Merkels Schulterschluss mit Netanjahu

Zieht sie die richtigen Schlüsse aus der Geschichte?

Bundeskanzlerin Angela Merkel neigt nicht gerade zu Gefühlsausbrüchen, doch als sie vergangene Woche den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seine Minister zu einer deutschisraelischen Kabinettssitzung in Berlin empfing, schien sie von Glück und Freude überwältigt zu sein.

Herzlich umarmte Kanzlerin Merkel den Mann, der selbst in Israel als „Hardliner“ heftig umstritten ist. Netanjahu treibt den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau im besetzten palästinensischen Gebiet weiter voran und ist gerade dabei, in Ostjerusalem die angestammte arabische Bevölkerung durch jüdische Eindringlinge zu verdrängen.

Was aber gab es Wichtiges bei der im Verhältnis von Staaten eher unüblichen gemeinsamen Kabinettssitzung zu besprechen? Schnell abgehandelt war diplomatische Routine wie die Einladung mittelständischer Unternehmen aus beiden Staaten durch den deutschen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zu einem „Innovationstag“ nach Berlin oder die Vereinbarung zwischen Bundesaußenminister Guido Westerwelle mit seinem israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman über den „Ausbau der Kulturbeziehungen“.

Erstaunlich, dass sich der auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit so spezialisierte Westerwelle nicht daran störte, dass sein Gesprächspartner Lieberman keine Friedenslösung mit den Palästinensern anstrebt, sondern ein Groß-Israel in biblischen Ausmaßen. Arabische Abgeordnete im israelischen Parlament seien „Nazi-Kollaborateure“, so verkündete er schon vor längerem, und gehörten „hingerichtet“. Zur Lösung des Nahost-Konflikts empfahl er die Vertreibung, notfalls Ausrottung der im israelischen Machtbereich verbliebenen Palästinenser.

DIE WICHTIGEN DINGE

Doch warum sich damit lange aufhalten? Schließlich musste bei dem eintägigen Treffen Zeit geschaffen werden für die – aus Merkels Sicht – wichtigen Dinge. Dazu gehörte vor allem der Besuch des monströsen Berliner Holocaust-Mahnmals südlich des Brandenburger Tors. Hier konnte die Kanzlerin wieder einmal ihr Lieblingsanliegen zelebrieren, nämlich die „historische Verantwortung, die Deutschland für die Existenz und für die Zukunft Israels hat“. Es sei, so Merkel, „ein Glück, darf ich für meine Generation sagen, dass wir heute mit einer israelischen Regierung so eng kooperieren können“.

Netanjahu nahm diesen Ball gerne auf. Das sei für ihn „ein sehr bewegender Moment, nicht nur wegen dem, was wir hier erleben durften, sondern auch wegen dem, was wir vor gerade einmal einer Stunde hier im Herzen der Stadt Berlin sehen konnten. Wir haben das Holocaust- Mahnmal gesehen, das ja wirklich im Herzen der deutschen Hauptstadt gelegen ist.“ Im Gästebuch des unter dem Holocaust-Mahnmal gelegenen „Orts der Erinnerung“ vermerkte Netanjahu den „unschätzbaren“ deutschen Beitrag zur Erinnerung an den Holocaust. Im Bundeskanzleramt würdigte er zudem „die Klarheit und den Mut“ der Kanzlerin.

So weit geht der Mut der Kanzlerin allerdings nicht, das zum Himmel schreiende israelische Unrecht an den Palästinensern anzuprangern. Zwar merkte sie zaghaft an, der Friedens- und Verhandlungsprozess im Nahen Osten müsse wieder in Gang kommen und sogar, es sei bekannt, dass Deutschland „an einigen Stellen“, was den Siedlungsstopp anbelange, „mehr von Israel erwarten würde“, um aber sogleich einzuschränken: „Aber wir erkennen auch an, dass Israel hier wichtige Schritte getan hat.“ Welche das sein sollen, erläuterte Merkel nicht.

