Welt-Alzheimertag 2017: Demenzentwicklung bringt Kriegskinder und Kriegsenkel ins Gespräch - Jetzt noch fragen und antworten

von Martin O. Beinlich

Der Welt-Alzheimer-Tag am 21. September 2017 erinnert die Öffentlichkeit wieder einmal daran, wie sehr das Vergessen vieler Menschen bevorsteht. In vielen Fällen ist es bereits schon bitterer Alltag geworden. Kriegskinder und Kriegsenkel haben jetzt noch die Chance, ins Gespräch zu kommen. Sie können Fragen stellen und Antworten geben. Bevor die Demenz die letzten Erinnerungen bei manchen für immer verwischt, rücken einige Eltern und Kinder enger zusammen.

Unausgesprochenes droht niemals ausgesprochen zu werden

Aktuell sind ca. 1,6 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland an Demenz erkrankt. Tendenz steigend. Alzheimer ist eine – und zwar die verbreitetste - Form des Krankheitsbildes Demenz*). Es handelt sich um eine schlimme Krankheit. Sowohl für die Betroffenen selbst, als auch für die Angehörigen und die Gesellschaft. Demenz ist vielschichtig. Je nach genauem Krankheitsbild ist der Verlauf langsam voranschreitend und am Anfang kaum erkennbar. Mit den Jahren geht die Orientierung zunehmend oder ganz verloren. So werden Zeit, Ort und Raum, Situation und auch Personen – in gewissen Ausprägungen sogar die eigene Person – anders wahrgenommen. Die Einschränkungen breiten sich auf die körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten aus. Oftmals versiegt die Erinnerung. Aber auch die Fähigkeit, für andere Menschen nachvollziehbar zu sprechen bzw. überhaupt noch sprechen zu können, kann verloren gehen. Bisher Unausgesprochenes droht niemals ausgesprochen zu werden.

Kriegskinder und Kriegsenkel bemühen sich um Aussprache

Seit einigen Jahren hat sich der Themenkreis um die sog. „Kriegskinder“ und „Kriegsenkel“ in der Öffentlichkeit etabliert. Damit sind einem gut 70 Jahre andauernden Tabu über das Sprechen von unterschiedlichen Leidenserfahrungen schrittweise die Tore geöffnet worden. Bei einer ganzen Reihe von Menschen haben Gespräche und Auseinandersetzungen stattgefunden oder sind zumindest ins Rollen gekommen. Und das ist gut. Denn mit fortschreitendem Alter steigt das Risiko, an Demenz zu erkranken. Auch wenn durchaus jüngere Menschen Demenz entwickeln können, erkranken am häufigsten ältere Menschen.

Die Jahrgänge von ca. 1927 bis 1945 waren während des Zweiten Weltkriegs Kinder. Daher wurde für diese Generation der Begriff „Kriegskinder“ eingeführt. Sie haben zu einem Großteil Furchtbares erlebt. Viele dieser Erfahrungen wurden und konnten zum Teil nicht aufgearbeitet werden. Eine Menge dieser erschütternden Wahrheiten sind in Partnerschaften und Familien noch immer unausgesprochen. Darunter leiden die Betroffenen heute zunehmend mehr. Manche von ihnen finden den Weg zum Austausch im Privaten oder auch mit professioneller psychotherapeutischer Begleitung.

Die heute 90- bis 70-Jährigen, die vom Schweigen zum Sprechen finden, erleben Entlastung. Sie möchten ihren Jahrzehnte lang verdrängten Schmerz endlich loswerden oder zumindest auf ein erträgliches Maß reduzieren. Andere möchten sich ihren Kindern, den sog. „Kriegsenkeln“ gegenüber aussprechen und ihnen ein unbelastetes Leben ermöglichen.

