Total zerknirscht oder völlig entspannt

Wenn nachts der Stress kommt

Immer mehr Menschen leiden an gefährlichem Zähneknirschen

Zähne knirschen kann schwerwiegendere Erkrankungen hervorrufen als bisher gedacht. Die Palette reicht von Kopfschmerzen über Migräne, Nacken- und Rückenverspannungen bis hin zum Beckenschiefstand. Leicht erlernbare Übungen können rasch helfen.

„Den wenigsten Menschen ist bewusst“, so der Berliner Gesundheitsberater und energetische Heiler Peter Seitz, „was Kiefer und Zähne Tag für Tag für sie leisten“.

Dieser Bereich unseres Körpers ist nämlich enormen Kräften ausgesetzt. Beim Zerkleinern unserer Nahrung bringt die Kaumuskulatur enorme Kräfte zustande.
Der dabei entstehende Druck entspricht in etwa dem Gewicht einer Kokosnuss, die aus über einem Meter Höhe auf den kleinen Zeh fällt. Und bei einem angespannten Kiefer kann sich dieser Druck sogar noch steigern.

Wer kennt das nicht, wenn durch Zähneknirschen des Partners oder von einem selbst, die Nachtruhe gestört ist und Sie morgens wie gerädert aufwachen.

Dabei haben die Zähne bei normaler, entspannter Mundstellung gar keinen Kontakt miteinander. Aber wenn der Mensch die Zähne zeigt oder sie zusammen beißt, entstehen in der Muskulatur große Zugkräfte. In Phasen höchster Konzentration ist die Spannung in Kopf- und Kieferbereich enorm hoch. Das gleiche gilt bei vielen Menschen auch für den Schlaf. Der Volksmund ist da sehr direkt. Redewendungen wie: „Ich beiße die Zähne zusammen und gehe da durch“, oder „Ich geh' bald auf dem Zahnfleisch“ sprechen eine deutliche Sprache.

Das Gesicht von Frauen ist oftmals anmutiger als das Antlitz von Männern - laut der Fachzeitschrift „Zahnärztliche Mitteilungen" schmerzt es aber häufiger als das von Männern. Zwischen 15 und 18 Prozent der Frauen sind von Schmerzen im Gesicht, in den Kaumuskeln, den Kiefergelenken oder im Ohrbereich geplagt. Ursache ist oft die Mehrfachbelastung als Hausfrau, Ehepartnerin, Mutter und Arbeitskraft.

Etwa neun Prozent der Männer sind von Schmerzen im Kieferbereich betroffen. Beruflicher Ehrgeiz, Konkurrenzdenken unter Männern allgemein und innere Aggressionen können hier als Hauptursachen angeführt werden. Der Gesichtsschmerz verschwindet jedoch im Alter fast völlig - unter den über 64-Jährigen haben nur noch zwei Prozent Probleme.

Die Ursache des Zähneknirschens liegt vermutlich im Gehirn und hängt mit emotionalem Stress zusammen. In vielen Fällen sind seelische Dysbalancen ebenfalls mit beteiligt. Dadurch, dass wir unsere Ängste nicht zeigen wollen und unsere Nervosität verbergen, steigt der innere Druck. Die daraus resultierenden Muskelverspannungen geben diese innere Anspannung unkontrolliert und meist völlig unbewusst an den Kiefer- und Kauapparat weiter. Dahinter wirkt das so genannte sympathische Nervensystem, also der Teil des Nervensystems, der sich nicht willentlich beeinflussen lässt.

Unbehagen bis hin zu Muskel-, Nerven- und Gliederschmerzen zeigen sich morgens oft am intensivsten. Faktoren wie elektrische Radiowecker oder eingeschaltete Handys im Kopfbereich des Schlafplatzes belasten den Körper durch elektromagnetische Abstrahlung von außen. Wird ein ungelöstes Problem und die damit verbundene Erregung mit in die Nacht genommen, so wird der gesamte Organismus zusätzlich von Innen in Stress versetzt.

Die natürliche Ausregulierung der regenerativen Körpervorgänge bei Überlastung erfolgt durch Spannungsabbau - dies geschieht unter Anderem über Träume und auf der körperlichen Ebene über Muskelarbeit. Ein zuviel an Spannung wird in Arbeit umgewandelt und dadurch abgebaut.

Die Intelligenz unseres Wesens ist im Umgang damit so grandios, dass dieser Vorgang über das härteste Material im Körper - unsere Zähne - vollzogen wird. Nächtliches Zähneknirschen und Pressen, in der Fachsprache "Bruxismus" genannt, ist aus dieser Sichtweise ein angestrengter Heilungsversuch.

