Papst Franziskus und die Kernkompetenz

Die Erwartungen an Papst Franziskus sind vielfältig, nur vom Evangelium spricht niemand

Papst Franziskus und die Kernkompetenz

Reformen im Vatikan, Gerechtigkeit für die Armen der Welt, einen neuem Umgang mit Gläubigen und Amtsträgern und vieles mehr. Die Erwartungen an den neuen Papst Franziskus, vormals Jorge Kardinal Bergoglio, sind so vielfältig wie diejenigen, die sie äußern. Nur die wenigen zentralen, weil theologischen ersten Aussagen Papst Franziskus' selbst bleiben dieser Tage erstaunlich unkommentiert. Ja, der Ausspruch des neuen Papstes, man sei bis "ans Ende der Welt" gegangen, um ihn zu finden, taugte für die Schlagzeilen. Kern der ersten Predigt Franziskus' war aber weder der Hunger in der Welt noch das von der evangelischen Kirche in Deutschland vorhersehbar erwünschte ökumenische Engagement. Papst Franziskus sprach vielmehr von Bekenntnis und Evangelium.

Die Erwartungen an Papst Franziskus sind vielfältig, nur vom Evangelium spricht niemand

"Wir können gehen, wie weit wir wollen, wir können vieles aufbauen, aber wenn wir nicht Jesus Christus bekennen, geht die Sache nicht. Wir werden eine wohltätige NGO, aber nicht die Kirche, die Braut Christi." Mit diesen Worten wandte sich der frisch gewählte Papst Franziskus am Donnerstag an die Kardinäle und fuhr fort: "Wenn man Jesus Christus nicht bekennt, bekennt man die Weltlichkeit des Teufels, die Weltlichkeit des Bösen." Und, wann haben Sie das letzte Mal das Wort Teufel in den "Tagesthemen" gehört? Eben. Vielleicht tut es der Erwartungshaltung an Papst Franziskus - ohnehin entlarvend, dieser reflexhaft-ehrfurchtsvolle Blick nach Rom, oder? - ganz gut, wenn man sich seine ersten offiziellen Sätzen als Bischof von Rom möglichst nicht im Licht der eigenen Agenda ansieht. Von der Verkündigung des Evangeliums ist da nämlich die Rede und vom Bekennen des christlichen Glaubens als zentralen Unterscheidungsmerkmalen zwischen der Kirche und dem Rest der Welt. Und wo sonst - außer in den USA - kann man öffentlich vom Bösen und dem Teufel sprechen und das so meinen?

In der Grauzone

Verkündigung, Bekenntnis, das sind dicke Bretter, die öffentlich oder gar journalistisch außerhalb des Evangeliums-Rundfunks wohl nicht zu bohren sind. Da spricht man lieber, und das war bei Benedikt 16. genauso wie nun bereits bei Papst Franziskus, von (Kurien-) Politik, Ökumene und Gerechtigkeit als Wirkungsfeldern des Papstes. Wollte man die Worte des neuen Papstes zu seinen Kernkompetenzen tatsächlich redlich diskutieren, müsste man sich ja zunächst einmal selbst die Gretchenfrage stellen - ein schwieriges Unterfangen, besonders für den deutschen Kulturprotestanten. Und so flüchtet sich die Berichterstattung zu Papst Franziskus in erwartbare Klischees, wie dem, dass er "in keine Schublade passe", die man mit "konservativ" oder "reformwillig" beschriften könnte. In Wirklichkeit ist es wohl eher ein Problem, das beim Empfänger liegt und das von glaubhafter und selbstbewusster, öffentlich formulierter Spiritualität hervorgerufen wird.

Vielleicht ist Papst Franziskus dennoch einer, der für Überraschungen gut ist, das wird man sehen. Vielleicht ist es aber hauptsächlich so, dass die Grauzone zischen Glauben und nicht Glauben ein sehr widerspruchsbeladener Aufenthaltsort ist. Egal ob man sich dort als Politiker, protestantischer Würdenträger oder Normalbürger eingerichtet hat. „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ (Matthäus 5,37)

Andreas Kellner

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