Dieses Buch hat eine lange, persönliche Geschichte. Sie beginnt mit vielen Erfahrungen aus meiner eigenen Praxis des Übens im Alltag, Musik, Sport und Wissenschaft, lange vor meiner Tätigkeit als Lehrer, Hochschullehrer und Ausbilder im Lehramt. Ich merkte bald: Beim Üben geht es um’s Können und um’s bessere Können. Die Übung ist ein faszinierendes Phänomen, eine gleichermaßen elementare wie komplexe Lernform und eine kulturelle und soziale Praxis – man denke nur an die meditativen Übungen des Zen, die antiken Askesen, die christlichen Exerzitien oder das militärische Exerzieren.

Pädagogische Übung
Praxis und Theorie einer elementaren Lernform
Malte Brinkmann
Verlag Ferdinand Schöningh

http://www.new-ebooks.de/ebooks/23523

Geübt werden leibliche Lebens- und Weltvollzüge wie Gehen und Sprechen genauso wie kulturelle Fertigkeiten und Fähigkeiten künstlerischer, sportlicher, handwerklicher und geistiger Art. Geübt werden aber auch individuelle Haltungen und Einstellungen wie Konzentration und Disziplin. Ja, man kann sagen, dass der Mensch sich und seinem Leben übend eine Form gibt.
Bei meinen eigenen Übungen habe ich oft am eigenen Leib erfahren, wie schwer es ist, Enttäuschungen, Fehler und Scheitern auszuhalten. Denn geübt wird immer dann, wenn man „es“ noch nicht kann. Bald habe ich erkannt, dass sich in diesem Nicht-Können und in diesen negativen Erfahrungen die Chancen des Übens verbergen – im Üben eröffnet sich ein Spielraum, in dem sich die produktiven und kreativen Potenziale dieser faszinierenden Lernform zeigen.
Zu Beginn meiner Untersuchung war ich zunächst mit einer Vielzahl von Fragen und Problemen konfrontiert: Was zeichnet die Praxis und den Prozess des Übens aus? Welche Erfahrungen werden im Üben „gemacht“? Was kann man üben, was nicht? Welche Methoden und Modelle sind nützlich? Wie lassen sich erworbenes Können, geübte Einstellungen und Habitualisierungen umüben? Und als Lehrer und Erziehungswissenschaftler stellte sich mir die Frage: Wie lässt sich die Übung pädagogisch-didaktisch inszenieren?