SINNFRAGE - eine Videoinstallation von Frank Moritz und Claudius Massinger

Frankfurt, den 08. April 2011 _ „Mal geht es rauf, mal geht es runter“, ist als knappes Resümee zu hören, wenn es mal nicht so klappt. Wozu das alles? Was hat mein Leben überhaupt für einen Sinn? - Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist eine grundsätzliche Frage des Menschseins und wohl auch so alt, wie der Mensch denken kann. Langeweile und die Monotonie des stets Gleichen konfrontieren mit den Grenzen des Daseins. Das fühlt sich nicht gut an, dem will man ausweichen. Doch selbst in einer Spaßgesellschaft sind Glück und Zufriedenheit nicht immer zu haben. Was treibt den Menschen an auf seiner ewigen Suche nach Glückseligkeit? Macht es Sinn, nach einem Sinn zu suchen, oder ist auch das nur ein vergeblicher Versuch, der Absurdität des Lebens zu entkommen? – Diesen Fragen gehen die Frankfurter Künstler Frank Moritz und Claudius Massinger in der theatralen Video- und Rauminstallation „Sinnfrage“ nach, die das Senckenberg Naturmuseum vom 9. April bis 5. Juni 2011 als Sonderausstellung zeigt.

Als „Fatalität“ bezeichnet Albert Camus, dass alles menschliche Schaffen, jede Mühe und Anstrengung quasi umsonst ist, da der Tod dem Ganzen ein Ende setzt. In Anlehnung an die antike Geschichte des immerwährend Stein wälzenden Mannes setzt der französische Schriftsteller und Philosoph sich im „Mythos des Sisyphos“ mit der Absurdität des Lebens auseinander. Der antike Sisyphos wurde von den Göttern zu seiner absurden Existenz verurteilt. Er hatte den himmlischen Blitzen den Segen des Wassers vorgezogen und den Tod in Ketten gelegt, um zu leben. Die auf ewig völlig sinnentleert und aussichtslos erscheinende, immer gleiche Anstrengung ist die Strafe für sein Auflehnen. Frank Moritz und Claudius Massinger haben Texte von Hölderlin, Nietzsche und Camus mit den eindrucksvollen Bildern eines Films von Eike Zuleeg verwoben. Die Inszenierung zeigt eine reale Absurdität des Lebens.

DIE REALE WELT DES SISYPHOS
Bei beginnender Morgendämmerung treten die Männer den Aufstieg aus dem Krater an. Alle paar Meter bleiben sie stehen, wuchten ihr Joch auf die andere Schulter. Tagein tagaus schlagen sie siebzig bis achtzig Kilo schwere Schwefelbrocken aus dem Berg und schleppen sie vom Kratergrund den Hang hinauf. Geologen halten den Vulkan in Jawa Timur für das größte Säurefass der Erde. Eike Zuleeg hat die Schwefelstecher vom Kawah Ijen mit seiner Kamera zu ihrer zehn bis zwölf Stunden-Schicht inmitten schwefelgelber Gaswolken begleitet. Weltweit produziert die Industrie Schwefel im Überfluss. Es ist ein wertloses Abfallprodukt, für das die Männer um ihr Leben arbeiten. Für indonesische Zuckerfabriken rechnet es sich dennoch, die Arbeiter in den Krater zu schicken. Doch die Schwefelstecher sind stolz auf ihren Berg, der ihnen ein bescheidenes Auskommen sichert.

AUF DER SUCHE NACH DEM WARUM
„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen“, schreibt Camus. Sein „Mythos des Sisyphos“ und Nietzsches „Der tolle Mensch“ bilden die Plattform für die künstlerische Auseinandersetzung über den ewig nach einem Sinn suchenden Menschen. Über seine Hoffnungen, seine Utopien, sein Scheitern, wenn der Stein immer wieder den Berg hinabrollt und erneut hinaufgerollt werden muss. - Der Mensch auf der Suche nach der einen, der absoluten Wahrheit muss erkennen, dass es diese nicht gibt. Kann aus dieser Aussichtslosigkeit eine Perspektive erwachsen? Liegt in der Sinnlosigkeit ein Sinn? Die knapp 20-minütige Videoinstallation „Sinnfrage“ will darauf keine Antworten geben; sie will eher anregen, über die altbekannte Frage nach dem Warum in einem anderen Kontext neu zu denken, anders zu denken.

