Wer beerbt Köhler? Alle wollen Gauck

Horst Köhler hatte sich zu weit wegbewegt vom üblichen Vokabular, mit dem der Afghanistan-Krieg der Bundeswehr für gewöhnlich von offizieller Seite begründet wird. Er zog die Konsequenz. Wer folgt?

Ursula von der Leyen galt zunächst als Favoritin der Regierungskoalition. Populär ist sie, politische Kompetenz gesteht man ihr zu. Die promovierte Medizinerin erfüllt als Mutter von sieben Kindern eindeutig eine Vorbildfunktion. Doch sie wird am 30. Juni nicht zur Wahl stehen. Christian Wulff, Niedersachsens Ministerpräsident, wurde nominiert.

GEGENKANDIDAT GAUCK

Von der Leyen erfuhr spät, dass Wulff auf einmal Merkels erste Wahl ist. Verrücktes Argument: „Konservative Kräfte“ in der CDU hätten etwas gegen von der Leyens Familienpolitik gehabt. In der Debatte spielte sogar die Konfession eine Rolle: Die wichtigen Ministerposten und das Kanzleramt seien von Protestanten bekleidet, ein führendes Staatsamt stünde also einem Katholiken zu. Wulff, in zweiter Ehe verheiratet, Vater einer „Patchwork“- Familie, ist katholisch.

Ist Ursula von der Leyen von der Kanzlerin ausgespielt worden? Solche Anfragen wurden von der Pressestelle der Arbeitsministerin zurückgewiesen. Wulff traue man „Illoyalitäten“ zu, zitiert „Die Welt“ ein Mitglied des Bundeskabinetts. Er sei ein „unsicherer Kantonist“.

SPD und Grüne präsentierten mit Joachim Gauck einen Gegenkandidaten, auf den sich alle hätten einigen können. Er genießt große Wertschätzung und war bereits 1999 von Seiten der CSU ins Gespräch um den Präsidentenposten gebracht worden.

Gauck wurde 1940 als Sohn eines Marineoffiziers in Rostock geboren. Sein Vater wurde 1951 wegen angeblicher Spionage verhaftet und nach Sibirien deportiert, kehrte jedoch 1955 wieder heim. Joachim Gauck arbeitete später als Co-Autor am „Schwarzbuch Kommunismus“ mit. Er studierte in Rostock Theologie und wurde als Pfarrer von der Stasi bespitzelt. 1989 war er Mitbegründer des Neuen Forums. Von 1990 bis 2000 war Gauck Sonderbeauftragter für die Unterlagen der Stasi. Die Überzeugung des „linken, liberalen Konservativen“ und „aufgeklärten Patrioten“: „Ich kann nur einer Nation vertrauen, die an sich glaubt. Die glaubt, dass sie fähig ist, aus dem Schatten von Schuld und Verbrechen herauszufinden.“

WEN WÜRDE DAS VOLK WÄHLEN?

Wulff hat das Schwiegersohn-Lächeln, Gauck, der Rhetoriker und parteilose Bürgerrechtler, hat Profil. Trotzdem ist Wulff Favorit bei der Wahl. Schließlich hat Schwarz-Gelb in der Bundesversammlung eine Mehrheit von mehr als 20 Stimmen. Die Vertreter der Linken werden Gauck nur „unter Umständen“ wählen, ging er doch nicht gerade zimperlich mit deren SED-Vergangenheit um.

Mitglieder von CDU und FDP, auch an höchster Stelle, halten die Nominierung von Gauck für eine hervorragende Idee. Ganz so eindeutig, wie das Ergebnis bei der Wahl bislang erwartet wurde, wird der Urnengang also nicht ausfallen. Dürfte das Volk den Bundespräsidenten direkt wählen, müsste Wulff noch mehr um den Sieg zittern. In einer Emnid-Umfrage lag Wulff zwar knapp vor Gauck. Laut „Deutschlands schnellster Meinung“, wie die „Bild“-Zeitung ihre Umfrage nennt, wünscht sich allerdings eine Dreiviertelmehrheit Gauck als Präsidenten, im „Focus-Trend“ sprechen sich mehr als 75 Prozent für Gauck aus. Bei einer Umfrage der Internet-Plattform „Twitter“ vereinte Gauck sogar 93 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich.

ML


Über DSZ-Verlag

Benutzerbild von DSZ-Verlag

Nachname
DSZ-Verlag

Adresse

www.national-zeitung.de

Postfach 60 04 64
81204 München

Telefon +49 89 89 60 850
Telefax +49 89 83 41 534
E-Mail info@dsz-verlag.de

Homepage
http://www.national-zeitung.de

Branche
Zeitung