Felicia Langers Antwort auf weitere Anfeindungen

"Das andere Gesicht Israels"

Was wäre passiert, wenn Ralph Giordano sein Bundesverdienstkreuz 1. Klasse zurückgegeben hätte? Die Bundesrepublik wäre nicht in ihren Grundfesten erschüttert worden, der Himmel wäre uns nicht auf den Kopf gefallen, die Erde wäre nicht beim Weiterdrehen gestört worden. Es wäre nichts Großartiges passiert. Aber derlei Spekulationen sind nun sowieso überflüssig, denn Ralph Giordano will seine Drohung doch nicht wahr machen. Dies teilte er über einen Gastkommentar in der „Welt“ mit. Er sei zwar immer noch geschockt, kommentiert er gleich in der Überschrift, dass Felicia Langer ebenfalls mit dem Bundesverdienstkreuz bedacht worden sei, „die Überlegung, die eigenen Auszeichnungen zurückzugeben, dieser Impuls aber war falsch und wird hier so öffentlich, wie er bekundet worden war, auch widerrufen.“

„ZERRBILD EINER MENSCHENRECHTSAKTIVISTIN“

Seine weiteren Ausführungen offenbaren eine nahezu einzigartige Arroganz. Felicia Langer, die sich seit mehr als vierzig Jahren für die Rechte der Palästinenser einsetzt, habe Giordanos Ansicht nach „mit an Blindheit grenzender Einseitigkeit ihre Menschenrechtsantennen in nur eine Richtung ausgefahren und dabei Israel zum bösen Prinzip der Weltgeschichte erklärt“. Für die deutsch-jüdischen Beziehungen sei die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes „an dieses Zerrbild einer glaubwürdigen Menschenrechtsaktivistin“ ein „Affront“.

Weiter giftet Giordano: „Selbst die oberflächlichste Beschäftigung mit der Biografie Felicia Langers könnte zu keinem anderen Schluss kommen, als dass hier das ungewöhnliche Lehrbeispiel einer ,geteilten Humanitas‘ vorliegt.“ Wie sieht aber die Vita der jüdischen Anwältin Felicia Langer aus? Wie kam es zu ihrem Engagement für das Recht der unterdrückten Palästinenser?

Sie habe mit eigenen Augen gesehen, erzählt sie, wie unerträglich das Leid des palästinensischen Volkes sei. Als Schock empfand sie den Terror, den die Israelis 1967 in Folge des Sechstagekrieges und der Besetzung des Westjordangebietes und des Gaza-Streifens offenbarten. „Ich begriff“, erklärte Langer 1991, „dass die, die Siegeslieder sangen und die Ruinen des besiegten Volkes fotografierten, die Lehre der Geschichte nicht verstanden haben.“ Nun kämpfte sie 22 Jahre lang für palästinensische Opfer israelischer Willkür, gegen ein von israelischer Justiz verwaltetes System der Rechtswidrigkeit. Folter mit teilweise tödlichem Ausgang, erpresste Geständnisse, völkerrechtswidrige Deportationen und kollektive Strafen hatten, ihren Aussagen nach, ihre Klienten zu ertragen.

MENSCHENRECHTE SIND UNTEILBAR

Nach mehr als 20 Jahren musste Langer konstatieren, dass ihr Kampf erfolglos geblieben war. 1990 zog sie sich nach Deutschland zurück, wo ihr Sohn lebt, denn nun wollte sie „die öffentliche Meinung in der ganzen Welt für die palästinensische Sache mobilisieren, für das Leiden dieser Menschen, für Frieden und Verständnis.“ Verzweiflung und Verbitterung hatten sie zum Aufgeben der Anwalttätigkeit gebracht. „Ich entschied, dass ich nicht mehr das Feigenblatt dieses Systems sein wollte. Ich möchte, dass mein Aufgeben als eine Art von Demonstration gesehen wird, ein Ausdruck meiner Verzweiflung und Anwiderung.“

Hass und Anfeindungen, ja sogar Drohungen gegen Leib und Leben hatte Felicia Langer erduldet, weil ihr Gerechtigkeitsempfinden unumstößlich war. „Mein Mann und ich haben eine Lehre aus der Erfahrung des Holocaust gezogen“, erläutert sie. „Menschlichkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte!“ Mehrere internationale Organisationen haben belegt, dass im Gaza-Krieg Kriegsverbrechen von israelischer Seite begangen worden sind. „Ich stehe dazu, dass Israel in den besetzten Gebieten Apartheidpolitik betreibt“, sagt sie. Es könne keine Sicherheit geben, solange Israel den Palästinensern ihre Rechte vorenthalte, den Gazastreifen abriegele und gezielt töte. Sie weise immer wieder darauf hin, „weil dies nicht nur für die Palästinenser eine Tragödie ist, sondern auch für Israel.“

FEINDIN ISRAELS?

Über die boshaften Reaktionen in Deutschland auf die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes bemerkt sie: „So verletzende Anschuldigungen und Verleumdungen habe ich selten erlebt.“ Selbst die harte Kritik, der sie in Israel ausgesetzt war, sei nicht „so vehement und schrecklich“ gewesen. Neben Ralph Giordano hatten sich unter anderem auch Dieter Graumann vom Zentralrat der Juden in Deutschland oder Arno Hamburger, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg, lautstark und feindselig zu Wort gemeldet. Letzterer hatte die Rücknahme des Bundesverdienstkreuzes gefordert. Er unterstellt Langer, sie würde Israel diskriminieren. „Mit Frau Langer hat eine ausgewiesene Israel-Feindin eine der höchsten Auszeichnungen erhalten. Sie ist zwar selbst Jüdin, macht aber bei ihren Reisen landauf-landab keinen Hehl aus ihren Sympathien für die Palästinenser, ohne die Schrecken und den Terror zu erwähnen, die von ihnen ausgehen“, schreibt er in einem Brief an Bundespräsident Köhler.

Nun wolle auch Hamburger sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben und bittet „um Verständnis, dass ich mit einer Israel-Feindin nicht in einer Reihe von ordensträgern stehen möchte. Zu meinem Bedauern sähe ich mich aber gezwungen, meine Auszeichnungen dann zurückgeben zu müssen, wenn Frau Langer weiterhin Trägerin des Bundesverdienstkreuzes bleiben sollte.“

Als Israel-Feindin sieht sich Felicia Langer ganz und gar nicht. „Ich fühle mich als Israelin, ich habe dort 40 Jahre gelebt und habe eine kolossale Bindung an das Land.“ Im Gegenteil gründet sich ihr Einsatz für Gerechtigkeit auf ihre Liebe zu Israel. „Nur wegen meiner starken Gefühle für mein Land tue ich, was ich kann, um seine Seele zu retten. Weil wir Juden wissen, was es heißt, zu leiden, dürfen wir andere nicht unterdrücken.“ Die israelische Besatzung sei aber „der Inbegriff von Gewalt“, der immer Gegengewalt erzeuge. Solange seien eine Zwei-Staaten-Lösung und dauerhafter Frieden nicht möglich. Dass sie die israelische Politik kritisiert und „die Dinge beim Namen nennt“, mache sie aber nicht zur Feindin Israels und schon gar nicht zur Antisemitin. „Wir sind das andere Gesicht Israels.“

Marleen Loebuch


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