HOMO SAPIENS, DER WEISE – EINSICHTIGE?
Inmitten der Gerippe ausgestorbener Tiere erhält „Sinnfrage“ eine zusätzliche Brisanz. Der Dualismus von Leben und Tod setzt sich in der Präsentation von Vergänglichkeit fort. Doch es geht um das Leben, das in allem steckt. Als einzige unter den vielen Spezies der Erde ist der Mensch fähig, über sich selbst und die Welt nachzudenken. Ein Merkmal, das aber wohl eher trennt als eint, ihn von seinen Wurzeln, der Natur, entfernt: Der Blick des Homo sapiens richtet sich auf die eigene Existenz, die Identität geben und Sinn machen soll. Statt darin Glückseligkeit und die ersehnte Sicherheit zu finden, sieht er sich immer wieder dem Wandel, den Wechselfällen des Lebens, dem Zufall und Naturgesetzen ausgesetzt. Der unbeirrbare Versuch, dem Schicksal auszuweichen kann nicht gelingen. Der „Stein“, kaum ist er hochgehievt, rollt in den Abgrund zurück. Die Anstrengung wird zum Scheitern, das, soll es nicht endgültig sein, wieder zur Anstrengung führen muss. „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“, schreibt Camus.

TRILOGIE MIT ENGAGIERTEN FÖRDERERN
„Sinnfrage“ ist nach „Menschbild“ (2007) und „Abschied“ (2009) der dritte und letzte Teil einer Trilogie, die das Senckenberg Naturmuseum zeigt. Ermöglicht wurde das Projekt mit freundlicher Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Frankfurt am Main sowie der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main. Alle drei Institutionen haben die Trilogie über die gesamte Produktionszeit von 5 Jahren begleitet und durch ihr Engagement mit zu ihrem Entstehen beigetragen.

IM GEDENKEN AN FRANK MORITZ
„Sinnfrage“ bildet nun auch den Schlusspunkt für das Lebenswerk von Frank Moritz. Im Februar 2011 verstarb der Regisseur, Autor und Dramaturg. 1982 war Frank Moritz nach Frankfurt gekommen. Als gelernter Schauspieler arbeitete er am Schauspiel Frankfurt. Er inszenierte mit „Hiroshima mon amour“, „Romeo und Julia“ sowie „Der gefesselte Prometheus“ unter anderem drei Produktionen für Frankfurt Feste an der Alten Oper. Frank Moritz wirkte als Dramaturg beim freien Ensemble Theater Willy Praml mit und realisierte mit seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Birgit Heuser, 2003 die theatrale Installation „Requiem“ nach Texten von Jean Genet. 2005 begegnete er dem freien Autoren und Texter Claudius Massinger. Es entwickelte sich eine Freundschaft und befruchtende Arbeitsgemeinschaft, aus der die Trilogie „Menschbild“ / „Abschied“ / „Sinnfrage“ hervorging. (dve)

Das Senckenberg Naturmuseum zeigt die Videoinstallation SINNFRAGE täglich vom 9. April 2011 bis zum 5. Juni 2011.

Sinnfrage. Videoinstallation
Dauer: ca. 20 Minuten

Mehr Information: www.sinnfrage.info und www.senckenberg.de

Konzeption und Dramaturgie: Frank Moritz | Claudius Massinger
Künstlerische Leitung: Frank Moritz | Claudius Massinger
Darstellerinnen: Birgit Heuser | Gala Winter
Bildkonzept und Kamera: Eike Zuleeg
Set-Regie: Wendla Nölle
Ton und Sounddesign: Holger Jung
Raumgestaltung: Maythe Stavermann
Projektions- und Tontechnik: Nico Rocznik
Filmproduktion: Tidi von Tiedemann, kontrastfilm

Veranstalter: Senckenberg Naturmuseum

Partner und Förderer: Kulturamt, Stadt Frankfurt am Main
Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main

Medienpartner: hr2 kultur

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