Der Bahnstreik oder: Von aufständischen Zwergen und dem Leid der Nation

Claus Weselsky interviewt von Marietta Slomka
Die GDL, eine Klein-Gewerkschaft (ca. 34.000 Mitglieder, ca.60 Mitarbeiter) ruft zum Streik und die ganze Republik mit 80 Millionen Einwohnern leidet, von unseren Nachbarstaaten ganz zu schweigen.

Die Frankfurter Arbeitsgerichte mussten der Gewerkschaft der Lokführer GdL Recht geben und den Streik als verhältnismäßig und gerechtfertigt erachten - zumindest noch. Es sei nun einmal das Wesen eines Arbeitskampfes, dass es zu großen Beeinträchtigungen kommen könne.

Für die Leidtragenden stellt sich die Frage, um welchen Preis die Gewerkschaften dazu bereit sind, das grundgesetzlich geschützte Streikrecht in seiner aktuell (noch) gütligen Fassung um- und durchzusetzen. Wenn man als im Arbeitsrecht tätiger Anwalt noch das Interview des GdL-Chefs Claus Weselsky hörte - oder besser hören musst - ist man endgültig bedient: Auf die Frage der ZDF-Moderatorin Marietta Slomk, was dran sei an den 91 Stunden Streikdauer, die angeblich im Raum stehen, antwortete Weselsky: „Wissen Sie, ich bin es eigentlich leid, irgendwelche Latrinenparolen, die von irgendjemand in die Welt gesetzt werden, zu kommentieren.“

Die „Latrinenparolen“ erwiesen sich in der Folgezeit dann tatsächlich insoweit als falsch, als die Bahn nicht für 91 Stunden wird, sondern für 98 Stunden bestreikt werden sollte! Ist aber ja eh nur eine Latrinenparole - wen interessiert's?

Solche Parolen des modisch noch in den 80erJahren stecken gebliebenen GdL-Chefs sind jedoch ebenso wie sein stilverfehltes Bärtchen ein absolutes No-Go und schaden den Gewerkschaftsmitgliedern, der Gewerkschaft und der gesamten Idee des grundrechtlichen Schutzes der Arbeitnehmervereinigungen. Wenn Kleinstgewerkschaften in der Lage sind, durch ihre Forderungen und dadurch bedingte Arbeitskampfmaßnahmen ein ganzes Land in Mitleidenschaft zu ziehen, werden schnell Stimmen laut, die für eine Einschränkung des Streikrechts in bestimmten Fällen plädieren. Dies gilt vor allem dann, wenn sich die streikenden Kleingewerkschaften die Klinke in die Hand geben: Die Bestreikung der Lufthansa durch die Vereinigung Cockpit mit ihren etwa 8.800 Mitgliedern ist gerade einmal aus der tagesaktuellen Berichterstattung verschwunden, da stehen schon 34.000 GdL'ler vor der Tür.

Der aktuelle Konflikt ist mit dem zuletzt verkürzten Steik der GDL noch längst nicht beendet. Man darf gespannt sein, inwieweit der vorliegende Entwurf der Bundesministerin Nahles von diesem Arbeitskampf noch eventuell beeinflusst und schließlich Gesetz werden wird.

Der grundrechtliche Schutz der Gewerkschaften und das verfassungsrechtlich verbriefte Streikrecht sind eine der Grundfesten unserer Demokratie. Wenn sich jedoch die Mitglieder einzelner Berufsgruppen in den unterschiedlichsten Gewerkschaften zusammenschließen und eine sinnvolle und weitblickende Tarifgestaltung so für den Arbeitgeber nicht mehr darstellbar ist, wird irgendwann die regulierende Hand des Gesetzgebers überfällig. Dies gilt vor allem dann, wenn die unterschiedlichen Gewerkschaften, deren Mitglieder der gleichen Berufsgruppe entstammen, gegeneinander konkurrieren und dabei gelegentlich das primäre Ziel, die Interessen der Arbeitnehmer bestmöglich zu vertreten, aus den Augen verlieren.

Autor und Ansprechpartner:
Rechtsanwalt Udo Reissner

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