Volk der Mitte und der Vermittlung

Davos. Dort starb 1928 nur 37-jährig Klabund oder, wie er bürgerlich hieß, Alfred Henschke. Der Schriftsteller hat ganz nebenbei ein politisches Programm zu Papier gebracht. Wie etwa seine 96 Seiten starke „Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde“ von 1920 verrät, nahm er vom Nationalen alles weg, was dazu nicht gehört: das Bornierte, das Aggressive, das Autoritäre. „Die deutsche Dichtung ist vergleichbar einem Baum, der tief in der deutschen Erde wurzelt, dessen Stamm und Krone aber den allgemeinen Himmel tragen hilft. Es gibt eine deutsche Erde. Der Himmel ist allen Völkern gemeinsam.“

Frieden ist das Thema, das Klabunds deutsche Literaturgeschichte durchzieht: „Noch regiert, obschon Friede geschlossen ist, Mars die Stunde, die Minute, die Sekunde. Noch herrscht der Krieg als Prinzip. Besiegt ihn, ihr Dichter, kraft eures Wortes…“

Den Gedanken hat Klabund in seiner 1922 erschienenen „Geschichte der Weltliteratur in einer Stunde“ fortgeführt: „Heute spricht Gandhi die Worte, die Deutschland, das in den Ketten der Entente liegt, trösten und auf den rechten Weg weisen können, der einzig zum wahren Frieden führt: ,Wir müssen unseren Kampf mit reinen Waffen führen, Bosheit durch Güte, Lüge durch Wahrheit besiegen. Der List müssen wir mit Offenheit, der Gewalt mit Geduld begegnen.’“

Man kann wohl sagen, dass die Weimarer Republik dieser Vorstellung sehr nahe kam. Das zeigt nicht nur die Reaktion der Regierung Cuno auf die französisch-belgische Besetzung des Ruhrgebiets 1923: passiver Widerstand. Das unterstreichen auch die meisten Reden und Aufsätze Gustav Stresemanns, Außenminister der Jahre 1923 bis 1929.

Folgendes Wort des Wieners Hugo von Hofmannsthal machte sich Klabund zu eigen: „Wir sind Deutsche, und unserer Sprache, die ja unser Schicksal ist, ist dies Merkmal gegeben, dass in ihr wie in keiner die geistigen Schöpfungen anderer Völker in ihrer Herrlichkeit wieder auferstehen und ihr eigenstes Wesen offenbaren können, wodurch wir als das Volk der Mitte und der Vermittlung auserlesen und beglaubigt sind.“

Klabunds Geschichte der Weltliteratur endet mit den ebenso wahren wie zwanzig Jahre später tragisch ins Gegenteil gekehrten Worten: „Die nächste Zukunft der Erde hängt von den großen Völkern ab, in denen Gottes Traum am Lebendigsten geträumt wird: von Russland und Deutschland.“

Mir scheint, Klabund hat uns noch heute viel zu sagen!

Gerhard Frey jr.


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