Wenn die Wolle von Hund und Katze Menschen schmückt

Die Diplom Designerin und Künstlerin Beate Kuczera befasst sich vorzugsweise mit dem, was sie Tierkunst nennt. Eine Kunst, die das Tier und die Natur in den Mittelpunkt stellt. Es entstehen Werke, die über die bildliche Darstellung hinaus kreative Ausdrucksformen für die Individualität des jeweiligen Lebewesens finden. Die wohl ungewöhnlichsten Schmuckstücke, Accessoires und Filzobjekte, die es überhaupt gibt, kreiert Beate Kuczera aus der Unterwolle von Hunden und Katzen sowie deren Haar. Auftraggeber sind von den Unikaten begeistert, weil diese Kunstwerke, die auch unter modischen Aspekten nach individuellen Wünschen gestaltet werden, nicht nur eine attraktive Zier sind. Träger der Unikate schöpfen Freude aus der solchermaßen schön anzusehenden und fassbar gemachten Nähe zum Tier. Betrachtet man die Sache zudem kulturgeschichtlich, stellt sich heraus, dass Haar, Kunst und Emotionen schon oft zusammengebracht wurden. Wenngleich es dabei auch um das Haar des Menschen geht.

Beim Menschen kann die Frisur eine Art Spiegel der Persönlichkeit sein. Jeder macht sich Gedanken über den Zustand seines Haupthaares, wenn es um Bewerbungsfotos und Vorstellungsgespräche geht. Haare sind ebenfalls Ausdruck einer Epoche oder gesellschaftlicher Zughörigkeit. Man denke an die Bürsten der Punker-Frisuren, die „Pilzköpfe“ der Beatles, die „Elvis-Tolle“ oder den „Bubikopf“, die Kurzhaarfrisur von Frauen, die in den1920er Jahren für Aufruhr sorgte. Wer sich an die Mode der 6oer und 70er Jahre erinnert, wird wissen, dass Haar auch ein Zeichen des politischen Protestes sein kann. Im Musical „Hair“ legendär in Szene gesetzt. Sogar praktische Zwecke können Haare erfüllen. Die Bewohner von der Insel Taquile im Titicaca See weben Gürtel aus Menschenhaar. Sie werden zu Zeremonien getragen und auch bei der Arbeit. Denn der steif gewebte Gürtel stützt den Rücken. Im Kampf gegen die Folgen der sich seit dem Frühjahr 2010 im Golf von Mexiko hinziehenden Ölkatastrophe sammelte eine US-Umweltorganisation säckeweise Hunde-, Katzen- und Alpaca-Haare ein. Haar saugt auf natürliche Weise Fett auf. Eingepresst in Nylonwülste soll es an der Golfküste ausgetretenes Öl aus dem Meerwasser filtern.

Haar und Emotionen

Es gibt auch einen Zusammenhang von Haar und Emotionen. Noch heute mag es Verliebte geben, die ihren oder ihre Angebetete, repräsentiert durch eine Locke, nahe wähnen. Besonders ausgeprägt war diese emotionale Übertragung zur Zeit des Biedermeier. Damals wurde aus menschlichem Haar Schmuck gemacht. Denn man glaubte, Haare seien so etwas wie ein Gefäß für sie Seele. Und so bewahrte man mit dem Haar, eingefasst in edler Form, das Andenken an lieb gewonnene Menschen. Ähnlich verhält es sich mit dem Haar und der Wolle von Hunden und Katzen. Als Haustiere sind sie dem Menschen per se besonders nah. Ob diese Vierbeiner eigene politische Ansichten vertreten, darüber wird jeder Tierfreund eigene Erfahrungen haben. Sicher jedoch ist, aus eigenem Antrieb gestalten die Vierbeiner ihr Fell zwar nicht um, um damit etwas auszudrücken, besonders kultiviert oder gepflegt zu wirken. Hier drücken sich eher die Vorstellungen von Herrchen und Frauchen aus, die dazu den fachlichen Rat in Hunde- und Katzensalon suchen. Aber: Die „Oberbekleidung“ der vierbeinigen Hausfreunde hat eine Ästhetik, die bereits aus sich selbst heraus wirkt. Tierhaar spiegelt wie das Haar von Menschen Attraktivität und ist Ausdruck von psychischer und physischer Gesundheit. Jeder findet es schön, wenn das Fell seines Hundes oder seiner Katze glänzt. Sieht das Tier schön aus, geht es ihm gut. Man will es anfassen, streicheln, sich daran ankuscheln.

Ausdruckskraft des Naturmaterials mit Mode vereint

Hier setzt Beate Kuczera mit ihren Tierwolle-Schmuckunikaten an. Deren ästhetische Wirkung resultiert aus einem Akkord verschiedener Facetten, die sie mit ihrem Blick für innewohnende Eigenarten der Materialien zusammenbringt. „Dabei nutze ich eine Eigenschaft des Materials, die allgemein unterschätzt wird. Bis in die einzelne Faser hinein ist das Tierfell in Musterung, Farbenspiel und ertastbarer Beschaffenheit so einzigartig, wie man es vergleichbar sonst eher dem menschlichen Fingerabdruck zurechnet. Nicht nur die Wolle und das Haar verschiedener Tierrassen unterscheidet sich. Sogar Wolle und Haar jedes einzelnen Tieres ist anders. Das lässt sich fühlen oder mit dem Auge erkennen, wenn etwa die Farben im Licht changieren. Auch ist Schmuck aus Katzenwolle noch viel weicher und zarter als Schmuck aus Hundewolle.“

