Die Rohstoff-Woche – Kalenderwoche 33/2009: Von Krise keine Spur!?

Den Baltic Dry Index, den wichtigsten Preisindex für das weltweite Verschiffen von Hauptfrachtgütern (hauptsächlich Kohle, Eisenerz und Getreide) auf Standardrouten hatten wir hier in der Rohstoff-Woche KW 43/2008 schon einmal als Hauptthema. Seitdem dieser etwa zu genau dieser Zeit seinen 25-Jahre-Tiefststand bei unter 700 Punkten erreichte, konnte er sich bis Anfang Juni 2009 auf annähernd 4.300 Punkte versechsfachen. Gerade wegen seiner relativen, frühen Indikatorfunktion wird dieser Anstieg noch immer als Zeichen für einen baldigen weltweiten Wirtschaftsaufschwung gesehen.

Jedoch sollte beachtet werden, dass für diesen neuerlichen Anstieg allen voran die massiven chinesischen Rohstoff-Importe verantwortlich waren. Bis einschließlich Juni 2009 verzeichnete China vor allem in den Bereichen Eisenerz und Kupfer Rekord-Importe um die eigenen Rohstofflager wieder aufzufüllen. In den letzten Wochen sank der Baltic Dry Index dementsprechend wieder auf ein Niveau unterhalb der 2.700 Punkte Marke, verlor also binnen zwei Monaten erneut ein Drittel.

Wir warnen deshalb weiterhin ausdrücklich vor vermehrt aufkommenden Meldungen über ein baldiges Ende der Rezessionsphase! Ein in den Massenmedien gefeierter Anstieg der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,3% im zweiten Quartal sollte nicht über einen dementsprechenden Wirtschaftseinbruch von 3,5% (also des 12-fachen des aktuellen Wachstums) im Vorquartal hinwegtäuschen. Vielmehr dürfte zu erwarten sein, dass man zumindest in Deutschland bis zur Bundestagswahl noch mit allen Mitteln versuchen wird, Massenentlassungen hinauszuschieben – zumindest da, wo es noch möglich ist. Quelle (geplante dreieinhalb tausend Entlassungen (wobei darunter viele Halbtagsstellen fallen, also effektiv mit weit mehr als 4.000 Stellenstreichungen zu rechnen ist)) und ThyssenKrupp (8.000 Entlassungen allein in diesem Jahr) sind da erst der Anfang der Bugspitze. Zitat des Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz dazu: "Zur Jahreswende wird die Vier-Millionen-Marke gerissen, 2010 bleiben wir aber unter fünf Millionen". Wir rechnen jetzt also schon in ganzen Millionen-Arbeitslose-Schritten. Jedoch dürfte die aktuelle Krise wie angesprochen erst nach der Wahl durchschlagen. Denn welche der Regierungsparteien lässt sich schon gerne die Wahlparty vermiesen. Und dass bis zur Wahl in 6 Wochen rein gar nichts mehr passieren wird um noch irgendetwas zu retten (und wenn es nur ein einziger Arbeitsplatz sein sollte) das zeigt auch die Aussage aus dem Bundesbauministerium auf die Frage nach einem Staatssekretär: „Das Bauministerium kann Ihnen aktuell keinen Termin nennen, da der Wahlkampf die Staatssekretäre terminlich stark bindet“. – Na Prost Mahlzeit!

Lange Rede – kurzer Sinn – oder um zum Thema Baltic Dry Index zurück zu kommen: sicher ist, dass nichts sicher ist. Sprich: zumindest der Baltic Dry Index zeigt uns momentan noch keinen Aufschwung an, stattdessen dümpelt er ungefähr 80% unter seinem Hoch von Mai/Juni 2008 herum. Ob da aktuell Basismetalle schon das richtige Investment sind, ist fraglich. Auf mittelfristige bis langfristige Sicht allemal, jedoch scheinen in Zeiten wie diesen eher Gold und Silber Trumpf zu sein – zumindest zur Absicherung nach unten.

