Strafverfolgung wegen des Glaubens — neue Realität in Russland

JOSCHKAR-OLA (Russland) — „Meine Frau und ich waren total schockiert, als wir erfuhren, dass in unserer Wohnung versteckte Videokameras installiert worden waren, Telefongespräche abgehört wurden und wir auch sonst ständig beobachtet werden“, sagt Maksim Kalinin, der in einer initiierten Strafsache gegen Jehovas Zeugen zu den angeblich Verdächtigten gehört. Die Maßnahmen gegen die Kalinins wurden wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Artikel 282 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation („Schüren von Hass oder Feindschaft“) in Gang gesetzt.

Am 10. August 2010 wurden sieben Wohnungen von Zeugen Jehovas in der Republik Mari El durchsucht, auch die Wohnung von M. Kalinin. Einige Durchsuchungen dauerten bis 4 Uhr morgens. Schon Anfang 2010 erhielten der Föderale Sicherheitsdienst (FSB) und das Amt zur Bekämpfung von Extremismus amtliche Genehmigungen, in Maksim Kalinins Wohnung einzudringen, für 180 Tage versteckte Videokameras anzubringen, seine Post und seine E-Mails zu kontrollieren und sein Telefon abzuhören. Die Telefone von acht anderen Zeugen Jehovas wurden ebenfalls abgehört. Der angebliche Beweis, den man auf diese Weise erhielt, diente dazu, die Strafsache gegen M. Kalinin einzuleiten. Strafverfahren gegen andere Zeugen Jehovas werden wahrscheinlich folgen.

Bereits früher am selben Tag stürmten 30 Polizeibeamte vom FSB und von einer Spezialeinheit (OMON) in eine religiöse Zusammenkunft von Jehovas Zeugen. Die Polizei beendete die Zusammenkunft, durchsuchte alle 90 Männer, Frauen und Kinder und beschlagnahmte persönliche Gegenstände einschließlich ihrer Mobiltelefone. Niemand durfte das Gebäude vor dem späten Abend verlassen. Kinder wurden ohne Beisein der Eltern befragt.

Eine Zeugin Jehovas berichtete: „Während der Befragung erklärten die Polizeibeamten, ich sollte dankbar sein, dass ich mich nicht völlig entkleiden müsse.“ Der Anwalt Wiktor Schipilow bemerkte: „Ähnliche Razzien wurden schon vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beurteilt. In der Entscheidung Kusnezow und andere gegen Russland erklärte der EGMR das Vorgehen der Polizeibehörden für rechtswidrig. Wir werden wegen des Verhaltens der Polizeibehörden in diesem Fall Beschwerde einlegen.“

„Das völlig unangemessene Vorgehen der Polizei und der anschließende negative Bericht über Jehovas Zeugen in der örtlichen Presse zeigt die feindselige Einstellung gegenüber Andersgläubigen und beweist die Absicht der Polizeibehörden, die Würde der Zeugen herabzusetzen“, sagte Sergej Tarasow, ein Sprecher von Jehovas Zeugen. „Dieses Vorgehen von Staatsorganen löst religiöse Intoleranz gegenüber Menschen anderen Glaubens aus, statt gegenseitigen Respekt zu fördern.“

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Sergej Tarasow (Russland), Telefon +7 812 702 2691
J. R. Brown (USA), Telefon +1 718 560 5600
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