Wurden auch Sie schon einmal gebecot? –Wie man auf legale Weise illegitime Vorteile erreicht

Was soll ich vielleicht auch schon einmal sein? werden Sie vielleicht fragen. „Gebecot“ ist eine neue Wortschöpfung; die der Entwicklung der Moral in unserem schönen Kapitalismus entsprungen ist, der wenige immer reicher und viele immer ärmer macht. Nach angelsächsichem Vorbild hat der Mensch der Wirtschaft (d.h. dem Profit) zu dienen und nicht etwa die Wirtschaft dem Menschen.

Das neue Wort bedeutet „illegitime Abzocke mit legalen Mitteln“. Gebecot wird jemand, wenn er zum Beispiel legaler Verbrauchertäuschung zum Opfer fällt, oder wenn er mit formaljuristischen Kniffen und Tricks legal übervorteilt wird. Sprache lebt ja bekanntlich und paßt sich dem Wandel des sozialen Lebens an. Neue Ideen und neue Erscheinungen finden dadurch auch ihren sprachlichen Ausdruck. Das gilt zum Beispiel auch für „Beutekapitalismus“ und „Lobbydemokratur“, die schon länger in den deutschen Sprachschatz eingegangen sind.

Gebecot fühlen sich Kunden des Reiseveranstalters Gebeco, eines Beteiligungsunternehmens der TUI AG. Das kam so:

Die Kunden buchen auf Anraten von Gebeco für ihre Fern-Studienreise zusätzlich zum Reisepreis von 5.990 Euro noch einen Zubringerflug für 250 Euro pro Person. Der Flug wird kurz vor Reiseantritt gestrichen, so daß die Anschlußflüge nicht erreicht werden. Lufthansa stellt Umbuchungen gar nicht bzw. nur teilweise für zwei Tage später in Aussicht. Gebeco, von den Kunden unverzüglich telefonisch informiert, bleibt untätig. Die Kunden fordern deshalb den Reisepreis zurück. Gebeco weigert sich. Der eingeschaltete TUI-Vorstand reagiert zuerst gar nicht, nach Anmahnung durch die Kunden dann mit einem nichtssagenden (Form-?)Schreiben. Die Kunden schalten einen Anwalt ein und bieten Gebeco an, die Reise zu einem anderen Zeitpunkt nachzuholen. Alternativ fordern sie den Reisepreis zurück. Geboco lehnt beides ab und ist sich wohl schon sicher, das Geld der Kunden ohne Gegenleistung behalten zu können. Als die Kunden Monate später klagen, behauptet der Reiseveranstalter, die Reise hätte problemlos auf einer anderen Route durchgeführt werden können. Das nach üblichem Standard des Qualitätsmanagements von dem Telefongespräch der Kunden mit Gebeco anzufertigende Protokoll kann (oder will, weil es von Nachteil wäre?) Gebeco nicht vorlegen. So können die Kunden nicht beweisen, daß sie Gebeco eine Frist zur Abhilfe gesetzt haben; ein formaljuristischer Nachteil. Auch die Widerlegung der dreisten Behauptung Gebecos, die Flüge hätten problemlos umgebucht werden können, ist den Kunden nicht möglich. So müssen die Kunden nicht nur auf die Reise verzichten, sondern werden auch noch um ihr Geld gebracht. Von ihren beträchtlichen zusätzlichen Aufwendungen gar nicht zu reden.

Der Fall führt zu einem Antrag auf der Hauptversammlung der TUI AG im Februar 2012, dem Vorstand die Entlastung wegen der Verletzung der Pflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters zu verweigern. Bei den anwesenden Aktionären findet der Antrag großen Beifall und Unterstützung. Der Großaktionär und die Vertreter der Depotbanken stecken ihre Köpfe jedoch in den Sand und stimmen wie üblich für die Entlastung. Der Vorstandsvorsitzende der TUI AG, Dr. Frenzel, hat sich nach der unwiderleglichen Präsentation dieses für den Konzern blamablen Falles von Kunden-Mißmanagement durch die Geschäftsführung der Tochter Gebeco und der bei TUI für diese Beteiligungsgesellschaft Verantwortlichen auf der Hauptversammlung bei den Kunden zwar entschuldigt und versprochen, sich des für Gebeco und TUI blamablen Vorgangs anzunehmen. Den Worten folgten allerdings trotz freundlicher Erinnerung durch die Betroffenen keinerlei Taten.