Wem gehört denn eigentlich die gesamte Goldmenge, die jemals gefördert wurde? „Na zum Großteil sicherlich den USA, Deutschland, der Schweiz, dem Internationalen Währungsfonds IMF (IMF für International Monetary Fund) und einigen weiteren Fonds“ - werden Sie sicherlich auf Anhieb sagen. Nunja, den 10 größten Goldeigentümern weltweit gehören aktuell etwa 25.000 Tonnen Gold. Insgesamt wurden seit Anbeginn der Zeit aber etwa 155.000 Tonnen Gold gefördert. Das heißt also, dass die USA, Deutschland, die Schweiz, Italien, Frankreich, China, Japan, die Niederlande, der IMF und der SPDR Gold Shares ETF gerade einmal rund 16% aller bereits geförderten Goldvorräte halten! Stimmt, hätte ich persönlich auch höher geschätzt. Übrigens liegen aktuell noch etwa 60.000 Tonnen des gelben Metalls nach gesicherten Erkenntnissen unter der Erde.

Droht uns allen eine weitere Ölkrise? – fragten wir in der letzten Ausgabe der Rohstoff-Woche. Zunächst einmal stellt sich sicherlich die Frage, wie man Ölkrise in der heutigen Zeit definieren soll. Definiert man Ölkrise in Zusammenhang mit „Knappheit“, so dürften wir noch einige Jahre davon entfernt sein, nimmt man den Ölpreis mit hinzu, dann könnten wir schneller als gedacht in eine neue Ölkrise schlittern.

Ein gutes Beispiel hierfür sind sicherlich die weltweiten Ölsandvorkommen, die in Summe etwa doppelt so hoch sind wie die Erdölvorkommen Saudi-Arabiens. Jeweils ein Drittel der bekannten Gesamtmenge von etwa 550 Milliarden Barrel Erdöl sind dabei in Venezuela bzw. in Kanada zu finden. Neben den laufenden Produktionskosten die je nach Firma und Standort offiziell zwischen 40 und 90 USD je Barrel betragen, schlagen vor allem exorbitante Kapital- und Entwicklungskosten, die schnell im zweistelligen Milliarden USD Bereich liegen, zu Buche.

Erdöl aus Ölsanden ist demnach zwar in noch relativ hoher Menge vorhanden, ist aber auch wegen des aufwendigen Förderungsprozesses ein sehr teures Gut. Nichts desto trotz werden vor allem die USA zukünftig versuchen, den Ölsandabbau nach Kräften zu unterstützen, immerhin stammen knapp 10% der importierten Ölmenge der Vereinigten Staaten aus kanadischen Ölsanden. Die Unabhängigkeit von den Ölfeldern des Nahen Ostens zählt in diesem Fall mehr als der eine oder andere USD, der aktuell sowieso reichlich vorhanden ist.

Hätten Sie’s gewusst?:

Bei der Gewinnung von Rohöl aus kanadischem Ölsand müssen pro Barrel Öl durchschnittlich etwa zwei Tonnen Torf und Erdreich über der Ölsandschicht abgeräumt und circa zwei Tonnen Ölsand ausgebaggert werden. Anschließend müssen etwa 400 Liter Wasser erhitzt werden, um das Öl-Bitumen aus dem Sand herauszuwaschen.
Das verunreinigte Wasser fließt im Anschluss daran in Absetzteiche, die allein im Athabasca-Becken aktuell bereits mehr als 130 Quadratkilometer Fläche bedecken. Das ist in etwa so groß wie der Chiemsee und der Starnberger See zusammen.

Das Zitat der Woche:

„Von den Chinesen könnten wir einiges lernen. Man hat mir gesagt, sie hätten ein und dasselbe Schriftzeichen für die Krise und für die Chance.“ - Richard Karl Freiherr von Weizsäcker (* 15. April 1920 in Stuttgart) ist ein deutscher Politiker (CDU). Er war von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister von Berlin und von 1984 bis 1994 der sechste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

In diesem Sinne eine erfolgreiche Rohstoff-Woche!

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© Tim Roedel
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