Die Krise verstehen - der Ansatz von Hyman Minsky

Ein Gastbeitrag von Matthias Garscha für Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e.V.

Berlin, 30.12.2013 - Seit Ausbruch der Finanzkrise wartet die Zivilgesellschaft in den westlichen Staaten auf eine Antwort der Politik auf die Exzesse der Finanzindustrie. Seit Jahren wartet Sie vergebens. Vielleicht liegt es auch daran das sich Politik und Finanzindustrie in den letzten Jahrzenten viel zu nahe gekommen sind.

Dabei gibt es an Lehren aus der Finanzkrise keinen Mangel, wenn auch viele Beobachter betonen, dass wir immer noch nicht genau verstünden, was eigentlich passiert ist. Dirk Bezemer von der Uni Groningen verglich die Situation mit der Weltwirtschaftskrise, wo es 20 Jahre dauerte bis sich ein neues ökonomisches Denken durchsetzte. Besorgt fragt er am Ende eines sehr empfehlenswerten Videos (1): Müssen wir heute wieder solange warten?
Im Zentrum steht daher meines Erachtens zuerst die Frage, welcher theoretische Ansatz die Krise am besten erklären kann.

Einer der Favoriten Hyman Minskys Denkansatz. Sehr gut erklärt wird dieser als postkeynsianisch bezeichneter Ansatz im Blog “Never Mind the Market” im Züricher Tagesanzeiger (2), oder von den beiden führenden Forschern auf diesem Gebiet (Dirk Bezemer und Steve Keen.

(Never Mind): Einer der lesenswertesten Ökonomen überhaupt, wenn es um das Zusammenspiel von Finanzsektor und «Realwirtschaft» geht, ist Hyman Minsky (1919 bis 1996). Der Amerikaner hielt es – ebenso wie sein Lehrmeister Joseph Schumpeter (1883 bis 1950) – nie für zulässig, den Finanzsektor in den ökonomischen Modellen zu ignorieren. Weil ein Kredit eine private Vereinbarung zwischen zwei Parteien ist, seien Finanzinstitute in der Lage, Geld aus dem Nichts zu schöpfen, argumentierte Minsky. Eine simple Buchung (Aktivum: neues Kreditguthaben, Passivum: neue Kundeneinlage) genüge. Die Finanzinstitute sind demnach also nicht bloß Intermediäre, sondern sie können nach ihrem Willen die Nachfrage in der Wirtschaft anfeuern.
Gemäß Minskys Lehre treibt die Veränderung der ausstehenden privaten Schulden daher die BIP-Wachstumsraten sehr wohl in die Höhe: Neu vergebene Kredite beruhen nicht zwangsläufig auf dem zeitgleichen Konsumverzicht von Sparern, sondern basieren primär auf dem Versprechen einer künftigen Rückzahlung. Die Volkswirtschaft verhält sich wie ein Unternehmen, das immer mehr Schulden aufnimmt, um neue Wachstumsmärkte zu erschließen – und davon ausgeht, die Schulden mit seinem künftigen Cashflow eines Tages begleichen zu können.

Die Banken geben also freimütig Kredit, und der Privatsektor baut freudig Schulden auf – was das Wirtschaftswachstum erhöht und die Banken noch mehr dazu verleitet, Kredite zu vergeben. Dieses Spiel geht gut, solange die Zinsen tendenziell sinken, sich die Kosten für den Schuldendienst nicht abrupt erhöhen und solange die «Animal Spirits», die Risikofreude der Schuldner sowie der Gläubiger, intakt bleiben. Genau das ist in den Jahren von 1982 bis 2007 gelungen.

Nachdem im letzten Stadium der Blasenentwicklung dann sowohl Tilgung und Zinszahlungen unmöglich werden und die Kredite nur noch durch die erhofften Vermögenspreissteigerungen bedient werden können, kommt es unausweichlich zum Minsky Moment (3).

(Never Mind) 2007 begannen die Räder dieser gloriosen Maschine zu stocken, ein Jahr später standen sie still. Millionen von Schuldnern erwachten plötzlich und erkannten, dass sie zu hohe Verbindlichkeiten hatten, und Millionen von Gläubigern wurde bewusst, wie töricht sie in ihrer Kreditvergabe gewesen waren. Eine neue Ära begann: das Große Deleveraging, der Große Schuldenabbau.

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