DROHUNGEN GEGEN IRAN

Breiten Raum bei dem Gipfeltreffen nahmen aber auch aggressiv vorgetragene Anschuldigungen und Drohungen gegen den Iran ein. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz trumpfte Merkel als vom Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gestählte Feldherrin auf: „Wir haben dem Iran immer wieder Angebote für eine vernünftige Kooperation, für eine transparente Kooperation gemacht. Leider ist der Iran bis heute nicht darauf eingegangen, so dass wir die Notwendigkeit von Sanktionen immer stärker ins Auge fassen müssen.“

Das deutsch-israelische Treffen sei, so die Kanzlerin, von den Gesprächsinhalten der Außen- und der Verteidigungsminister geprägt gewesen. Und wörtlich: „Hierbei geht es auf der einen Seite um die Bedrohung, die von dem Nuklearprogramm des Iran ausgeht. Wir haben für die deutsche Seite deutlich gemacht, dass wir, wenn sich die Reaktionen des Iran nicht verändern, an umfassenden Sanktionen mitarbeiten werden. Wir wünschen uns natürlich, dass diese im Rahmen des UN-Sicherheitsrats verabschiedet werden könnten. Hierzu werden in den nächsten Wochen die Vorbereitungen getroffen. Sollte dies nicht möglich sein, wird sich Deutschland aber auch gemeinsam mit Ländern, die das gleiche Ziel verfolgen, an solchen Sanktionen beteiligen.“

Mit dieser Ansage zeigte sich die Kanzlerin offenbar bereit, notfalls im Alleingang mit Israel und den USA gegen den Iran vorzugehen, ein Abenteuer, das Deutschland noch viel teurer zu stehen kommen könnte als der ebenfalls nicht im deutschen Interesse liegende Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Netanjahu aber zeigte sich befriedigt. Auf gar keinen Fall, so der über schätzungsweise 200 Atombomben verfügende israelische Regierungschef, dürfe der Iran in den Besitz von Nuklearwaffen gelangen. Er habe in den Gesprächen mit der Kanzlerin einen hebräischen Gelehrten von vor 2.000 Jahren, Hillel den Älteren, zitiert. Dieser habe gefragt: Wenn nicht jetzt, wann dann? Netanjahus Schlussfolgerung: „Ich sage: Wenn wir nicht jetzt Sanktionen verhängen, und zwar harte Sanktionen, die auch wirklich etwas gegen die iranische Tyrannei bewirken, wann denn dann? Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Antwort ist: Jetzt.“

KRIEGERISCHE ATMOSPHÄRE

Zu dieser kriegerischen Atmosphäre passte ein weiteres bei dem Gipfeltreffen besprochenes Thema, das in den Medienberichten aber kaum eine Rolle spielte: Der israelische Wunsch nach weiteren deutschen Waffenlieferungen, möglichst geschenkt oder wenigstens mit erheblichen Preisnachlässen. Fünf hochmoderne U-Boote der Dolphin-Klasse hat Deutschland bereits an den Judenstaat geliefert und mit rund 900 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt bezuschusst. Die Baugenehmigung für ein sechstes U-Boot hat die Bundesregierung bereits erteilt. Diese U-Boote können von Israel für den Einsatz atomar bestückter Marschflugkörper umgerüstet werden.

Gibt man jemandem den kleinen Finger, so weiß der Volksmund, will er die ganze Hand. Jetzt fordert Israel von Deutschland die Lieferung von Fregatten und Korvetten. Die Rede ist von deutscher finanzieller Beteiligung im dreistelligen Millionenbereich – Finanz- und Wirtschaftskrise hin oder her. Kanzlerin Merkel wird auch das mit der von ihr behaupteten „besonderen deutschen Verantwortung“ für Israel begründen.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu stellte ein Journalist an Merkel die Frage: „Es soll ja auch über Rüstungskooperationen und die Lieferung weiterer Kriegsgüter gesprochen worden sein. Ist das kompatibel mit dem Gebot, gerade hier in Deutschland solche Waren nicht in Krisengebiete zu liefern?“ und erhielt die Antwort: „Was die Rüstungskooperation anbelangt, gibt es, glaube ich, durchaus schon lange die Tradition, dass unser Einstehen nicht nur für das Existenzrecht, sondern auch für die sichere Zukunft Israels Rüstungskooperationen nicht ausschließt.“

Experten warnen derweil, mit seiner von Deutschland gesponserten maritimen Macht werde Israel in die Lage versetzt, in der Golfregion präsent zu sein und einen Angriff auf den Iran zu starten. Offenbar reicht es den in der Bundesrepublik herrschenden Kräften immer noch nicht, dass Deutschland in zwei verheerende Weltkriege mit furchtbaren Langzeitfolgen involviert war.

Bruno Wetzel


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