Keine DNA – Entnahme bei vom Vorwurf der Vergewaltigung Freigesprochenem – OLG Oldenburg 1 Ws 390/08

Gegen einen vom Vorwurf der Vergewaltigung Freigesprochenen darf die Entnahme einer Speichelprobe zur DNA – Identifikation nach § 81 g StPO auch dann nicht angeordnet werden, wenn der Freispruch mangels Beweises ergangen ist und ein Tatverdacht fortbesteht.

Der bereits von den altem Römern formulierte Grundsatz, dass bei Vorwürfen jedweder Art auch dann, wenn sie nicht nachgewiesen werden können, doch immer irgendetwas hängen bleibt, ist betreffs Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelinquenz heute aktueller denn je.
Bedenkt man, dass der weit überwiegende Anteil derer, denen eine Sexualstraftat – allen voran sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung - vorgeworfen wird (http://www.rechtsanwalt-stgb.de/beschuldigter-sexuelle-noetigung-vergewa...), nicht vorbestraft ist, sondern über Nacht zum stigmatisierten Tatverdächtigen eines Sexualdeliktes wird, weil beispielsweise sexuelle Handlungen stattgefunden haben, die Sexualpartnerin aber im nachhinein behauptet, diese seien von ihr aus unfreiwillig geschehen. Nach einer amerikanischen Studie über einen 9-Jahreszeitraum haben 41 % der angezeigten Sexualdelikte tatsächlich nicht stattgefunden, wobei wesentliche Motive der Falschanzeige das Nichttragenmüssen der Konsequenzen des Sexualkontakts, Rache gegen einen abweisenden Mann und Gefallen und Hineinsteigern in die Opferrolle waren (Boakes, Janet, Complains of sexuela misconduct, in Analysing witness testimony, A. Heaton-Armstrong, E. Sheperd, W. Wochover, David (Editors), Blackstone Press Limited, 1999, S. 108, 110).
Gerhard Mauz, der 2003 verstorbene große Gerichtsreporter der Zeitschrift „Der Spiegel“, hat immer wieder betont, dass es Zufall sein kann, nicht auf der Anklagebank, sondern im Zuhörerraum oder auf der Pressebank zu sitzen. Gute Gerichtsreportagen sind keine Anklagen, sondern sie zweifeln an der totalen Sicherheit, dass der Kriminelle immer der andere sein muss.
Dass selbst Gerichte dem Freigesprochenen noch Übles wollen, musste ein von dem Vorwurf der Vergewaltigung Freigesprochener am eigenen Leib erfahren: Am selben Tag des Freispruchs erließ das Landgericht Oldenburg einen Beschluss, mit dem eine Blutentnahme zur DNA-Untersuchung bei dem Freigesprochenen angeordnet wurde, da der Verdacht einer Sexualstraftat im Sinne des § 81 g StPO (das ist die Vorschrift, die regelt, wann DNA entnommen werden darf) nach wie vor vorliege.
Kurzum hat das Oberlandesgericht klargestellt, dass ein Freigesprochener eben kein Beschuldigter mehr sei und dass mit dem Freispruch „die Strafklage verbraucht“ sei und es insoweit an einer verfolgbaren Straftat fehle.
Recht hat es, das Oberlandesgericht. Wenn nämlich nicht einmal mehr ein rechtskräftiger Freispruch vor weiterer Verfolgung und Stigmatisierung durch die Justizbehörden schützt, dann kann man ebenso gut die Präventivhaft des 19. Jahrhunderts wieder einführen, bei der der noch nicht Verurteilte über mehrere, manchmal bis zu 10 Jahren in Haft genommen wird, bis er irgendetwas zugibt. Was, ist dann schon fast egal.

Rechtsanwalt Martin Barduhn, Rechtsreferendar Jan Zeller

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