einem so langen Zeitraum nicht mehr klären, ob dieser in irgendeiner Form in der Verantwortung war.“ Auch dort muß es ein Jugendamt gegeben haben, denn Anfang der 70er Jahre hat Helmut Jacob im Auftrag der Orthopädischen Anstalten Volmarstein mit dieser Behörde unter Behördenleiter Janßen gemeinsame Ferien-Freizeitprogramme veranstaltet. Allerdings begrüßt der Landrat, „daß der Landschaftsverband Westfalen-Lippe sich intensiv mit der Vergangenheit und seiner Verantwortung auseinandersetzen wird.“ Damit wird die Verantwortung eine Instanz höher gereicht.
Der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Wolfgang Kirsch, meinte zunächst, daß sich nicht feststellen ließe, ob das Johanna-Helenen-Heim der Aufsicht des LWL unterlag. Kirsch an anderer Stelle : „Aus ihren Unterlagen wird ein Fehlverhalten des Landesjugendamtes nicht sichtbar.“ Es scheint den LWL nicht zu interessieren, daß die Historiker Schmuhl und Winkler festgestellt haben, daß der LWL ab 1961 sehr wohl für die Heimaufsicht zuständig war. Betroffene haben berichtet, irgend einen Mitarbeiter des Landesjugendamtes nie im Johanna-Helenen-Heim getroffen zu haben. Allerdings verweist der LWL auf den „Runden Tisch Heimerziehung“.
Klaus Dieter Kottnik, ehemaliger Präsident des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche, verweist schon frühzeitig, nämlich im April 2009, auf den „Runden Tisch Heimerziehung“. Kottnik weiter: “Der Dialog mit den ehemaligen betroffenen Heimkindern sollte so konkret wie möglich sein und deshalb nach Möglichkeit auf der Einrichtungsebene stattfinden, so wie es hier geschieht.“ Kottniks Nachfolger Johannes Stockmeier läßt durch seinen Archivleiter Michael Häusler an die Arbeitsgruppe schreiben: “Unser Bestreben richtet sich jetzt auf die Umsetzung der Empfehlungen des RTH auf politischer Ebene.“ Weiter heißt es: „... die spezifischen Fragen der von Ihnen vertretenen Betroffenengruppe sind in angemessener Weise auf Einrichtungsebene zu besprechen. In dieser Hinsicht befindet sich die Evangelische Stiftung Volmarstein auf einem guten Weg “.
Oberkirchenrat Christoph Thiele von der Evangelische Kirche Deutschland, mit den Forderungen der Arbeitsgruppe konfrontiert, antwortet: Es sei „vielmehr wichtig, dass diese Gespräche in den Einrichtungen selbst intensiv geführt werden. Nach meiner Kenntnis ist dies in Volmarstein bereits der Fall.“ Im übrigen verweist die Evangelische Kirche auf den „Runden Tisch Heimerziehung.“
Blieb also als letztes die Evangelische Stiftung Volmarstein, in der vor 50 Jahren diese dokumentierten Verbrechen stattgefunden haben. Auch sie will keine Opferrente (monatlich 300 Euro) bezahlen (siehe oben) und verweist, - worauf? Auf den „Runden Tisch Heimerziehung“.
Wie dieser Runde Tisch die behinderten Opfer abgebürstet hat, ist vielfach im Internet nachzulesen: "Mit der Problematik der Behindertenhilfe sprechen Sie ein wichtiges und sensibles Thema an. Der Deutsche Bundestag hat den Runden Tisch "Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren" mit der Aufarbeitung der Jugendhilfepraxis ... beauftragt. Daher wird sich der Runde Tisch ausschließlich mit der damaligen Heimerziehung befassen können.", so Holger Wendelin von der Geschäftsstelle.
Die damals kleinen Kinder, die heute noch unter den Folgen von Gewalt und Terror, Vernachlässigung und Verhinderung von Bildung und Ausbildung in ihrer Kleinkinder- und Schulzeit leiden, fühlen sich verschaukelt. Viele von ihnen haben keinen Platz in der Gesellschaft finden, keine Ausbildung absolvieren können. Sie leben unter der Armutsgrenze und fühlen sich noch einmal mißhandelt, weil man ihnen nicht einmal einen würdigen Lebensabend gönnt.

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