Minutenlang Qual und Todeskampf

Der muslimische Metzger Rüstem Altinküpe streitet seit 15 Jahren mit dem zuständigen hessischen Landkreis, wie und in welchem Umfang er schächten darf. Zwar verbietet Paragraf 4a des deutschen Tierschutzgesetzes das betäubungslose Schlachten grundsätzlich. Wenn einer Religionsgemeinschaft aber das Schächten vorgeschrieben ist, können Ausnahmegenehmigungen unter verschiedenen Auflagen erteilt werden. Das hatte das Bundesverfassungsgericht am 15. Januar 2002 entschieden. Wenige Monate danach wurde das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz verankert, und es ergab sich die Kontroverse, ob unvermeidbare Schmerzen und Leid von Tieren zur Ausübung der Religion gerechtfertigt sind und wie man das Tier bestmöglich schützen kann.

Für 2008 hatte Altinküpe die Erlaubnis erhalten, 500 Schafe und 200 Rinder zu schächten. Weil es für 2009 noch keine Entscheidung des Landkreises gab, legte er Beschwerde ein und bekam im Februar Recht. Allerdings hob der Hessische Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung auf, was aber wiederum nach der Verfassungsbeschwerde Altinküpes vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen wurde. Doch zwei Rinder und 30 Schafe pro Woche zu schächten, reicht ihm nicht. „Das ist zu wenig, um mein Geschäft auf den Beinen zu halten“, klagt er. Der hohe Bedarf mache nun Importe nötig aus EU-Ländern, in denen Schächten erlaubt ist.

TRADITION IM ISLAM UND JUDENTUM

Altinküpes Fall hat das Schächten wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. In manchen Religionen wird diese Art des Schlachtens vorgeschrieben, um den Verzehr von Blut, das als „unrein“ gilt, zu vermeiden. Der Islam, der eine möglichst schonende Tötung von Tieren verlangt, lässt dabei nach verschiedenen Lesarten eine vorherige Betäubung zu. Im Judentum hingegen ist dies nicht möglich. Nur das Fleisch unbetäubt verbluteter Tiere kann koscher sein.

Beim Schächten werden dem Tier, das bei vollem Bewusstsein ist, mit einem Messer die Halsschlagader mit den daneben liegenden Nervensträngen durchtrennt. Dann verblutet es. Bis es tatsächlich tot ist, können quälende Minuten vergehen. Auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet wird, haben wissenschaftliche Studien erwiesen, dass die Tiere starke Schmerzen, Panik, Atemnot und Todesangst erleiden. Durch die Fixierung beim Schächten ist es nur nicht mehr in der Lage, Fluchtversuche oder andere Reaktionen deutlich zu zeigen. Außerdem artikulieren beispielsweise Schafe Gefühle wie Angst kaum. Doch Symptome wie Unruhe, aufgerissene Augen, das Erstarren im Schockzustand oder bebende Nüstern weisen darauf hin, wie angsterfüllt die Tiere tatsächlich sind.

Schon bevor das Messer angesetzt wird, erfahren die Tiere Qualen. Die Ruhigstellung, die Fixierung, die Streckung des Halses sowie das Offenhalten der Wunde sind hoch komplizierte Vorgänge, bei denen nur allzu leicht Fehler passieren können, die für das Tier eine erneute Steigerung des Leides bedeuten. Auch nach dem Einschnitt ist es keinesfalls so, dass sofort Bewusstlosigkeit einsetzt. Die Verletzungen des Gewebes schmerzen das Tier natürlich, trotz abfallenden Blutdrucks. Nachdem das Messer bis zur Wirbelsäule geführt wird, ist die Fläche des verletzten Gewebes relativ groß. Auch findet die Blutversorgung des Gehirns trotz durchtrennter Hauptschlagader weiterhin statt. Erfahrungsberichte sprechen häufig von Abwehrreaktionen während des Schnitts, wodurch wiederum Schwierigkeiten entstehen, zum Beispiel wird das Wechseln der Schnittrichtung nötig. Außerdem kann sich so der Blutfluss verringern und das Verbluten dauert länger. Die Wolle der Schafe stellt ein zusätzliches Hindernis für einen raschen, präzisen Schnitt dar.

TODESKAMPF BEI VOLLEM BEWUSSTSEIN

Ruhige Rinder kollabieren im Durchschnitt nach 15 Sekunden. Allerdings ist es keine Seltenheit, wenn sie auch nach fast 50 Sekunden noch Aufstehversuche unternehmen. Der Bewusstseinsverlust tritt erst nach einer Minute ein. Wenn Blutgerinnsel oder Veränderungen der Arterien die Hauptschlagader verengen, dauert der Todeskampf länger als sechs Minuten.

Aus diesen Gründen tritt der Deutsche Tierschutzbund beispielsweise für das ausnahmslose Verbot von betäubungslosem Schlachten ein. Weil „die betäubungslose Schlachtung sehr fehleranfällig ist ... und die Voraussetzungen für eine optimale Durchführung unter Praxisbedingungen nur schwer einzuhalten sind“, stellte 2007 auch die Delegiertenversammlung der Bundestierärztekammer fest: „Aus Sicht des Tierschutzes ist die Änderung des § 4a des Tierschutzgesetzes – Streichung des Abs. 2 Nr. 2 – erforderlich und begründet, um den Tieren durch eine betäubungslose Schlachtung keine größeren Schmerzen oder Leiden zuzufügen als bei vorheriger Betäubung.“

Die Betroffenen zeigen allerdings wenig Einsicht. Auf der Seite des jüdischen Internetportals haGalil war beispielsweise zu diesem Thema zu lesen: „Es ist schon erstaunlich, mit welch missionarischem Eifer deutsche Politiker und Verbandsvertreter Moslems und Juden das seit Jahrtausenden bewährte Schächten austreiben wollen.“ In einem anderen Artikel desselben Portals wurde zuerst vor den „Vorurteilen“ gegenüber dem Schächten gewarnt, um dann aber selbige in Teilen zu bestätigen. Freilich nur, wenn es um das betäubungslose Schlachten in muslimischen Kreisen geht. Da hieß es: „Auch alle Instrumente sind erlaubt, die ein Auslaufen des Blutes ermöglichen. So stirbt das Tier oft qualvoll, weil die Schlachtwerkzeuge stumpf, schartig oder rostig sind. Ein Grund, der den Feldzug der Tierschützer gegen das Schächten erklärt.“ Im Judentum laufe dies alles ganz anders.

Gerade weil das Schächten in Zusammenhang mit dem Judentum steht, kann man sich in Deutschland ganz schnell in politisch unkorrekte Nesseln setzen. Allzu oft läuft man Gefahr, der Intoleranz oder gar des Antisemitismus beschuldigt zu werden. Aber mit Ausländerfeindlichkeit oder Antisemitismus hat Tierschutz gar nichts zu tun. Außerdem ist es moralisch sicherlich zweifelhaft, die Bewältigung furchtbarer Verbrechen in der Vergangenheit heute auf dem Rücken unschuldiger Kreaturen auszutragen und aus diesem Grund das Schächten stillschweigend zu dulden. Auch dient die Akzeptanz des Schächtens keinesfalls der Integration. Denn in der Natur der Sache liegt, dass völlig fremde Rituale, die sogar gesetzlicher Ausnahmeregelungen bedürfen, vor allem die Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen hervorheben.


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