Zu diesen Kriegsenkeln zählen die in den Jahren ca. 1960 bis 1975 Geborenen. Sie sind in Friedenszeiten aufgewachsen und haben dennoch zum Teil die Belastung ihrer Eltern aus dem Krieg übernommen. Dieser Mechanismus wird als transgenerationale Übertragung verstanden. D.h. die Erfahrungen der Eltern haben sich auf deren Kinder transferiert, eben von einer Generation auf die andere. Die Auswirkungen sind bei den Kriegsenkeln sehr verbreitet: unerklärliche Ängste, Beziehungsstörungen, Schwierigkeiten im Beruf, Alpträume und psychosomatische Erkrankungen. Daher suchen sie nach Erklärungen und Lösungen. Sie finden Hilfe im Freundeskreis, im Lesen von Fachliteratur, Selbsthilfe- oder professionell angeleiteten Gruppen sowie in Therapien. Sie möchten Antworten erhalten auf bisher ungestellte oder unbeantwortete Fragen. Sie suchen Erklärungen für ihre Lebens- und Familiengeschichten. Sie wissen, sie haben nicht mehr viel Zeit zum Nachfragen bei denen, die die Kriegserfahrung selbst gesammelt haben: bei Ihren Eltern.

Mut und Mitgefühl unterstützen das gemeinsame Gespräch

Wenn es den Eltern, also den Kriegskindern, nicht leicht fällt, über ihre Erfahrungen zu sprechen, so ist das sehr verständlich. Die Erinnerung tut mitunter weh. Es ist äußerst schwer, sich schmerzhafte oder sogar traumatische Erlebnisse wieder bewusst zu machen und gar auszusprechen. Auch wenn dies anschließend zur Entlastung führen kann. Es braucht Mut für das gemeinsame Gespräch. Manchmal gibt es jedoch auch Grenzen. Denn eine Folge von Traumatisierungen ist die Unmöglichkeit des Betroffenen, die lebensbedrohliche Situation zu erinnern und auszusprechen. Sie wirkt nämlich aktuell noch immer lebensbedrohlich. Das gilt es unbedingt zu respektieren. Traumatische Erlebnisse sind eben nicht mal so hopplahopp erzählt und bearbeitet.

Für die Kriegsenkel mit ihren übertragenen Belastungen sind das Auflösen von verwirrenden Andeutungen, Erkennen von Zusammenhängen und das Verstehen von Verhaltensmustern oft wichtige Erkenntnisse, um das eigene Leben ins Lot zu bekommen. Vor dem Hintergrund der immer älter werdenden eigenen Eltern und der hohen Wahrscheinlichkeit des Anstiegs der Demenzerkrankungen, lohnt sich der Mut zum aktiven Nachfragen. Solange die Eltern noch da sind und ihre Orientierungsfähigkeit vorhanden ist, können Gespräche helfen. Und es braucht Mut, zu antworten, sofern es möglich ist. Mit Vorsicht, Nachsicht, Geduld und ausgesprochen viel Mitgefühl können unter Umständen bislang verschwiegene und unausgesprochene Erfahrungen vor dem ewigen Schwiegen gerettet werden. Mit Blick auf die Entwicklung der Demenz in Deutschland fühlen sich zunehmend mehr Kriegskinder und Kriegsenkel ermuntert, jetzt noch Fragen zu stellen und zu beantworten.

*) Quelle: https://www.deutsche-alzheimer.de/termine/welt-alzheimertag.html, 08.09.2017

Autor: Martin O. Beinlich, Jg. 1965 und damit selbst Kriegsenkel, ist Institutsleiter des Triada Institut in Wiesbaden. Er hat Psychologie studiert als Wahlfach im Studium der Wirtschaftswissenschaften und ist Psychotherapeutischer Heilpraktiker. Zu seinen Schwerpunkten zählen Gestalttherapie, Körperpsychotherapie und Gesprächstherapie. Er ist Experte u. a. für Kriegskinder, Kriegsenkel und Demenz. Seit vielen Jahren begleitet er Menschen mit verschiedenen persönlichen, familiären und beruflichen Themen, sowohl in Einzelgesprächen als auch in Seminaren, Workshops, Coachings und Gruppen.


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