Daß weder Dr. Frenzel noch die Gebeco-Geschäftsführer Steinweg und Bohlander sich rühren, liegt vermutlich nicht (nur) an mangelhaften Umgangsformen. Soziale Kompetenzen verbessern sich ja leider nicht proportional zum Einkommen. Vielmehr läßt es vermuten, daß der TUI-Vorstand die praktizierte miese Kundenbehandlung durch die Verantwortlichen ihrer Beteiligungsgesellschaft billigt. Logisch weiter gedacht toleriert der TUI-Vorstand damit potentiell geschäftsschädigendes Verhalten der Gebeco-Geschäftsführung und praktiziert es dadurch auch für den TUI-Konzern. Denn es ist nicht zu verhindern ist, daß der Vorgang einer ständig wachsenden Zahl möglicher Kunden bekannt wird und sie möglicherweise von einer Buchung bei Gebeco (und vielleicht auch anderen TUI-Beteiligungen) abhält. Da dies auch dem TUI-Vorstand bekannt ist – er wurde auf der Hauptversammlung explizit darauf aufmerksam gemacht – könnte man folgern, der Vorstand nähme die Schädigung des Vermögens der Aktionäre der TUI AG billigend in Kauf. Das dürfte die Aktionäre nicht erfreuen und könnte Thema auf der nächsten Hauptversammlung sein. Dann könnte auch noch der Aufsichtsrat in den Focus dieses Falles rücken. Schließlich ist der dazu da, dem Vorstand auf die Finger zu sehen.

Fest steht aber jetzt schon: Die Geschäftsführungen von Gebeco/TUI werden mit diesem Horror-Beispiel von Kundenmißhandlung auf jeden Fall in die Managementgeschichte eingehen.

Gebeco/TUI ist zu einem Paradebeispiel miserablen Qualitätsmanagements und abscheulicher Kundenbehandlung geworden. Die Dokumentation dieses Falles ist als negatives Lehrbeispiel für die Managementschulung bereits in 3. erweiterter Auflage erschienen. Vielleicht wird „gebecot“ zu einem Synonym für kundenfeindliches Verhalten, für legale Abzocke, die sich dieser Reiseveranstalter mit Rückendeckung durch den TUI-Konzern geleistet hat, als sei es das Selbstverständlichste im Umgang mit Kunden.

Es wird heutzutage leider Mode, alles das als legitim zu betrachten, was legal möglich ist, auch wenn es moralisch noch so stinkt und jedes ehrenhaften Geschäftsmannes unwürdig ist. Das ist aber weder zu entschuldigen noch zeugt es von wirtschaftlicher Weitsicht. Aber das Verantwortungsbewußtsein für nachhaltige Ertragskraft eines Unternehmens und sichere Arbeitsplätze geht im Zeitalter des Beutekapitalismus offensichtlich verloren. Manager-Nomaden sind am kurzfristigen Erfolg und an der Maximierung ihrer Einkommen und Pensionsansprüche interessiert. Im Falle Dr. Frenzel sind es über drei Millionen Euro jährlich. Was langfristig aus dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern wird, wenn die Kunden mit den Füßen abstimmen, ist solchen Managern augenscheinlich gleichgültig.

Warum können sich Manager von Publikumsaktiengesellschaften ein solches, langfristig für die Unternehmen verheerendes Verhalten leisten? Ganz einfach: Großaktionäre steuern selten gegen solche Mißstände. Kleinanleger sind machtlos. Für Zocker sind Unternehmen sowieso nur Objekte für Wettspiele. Die Manager-Nomaden dieser Großunternehmen werden so gut wie ausschließlich von Bankmanagern kontrolliert, die aus dem gleichen Holz geschnitzt sind wie sie. Dr. Frenzel scheidet jetzt aus dem Vorstand der TUI-AG aus, obwohl sein Vertrag erst Mitte des Jahres verlängert wurde – auf eigenen Wunsch wie es heißt. Sehen wir mal, ob sein Nachfolger, Friedrich Joussen, es besser macht.

Daß unzufriedene Kunden einem Unternehmen außerordentlich teuer zu stehen kommen, zeigt sich meistens erst mit Verzögerung. Die resultierenden Kosten schlagen sich nämlich nur indirekt in den Gewinn- und Verlustrechnungen sowie in den Bilanzen nieder, während kurzfristige Einsparungen auf Kosten von Kunden und Mitarbeitern ein sofort sichtbares positives Trugbild in den Zahlenwerken hinterlassen. Besserung verspricht nur ein konsequentes Dagegenhalten der Kunden. Sie dürfen nicht den Kopf einziehen, wenn sie gebecot werden, sondern müssen sich wehren. Nur dann wird man sie so behandeln, wie es ihnen als Kunden zusteht.

Die Fallstudie „Qualitätsmanagement in der Praxis - Wenn Kunden sich als Beuteopfer fühlen - ein “Reise”-Erlebnis mit Gebeco/TUI“, ist in 3. erweiterter Auflage bei READ – Rüdenauer Edition Autor Digital erschienen (ISBN 978-3-943788-07-5) und in allen guten (Internet-)Buchhandlungen erhältlich. Selbstverständlich auch beim Verlag (www.read.ruedenauer.de) direkt.

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