Verspannungen im Kieferbereich können fatale Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. Leider sind sich die meisten "Presser" und "Knirscher" dessen gar nicht bewusst, da sich die Verkrampfungen langsam über Jahre aufbauen. Über Muskelstränge, Nerven- und Energiebahnen (Meridiane) werden diese Spannungen weitergetragen und können unangenehme und oft auch schmerzhafte Auswirkungen in vielen Bereichen unseres Körpers zur Folge haben.

Diese Beschwerden und Schmerzen werden dann aber meist nicht mit dem Kiefer in Verbindung gebracht. Dabei sind die Folgen einer Kieferverkrampfung oft erheblich, so kann zum Beispiel ein einseitig angespanntes Kiefergelenk über den gesamten Muskelapparat auf das Becken eine so starke Wirkung ausüben, dass die Beckenschaufeln sich verdrehen. Probleme im Lendenwirbelbereich bis hin zu so genannten Beinlängenunterschieden sind die Folgen.

Aus der jahrelangen Erfahrung mit Craniosacral Energetic, der muskulären Traumaarbeit und aus der Erwachsenenbildung ist dem Gesundheitsberater Seitz bekannt, dass die angenehmen Auswirkungen eines entkrampften Kiefers sehr weitreichend sein können: „Die Zähne bleiben länger gesund, der Schlaf wird positiv beeinflusst, Spannungen im Kopfbereich lassen nach, Nacken und Rücken werden beweglicher, die Verdauung reguliert sich.“
Und: Diese wieder gewonnene Lockerheit kann sogar dazu führen, dass sich die Emotionen aufhellen.

Professionelle zahnärztliche Hilfe, durch Craniosacral Energetic oder die Osteopathie bilden Möglichkeiten für eine Verbesserung und Linderung von Kieferproblemen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zum Wohle des Klienten ist dabei sehr wichtig.

Die Selbsthilfe nimmt in der Behandlung des Kiefers mittlerweile einen beachtlichen Stellenwert ein, denn mehr und mehr Menschen übernehmen wieder die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit.

Seitz: „Wer zum Zähneknirschen neigt, sollte auf Stressbewältigung besonderes Augenmerk legen. Dafür gibt es verschiedenste Methoden und Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Yoga, Tai Chi oder die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Aber auch sportliche Aktivitäten können helfen, mit den Belastungen des Alltags gelassener umzugehen und letztlich weniger mit den Zähnen zu knirschen.

Auf der Suche nach effektiven Selbsthilfeübungen hat Seitz erstmals eine CD erarbeitet, in der es um eine ganzheitliche Kieferentspannung geht. Titel: „Selbsthilfeübungen zur Kieferentspannung“.

Die sieben Übungen darin sind so entwickelt worden, dass sie wichtige Körperregionen für die innere und äußere Stabilität mit beachten. „Das Becken, die Wirbelsäule der Nacken werden mit einbezogen“, so der Berliner Therapeut. Der erste Halswirbel mit dem Übergang zum Hinterhaupt ist ebenfalls ein aktiver Mitspieler, genauso wie der Ober- und Unterkiefer und die einzelnen Zähne.

Eine wichtige Möglichkeit der Selbstbehandlung ist der bewusste Zugang zur Kieferregion. Die einfachste Übung dazu ist, wenn sie sich selbst liebevoll im Gesicht, den Kiefergelenken und den Ohren massieren.
Ein weiteres probates Mittel ist, sich selbst im Tagesablauf zu beobachten, sich sozusagen gedanklich in den Mund zu gucken und zu erkennen, was dort gerade geschieht: Ob zum Beispiel die Zähne zusammen gepresst sind, ob geknirscht wird, oder die Zunge gegen den Gaumen gedrückt ist. Wenn ja, lösen Sie diese Spannung, ganz bewusst, rät Seitz.

Das Kieferareal trägt einen wesentlichen Anteil an unserer „entspannten Aufrichtigkeit“ bei, wobei auch die Zähne und deren Stellung zueinander im Kiefer maßgeblich an der Feineinstellung für die gesamte Körperstatik beteiligt sind. Da psychischer Stress zu den auslösenden Faktoren von Bruxismus und CMD zählen, noch ein kleiner Tipp von Peter Seitz: „Nehmen wir das Leben doch nicht so verbissen ernst, denn nichts wird bekanntlich so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“