NSU-Prozess - Das Ende der Farce?

Am Montag beginnt der NSU-Prozess in München

Am Montag beginnt vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München der NSU-Prozess. Beate Zschäpe und vier weitere ehemalige Mitglieder des selbsternannten "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) sind - in Abstufungen - der Mittäterschaft in zehn Mordfällen, der schweren Brandstiftung sowie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Ebenfalls auf der Anklagebank müssten eigentlich diverse Vertreter und Verantwortliche der deutschen Strafverfolgungsbehörden sitzen. Insbesondere einige Landesverfassungsämter hatten ja - man hat es beinahe vergessen - bei der Verfolgung der Verbrechen der NSU eine Dekade lang vor lauter hitlergrüßenden V-Männern den braunen Wald nicht mehr gesehen und stattdessen die Hinterbliebenen der Opfer drangsaliert.

NSU-Farce statt Aufklärung

In den damit angesprochenen Behörden dürfte während der monatelangen Farce um die Presseakkreditierungen zum NSU-Prozess ungläubige Erleichterung eingetreten sein. So sehr hat das trotzig-dilettantische Verhalten der Münchner Justiz die in beiden Ausprägungen der NSU-Farce vollumfänglich berechtigte Empörung mittlerweile von einem Verfassungsorgan auf das nächste gelenkt. Wäre da nicht das ohnehin bereits zuhauf verletzte Respektsgebot gegenüber den Angehörigen der Opfer der NSU-Morde in Betracht zu ziehen, man müsste für den Prozess "Public Viewing" im verwaisten Münchner Olympiastadion fordern. Es wäre wohl durchaus sehenswert, wie sich ein Gericht im Prozess verhält, das noch die freiwillige Abtretung von Presseplätzen durch deutsche Medienvertreter an ihre türkischen Kollegen für "unzulässig" erklärt und nicht einmal im zweiten Versuch ein korrektes Akkreditierungsverfahren auf die Reihe bringt.

Mir san mir auf richterlich

Stattdessen ließen sich die Richter, die im NSU-Prozess nun für Aufklärung im politisch brisantesten Strafverfahren der letzten Jahrzehnte sorgen sollen, mit empörten Vorwürfen an die böse mediale und sonstige Öffentlichkeit vernehmen. Diese verbreite "ohne nachhaltige juristische Durchdenkung Rechtsmeinungen zum Teil ungeprüft weiter“ und habe überhaupt „die Aufgabe des Gerichts nicht verstanden.“, so der Gerichtspräsident. Aha. Wehe dem, der die juristische Parallelwelt, die bereits in den Vorlesungen des Grundstudiums Jura immer die eigentliche, wirklichere Wirklichkeit ist, mit den Maßstäben des politisch Gebotenen oder auch nur denen der allgemeinen Professionalität messen möchte. Wo kommen wir denn da hin? Das hat, um dem Gegenargument gleich zuvorzukommen, mit der notwendigen Unabhängigkeit der Justiz weniger zu tun, als mit einer provinziell-polternden Wirklichkeitsferne. „Mir san mir“, sagt man in Bayern dazu. Und so darf man zwar hoffen, dass mit dem Beginn des NSU-prozesses die NSU-Farce beendet wird. Sicher ist es keinesfalls.

Andreas Kellner

http://www.zeit-und-wahrheit.de/nsu-prozess-das-ende-der-farce-57784/
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