Hat die Maus den Pinsel verscheucht?

Pixel oder Pigmente, Palette oder Menüs, Malkunst oder digitale Bildbearbeitung? Wer gewinnt den Kampf um Sammlerherzen und Käuferwände?

Was vermittelt mehr Wertgefühl – Öl oder Acryl auf grundierter Leinwand oder C-Print mit UV-Schutz? Muss man das pastöse des Handauftrages spüren oder genügt ein guter Digitaldruck – meinetwegen auch auf Leinwand? Diese Diskussion wurde schon vor zehn bis fünfzehn Jahren geführt. Ist sie schon beendet, schon entschieden?

Ich komme aus der Malerei. Mit Acryl auf Leinwand oder auf Holz. Pinsel, Schwamm, Spachtel – alles musste herhalten für den Farbauftrag. Mit der Kettensäge für Struktur auf der Holzplatte gesorgt, mit Cutter die vielfachen Lagen ausgeschnitten und aufgebracht. Gespritzt, geschmiert, freihändig oder mit Schablonen. Mein Arbeitsoverall hatte mehr Farbigkeit als manches Minimal-Art-Bild aus meiner Werkstatt.

„Vorsicht, ist noch nicht trocken“ sagte ich früher dem Atelierbesucher. „Vorsicht, die Kabel“ sage ich heute dem … ach was, wer guckt sich schon Computer an, wenn nicht gerade CeBit ist?

Schöne neue Präsentations- und Promotionwelt. Ist alles im Netz, weltweit, für jeden, der sich durch die Bilderfluten kämpfen will. Jeder darf produzieren und verbreiten; noch eine Farbvariante, noch ein anderer Ausschnitt. Es ist so leicht, es ist so viel. Die Perlen sind nur für Tieftaucher zu finden.

Was macht man ohne Galeristen, ohne Kuratoren, ohne Auktionatoren und ohne Kritiker? Als werteorientierter Sammler braucht man die Kenner. Man versucht sich zu konzentrieren, eine Sammlung aufzubauen, Profil und Trendgefühl zu beweisen. Ich denke wehmütig, an die Studentin, die vor vielen vielen Jahren – noch im D-Mark-Zeitalter – eines meiner frühen handgemalten Bilder bei meinem Galeristen entdeckte, sich darin verliebte, später mit ihrem Freund und einer schweren Jutetasche zurück kam und 1.500 DM mit wenigen Scheinen und viel Silbergeld auftischte.

Was weiß ich heute von zusammengekramtem Geld und von leuchtenden Augen beim Online-Bestellvorgang? Klar, leuchten manche Augen bei den Vernissagen – scheint aber eher am Sekt zu liegen.

Eine meiner ersten Ausstellungen mit Fotografien nannten wir „Wie gemalt“. Tatsächlich wirkten die abstrakten und farbigen Motive wie gute Kunstmalerarbeiten – erstaunlich, was mit Makro-Aufnahmen auf bunten Briefbeschwerern aus Glas alles möglich ist. Ohne Bildbearbeitung. Leider hatte sich diesmal kein kunstverliebtes Studentenpaar gefunden.

Falsche Eindrücke und konzeptionell-visuelle Missverständnisse mit Aufpluster-Effekt gibt es im Kunstmarkt genügend. Ich gebe es zu – mir fehlt manchmal der Respekt vor dem Weihevollen. In Museen und Galerien stelle ich mich gerne andächtig vor Feuerlöschern oder Notausgang-Schildern und doziere über existentielle Klarheit, die eindringliche Farbgebung und die kontrastierende Wirkung auf das räumlich-visuelle Umfeld in seiner perfiden Jetztzeit. Manchmal sammelt sich eine kleine Menschentraube um mich, während sich meine Frau zum Museum-Shop bewegt.

Stundenlanges Sitzen vor einem Computer macht einen nicht Lebensfreudiger. Ich vermisse den Auslauf in einem 100-Quadratmeter-Atelier, das Ausrutschen auf der ausgelegten farbnassen Schutzfolie, der ehrfurchtvoll-interessierte Blick von Atelierbesuchern und ihren Fragen nach Inspiration für die Schaffenskraft beim Betrachten der aufgehängten und in Reihe angelehnten Bilderserien.

Warum ich vom ergonomisch geformten Bürostuhl nicht zum wackeligen Klappstuhl im Atelier zurückkehre? Weil ich mittels PC und Bildbearbeitung das schaffen kann, was mir mit störrischen Materialien wie Pinsel & Co. nicht immer gelungen ist. Die Varianten, das schnelle Ausprobieren, der sofortige Aus- und Eindruck. Wenn mir auf der Leinwand mit der Hand etwas nicht gelungen ist, musste ich stundenlang meine depressiven Verstimmung aushalten. Jetzt wird schnell gelöscht, wenn es nicht passt. Tut nicht weh.

Das Wertgefühl beim Kunstkäufer ist mir egal (sagt der nebenberuflich Bilderschaffende). Was hilft mir, zu einem Ergebnis zu kommen, das mir entspricht? Ist die Hand auf dem Touchpad so völlig anders als der Pinsel in der Hand? Sieht das Objektiv des Fotografen für den Beginn einer digitalen Bildbearbeitung so völlig anders als das analoge Auge des Malers? Geht es nicht immer nur um das passende Werkzeug für ein treffendes Ergebnis?

So habe ich meine Ergebnisse wieder per Click und Drop zusammengetragen und in einer neuen Webpräsenz zusammengestellt – auf http://www.niko-art.de/ zu scrollen, zu wischen oder zu zoomen. Bitte nur nicht rechte Maustaste und „Bild kopieren“. Sonst wird sich Ihre Festplatte nach wenigen Minuten selbst zerstören.

Ich schließe es nicht aus: Vielleicht kehre ich wieder ins feucht-kühle Atelierklima zurück. Eine kleine Fabrikhalle wäre schön. Vielleicht hole ich meinen farbenfrohen Arbeitsoverall wieder raus und lege los. Wer weiß?

Was kümmert der Schaffensprozess? Was kümmert die Technik? Was kümmern die Kritiker und Kommentare? Nehmt die Bilder, wie sie sind, wie sie wirken, digital oder analog – und dann zahlt das, was Sie Euch wert sind. Wir sehen uns im Netz (http://www.niko-art.de).


Darstellungsoptionen

Wählen Sie hier Ihre bevorzugte Anzeigeart für Kommentare und klicken Sie auf „Einstellungen speichern“ um die Änderungen zu übernehmen.

Hat die Maus den Pinsel verscheucht?

Niko Bayer
Artworker
Kalmitstraße 6
D-67227 Frankenthal
Mobil 0049 17170 71 151
Website http://www.niko-art.de/
E-Mail info@nikobayer.de