So setzt die Künstlerin und Diplom Designerin die Ausdruckskraft des Naturmaterials selbst ein und kombiniert es mit konventionellen Elementen der Schmuckherstellung wie Perlen, Porzellankugeln, Rocailles und nimmt als Trägermaterial Silber- und Schmuckdraht sowie Leder- und Gummiband. Hier eröffnet sich bereits Gestaltungsraum, auf den Typ und modische Vorlieben des jeweiligen Trägers einzugehen oder auf den Anlass, zu dem das Objekt getragen werden soll. Doch Beate Kuczera geht einen Schritt weiter als konventionelle Schmuckdesigner: „Der wesentliche Effekt ist die besondere Note, fast so etwas wie das Bouquet beim Wein. Diese Note arbeite ich aus den Eigenschaften der jeweiligen Wolle beziehungsweise des Haares selbst heraus“. Wie modisch und zugleich individuell abgestimmt so ein Tierwollschmuck-Unikat sein kann, zeigt Beate Kuczera am Beispiel eines Schlüsselanhängers aus der Wolle eine Harlekin-Pudels. Hier prägen Kontraste schwarzer und weißer Wolle den visuellen Eindruck.

„Insgesamt sind Besteller von den Unikaten begeistert, weil diese Kunstwerke nicht nur eine attraktive Zier sind. Träger der Unikate schöpfen Freude aus der schön anzusehenden und fassbar gemachten Nähe zum Tier“, erläutert die Künstlerin. Wer die Schmuckstücke anfasst, stelle zudem fest: „Die natürliche, federleichte und anschmiegsame Unterwolle entspricht einem wesentlichen Gestaltungsbestandteil, der Schmuck allgemein auszeichnet. Die Besonderheit des Schmucks ist auch mit dem Tasten und Fühlen erspürbar.“

Verarbeitungsweise und Applikationsmöglichkeiten

Hauptsächlich für die Schmuckherstellung verwendet Beate Kuczera die dichte Unterwolle von Langhaar- oder Polarhunden. Einige Kurzhaarhunde besitzen ebenfalls dichte Unterwolle. „Aber auch Hundebesitzer von Hunden, die keine Unterwolle haben, können sich Schmuck aus den Haaren ihres Lieblings machen lassen. Hierfür wird das Hundehaar in andersfarbige Filzwolle eingearbeitet. Durch diese Andersfarbigkeit, beispielsweise von schwarzen Haaren in hellem Filz, ist das Hundehaar gut zu erkennen“, erläutert Beate Kuczera. Beim nass Filzen wird das Ausgangsmaterial sorgfältig gewaschen, womit auch der Eigengeruch verschwindet. Bei Katzen eignet sich besonders die Wolle von Langhaarkatzen wie Perser und Norweger.

Ob das Material von Hund oder Katze stammt – die Verarbeitungsweise und Applikationsmöglichkeiten sind in beiden Fällen gleich und nur von der künstlerischen Phantasie begrenzt. Grundsätzlich lassen sich neben Schmuck auch viele praktische Dinge herstellen wie Schlüsselanhänger, Handytaschen, Handtaschen, Pantoffeln, Armstulpen, Seiden-Filz-Schals sowie Filzobjekte wie Broschen und Haarschmuck. „Ich trage selbst Schmuck und einen Schal, weich wie Kaschmirwolle, aus der Wolle meines Eurasiers Alwin. Seine Wolle hat mich auf die Idee für den Schmuck aus Hunde- und Katzenwolle gebracht, als ich damit experimentierte, verschiedene Materialien miteinander zu kombinieren und unter anderem in Seide einzuarbeiten“, erzählt die Künstlerin, in deren Atelier außer dem Eurasier Alwin noch Kater Joschi lebt, eine Norwegische Waldkatze. „Bisher sind es eher Colliers oder Halsketten, Armbänder und Ohrringe, die meist von weiblichen Kunden bestellt werden. Männliche Hunde- und Katzenhalter bevorzugen praktische Accessoires wie Schlüsselanhänger“, berichtet Beate Kuczera.

Weil alle Schmuckstücke und Filzobjekte individuell gefertigt werden, freut sich Beate Kuczera über einen Anruf oder eine E-Mail, um in einem ersten Schritt die gewünschte Ausführung zu besprechen. Dann reicht es, einfach die gesammelte Wolle oder das Haar in einem Briefumschlag an die Adresse der Künstlerin schicken. Schon nach etwa zwei Wochen kommt es in der gewünschten Gestalt zurück.

Als Geschenk eignen sich die Unikate übrigens auch. Der Tipp von Beate Kuczera: „Bürsten Sie heimlich den Hund oder die Katze des Menschen, den Sie überraschen wollen und schenken Sie ihm ein Schmuckstück oder Filzobjekt aus dieser Wolle. Oder planen Sie ein Geschenk zu einem besonderen Anlass ein.“

Zu beziehen sind die Arbeiten von Beate Kuczera per schriftlicher oder telefonischer Bestellung unter Tel: +49(0)202 / 69 87 934 sowie über die Online-Ausstellung www.tierkunst.com

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