Buchbeschreibung: Die Menschen dieses – leider anhaltend hochaktuellen – Katastrophen-Dramas leben am und mit dem großen Fluss, der namenlos bleibt, um Anwohnern verschiedener Landschaften die Identifikation zu ermöglichen: Diese Menschen sind Alltagsmenschen, die ihr Alltagswerk und manche Sonderpflicht erfüllen. Was sie beieinander hält, ist die tiefe Verwurzelung in der Heimat; ansonsten gehen sie nebeneinander her – ohne echte Liebe, innerlich einander fremd. Unterdrückte Leidenschaft bricht jäh hervor, bei drei Brüdern für dieselbe Frau; und diese Frau wird hin und her gerissen von widerstrebenden Empfindungen, die ihrem Leben Inhalt und zugleich Zerstörung bedeuten: Xenia hält ihrem tyrannischen Mann Robert die Treue trotz der Unerträglichkeit der unwahrhaftig gewordenen Ehe; sie spürt in quälendem Miterleben die alte, echte, glutvolle Liebe des mittleren Bruders Patrick, dessen Umwerbung sie einst aus äußeren Gründen abwies; sie durchlebt mit Entsetzen die verzehrende Leidenschaft, mit der der jüngste Bruder Ronny ihr seine Verehrung entgegenbringt; sie ist zu charakterstark, als dass sie sich kühn über alle Bedenken hinweg mit Patrick in ein frisches Lebensglück zu stürzen versuchte. Alle Figuren – Patrick eingeschränkt – haben etwas Unsicheres in ihrem Wesen; jeder hat ein Geheimnis oder ein Verschulden aus der Vergangenheit, die sie einholen wird, das ihn quält und vor dem er sich zu flüchten sucht in eine Ersatzleidenschaft: Ronny in glühende Anbetung für Xenia und den Stolz, den Monster-Traktor auf dem Hof fahren zu dürfen; Onkel Erwin in die Betäubung durch Alkohol; „Großmutti“ Sebastiane in biblische Bigotterie; Xenia in eine Erstarrung des Lebensgefühls; Robert in Grobheit und Tyrannengebärde; Patrick hat sich geflüchtet in Lebensgenuss und Berufsarbeit. Der Konflikt entspringt der Vergangenheit mit Verrat und Unterschlagung; es fehlt nur an einem kleinen Anstoß, dann brechen die Temperamente hervor – so wie der Fluss jeden Moment in Bewegung zu geraten und den Deich zu überfluten oder gar zu durchbrechen vermag. Karges, starkes Empfinden, Erleben, Bedenken – das alles erfüllt die Gemüter der Protagonisten.
Sprechtext und Bühnenanweisungen dieses Schauspiels (das sich leicht auch als Drehbuch und Hörspiel vorstellen lässt) sind geeignet, im (Lese-)Publikum rasch das Gefühl für die ganz besondere Stimmung, die das Drama erfüllt, zu wecken und erzielen ihre Wirkung, indem Ungesagtes unwiderstehlich im (Lese-)Publikum lebendig wird. Schon die ersten Worte (siehe Leseprobe „Blick ins Buch“) lassen das Lauernd-Unheimliche erkennen, das den Stimmungshintergrund bildet, schnell wird die Mentalität der Menschen deutlich; wenige Worte genügen zur plastischen Charakterisierung; am Ende des erstes Aktes ist von den meisten so viel bekannt, dass das Folgende nichts mehr Befremdendes mit sich bringt.
Das – bewusst klassisch aufgestellte – Stück spielt in einer ländlichen, dünn besiedelten Gegend, in der die Zeit schon länger still zu stehen scheint. Die Konflikte der sehr bodenständigen Menschen sind alltäglich und althergebracht, also wohltuend nicht zu gekünstelt und verwickelt. Die Figuren sind wie die Dialoge eingängig und sinnfällig, und die Katastrophe zu „guter“ Letzt bricht hochdramatisch in diese scheinbare Idylle ein.
In unverlöschlichen Jugenderlebnissen wurzelt Norbert F. Schaafs „Der Deichbrecher“: Schwere Eisgänge auf dem Rhein in Koblenz, dem großen Fluss seiner Heimat, sind dem Jungen zu tiefen Eindrücken geworden; das Unheimlich-Anziehende des dämonischen Wassers – nicht zuletzt direkt unterhalb der Koblenz-Neuendorfer Pfarrkirche mit ihrem Eingang zur Sakristei am Flusssaum – hat den Verfasser zeitlebens nicht losgelassen. Von Naturnähe geprägt ist die Darstellung des dramatischen Geschehens sowie der Mentalität der Menschen, und in allen realistisch-naturalistischen Zügen des Melodrams steckt eine tiefe Symbolik, in der sich Naturvorgang, Menschenschicksal und Technikeinsatz zueinander fügen.
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