Peinlichkeiten im Verwaltungsgericht Stuttgart: Protokollführer ergreift das Wort und erteilt Rechtsrat

Stuttgart. Rund 40 Zuschauer aus allen Teilen Deutschlands, darunter einige Pressevertreter, verfolgten am vergangenen Freitag im Verwaltungsgericht Stuttgart die erste öffentliche Verhandlung gegen das Jugendamt der Stadt Stuttgart im Fall der kleinen Nina Veronika. Der Kläger ist Journalist und Vater des anderthalbjährigen Mädchens, das gegen den Willen seiner Eltern in einer Pflegefamilie leben muss. Dem Kläger wurde durch den Amtsleiter des Jugendamtes im August 2008 grundrechtswidrig Hausverbot erteilt.

Das Hausverbot wurde auf verleumderischen Anschuldigungen verschiedener Jugendamtsmitarbeiter und für das Stuttgarter Jugendamt unbequemer Pressearbeit Dritter gestützt. Das Jugendamt räumte zwischenzeitlich selbst ein, dass das erlassene Hausverbot rechtswidrig gewesen ist. Der Kläger vertritt die darüber hinaus die Auffassung, dass das beklagte Jugendamt der Stadt Stuttgart zudem vorsätzlich und somit sittenwidrig gehandelt habe.

Die Behauptungen des Jugendamtes führten dazu, dass im Juni 2009 dem Journalisten und seiner Lebensgefährtin (einer Gymnasiallehrerin) das gemeinsame Sorgerecht für ihre kleine Tochter entzogen wurde. Denn auch das Familiengericht hat in seinem Beschluss die Anschuldigungen des Jugendamtes ohne weitere Amtsermittlung –zu der es verpflichtet ist– ungeprüft übernommen.

Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart wollte trotz mehrstündiger Sitzung die Sachlage offensichtlich nicht aufgeklärt wissen. Der Antrag des Klägers auf Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung der Mitarbeiter des Stuttgarter Jugendamtes, welche diese Verleumdungen verbreitet haben, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Die Zeugenaussagen der Jugendamtsmitarbeiter seien “nicht entscheidungserheblich“, so die Begründung des Gerichts.

Dabei war es das Jugendamt selbst, welches Beweis durch Zeugenbefragung seiner Mitarbeiter angeboten hatte. Nachdem das Gericht einen erweiterten Beweisantrag nicht bescheiden wollte, wurde das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Befangenheitsantrag gegen die Richterin ist durch die angerufene 9. Kammer in Vollbesetzung abgewiesen worden.

Der Kläger stellte klar, dass die Sachlage noch nicht vollständig erörtert sei. Daraufhin ergriff der Protokollführer das Wort und meinte: “Es gibt nichts mehr zu erörtern – meiner Meinung nach.“ Der Protokollführer wurde unmittelbar darauf wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sichtlich unerfreut verweigerte das Gericht dies mit der sachlich falschen Begründung: “Der Protokollführer kann nicht abgelehnt werden.“

Auf die Bitte hin, das Gericht möge sich für die Äußerung des Protokollführers entschuldigen und die Sitzung danach fortführen, hat die Richterin die Sitzung völlig überraschend geschlossen. Die daraufhin erneut erhobene Ablehnung der Richterin wegen Befangenheit wurde seitens des Gerichts abgelehnt mit der Bemerkung, dass die Verhandlung bereits beendet sei. Danach verließ die Richterin den Saal mit den Worten, eine Entscheidung werde zugestellt.

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