Schafft sich Europa ab? Jugend braucht Vision für die Zukunft!

von Helga Zepp-LaRouche, Bundesvorsitzende der BüSo

Die Eskalation der gewaltsamen Auseinandersetzungen in Ägypten und die wachsenden Proteste in Nordafrika, Jemen, Syrien, Jordanien und Indien sind nur die regionalen Manifestationen des fortschreitenden Kollapses des globalen Finanzsystems. Die mangelnde Bereitschaft der westlichen Regierungen und Medien, sich dieser Tatsache zu stellen, wird nirgendwo sichtbarer als in dem so plötzlichen Sinneswandel gegenüber den Präsidenten Tunesiens und Ägyptens. Vor drei Wochen noch als Freunde und Bündnispartner westlicher Interessen gegen die Gefahr muslimischer Fundamentalisten gepriesen, überschlägt man sich jetzt, den sofortigen Rücktritt der „Despoten und Diktatoren" zu verlangen.

Auslöser der Demonstrationen waren aber in jedem Fall ökonomische Gründe, Protest gegen die um 10% bis 20% Prozent angestiegenen Nahrungsmittelpreise und die zunehmende Hoffnungslosigkeit vor allem der jungen Generation, die im gegenwärtigen System der Globalisierung für sich absolut keine Zukunft sieht. Bei einem Durchschnittsalter von 24 Jahren (Deutschland: 42,6) ist die Anzahl der 15-29jährigen, die die Mehrzahl der Aktivisten bei den Demonstrationen in Ägypten stellten, mit 12,5 Millionen dreimal so hoch wie die Anzahl der 4,4 Millionen 50-64jährigen Männer. D.h, selbst wenn das jetzt herrschende Establishment verjagt wird, entstehen nicht genügend Arbeitspläze für diejenigen, die nachrücken. Wenn jetzt von der EU und diversen Politikern der sofortige Rücktritt Mubaraks gefordert wird, ohne daß umgehend ein Crash-Programm für eine wirkliche wirtschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt wird, droht eine Französische Revolution, bei der Wellen des jakobinischen Terrors aufeinander folgen. Der Sozialwissenschaftler Gunnar Heinsohn warnte in der FAZ vor dem großen Töten der Jungen, das erst noch bevorstehe, sollte die aktuelle Elite davongejagt werden.

Deshalb sind die plötzlichen Forderungen nach demokratischen Reformen und der Einführung der parlamentarischen Demokratie leere Worthülsen, und keineswegs per se besser als die vorherrschenden Präsidialsysteme nach dem Vorbild der 4. Republik in Frankreich. Statt dessen ist eine wirtschaftliche Perspektive dringend notwendig. Verstanden hat dies offensichtlich der Außenminister Italiens, Franco Frattini, dessen im Mittelmeeraum gelegenes Land Nachbar Nordafrikas ist und der am 2. Februar in einem Interview mit dem italienischen Wochenmagazin Oggi dazu aufrief, die europäische Politik in Bezug auf Nordafrika zu ändern. „Europa muß mehr tun, um die Mittelmeerregion zu stabilisieren. Vor allem muß das konkreter geschehen, so wie es Italien oft angeboten hat. Wir müssen unsere Herangehensweise ändern: keine bürokratischen Strukturen und Stellungnahmen mehr. Wir brauchen eine ,projektbasierte Mittelmeerregion' durch Infrastrukturentwicklung, kleine und mittlere Firmen, Landwirtschaft, Tourismus, Energie, um Entwicklung, Arbeitsplätze und dauerhafte Stabilität zu schaffen."

Die einflußreiche römische Tageszeitung Il Tempo rief in einem prominent platzierten Editorial am 1. Februar zu einem „Marshall-Plan" als angemessene Antwort auf die Krise in Ägypten auf. Unter der Überschrift „Ein Marshall-Plan für Ägypten (und für uns)" stellt der Autor unter dem Pseudonym „Marlowe" die Notwendigkeit einer Aufbaupolitik der gegenwärtigen Obsession europäischer Regierungen mit Finanzdisziplin, Defizit und Haushaltsausgleich gegenüber. Man brauche einen wirklichen Entwicklungsplan, und keinen „Plan, der nur auf dem Papier steht". Zu dieser Politik sollten sich Europa und die USA gemeinsam verpflichten.

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