Anwaltskammer veranstaltet Podiumsdiskussion mit Professor Dr. Michael Buback zum Thema „Legitimer Rechtsbruch durch den Staat!?

Rechtsanwaltskammer Koblenz. „Legitimer Rechtsbruch durch den Staat!?“ – über dieses Thema diskutierten am 20.10.2011 im Erbacher Hof in Mainz Professor Dr. Michael Buback, Sohn des Generalbundesanwalts Siegfried Buback, Rainer Griesbaum, stellvertretender Generalbundesanwalt und Leiter der Terrorismusabteilung, Christoph Schallert, Fachanwalt für Strafrecht in Mainz und Dr. Reinhard Müller, politischer Redakteur der F.A.Z., verantwortlich für die Seite "Staat und Recht". Moderiert wurde die Veranstaltung von Justizrat Professor Dr. Franz Salditt, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht aus Neuwied.

Zunächst einmal waren sich alle Teilnehmer auf dem Podium einig: Es darf keinen Rechtsbruch durch den Staat geben. Doch bei der Definition scheint es feine Nuancen zu geben, wie uns die Wirklichkeit lehrt.

Wird die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker besonders geschützt, weil sie eine Informantin des Verfassungsschutzes war? Führen Kronzeugenregelungen zu einer gefährlichen Asymmetrie in unserem Rechtssystem und darf der Staat unrechtmäßig erworbene Steuer-CDs für Ermittlungsmaßnahmen nutzen? Wie weit darf der Staat gehen, um sich selbst und seine Bürger vor Verbrechen und Betrügerei zu schützen?

Bei all diesen Fragen sitzt die Judikative „zwischen den Stühlen“. Zum einen ist „die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden“ (Art. 20, III GG), zum anderen ist der Staat verpflichtet diese Gesetze und Rechte zu schützen.

Im Fall der Steuer-CDs wurde diskutiert, ob der Ankauf eines gestohlenen Datenträgers durch den Bundesnachrichtendienst nicht selbst ein krimineller Akt sei. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses zwar in seinem Urteil vom 9. November 2010 verneint, jedoch muss sich die Regierung die Frage gefallen lassen, ob sie mit dem Ankauf dieser CDs nicht einen Markt für Datendiebe geschaffen hat. Christoph Schallert wirft ein, wir müssten aufpassen, dass es uns nicht so gehe, wie dem Zauberlehrling, der die Geister, die er rief nicht mehr los wird. Die Bundestagsparteien sind gespalten und Datenschützer sehen das Recht auf Schutz von Geheimnissen bedroht. Gibt es einen Unterschied zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Rechtsbruch und kann der Staat nur dann Datenschutz garantieren, wenn ihm dadurch keine fiskalischen Nachteile entstehen?

Ein weiterer Fall, bei dem der Verfassungsschutz eine kontroverse Rolle einnimmt, ist der Mord am ehemaligen Bundesgeneralanwalt Siegfried Buback. Verena Becker gilt seit 1977 als Hauptverdächtige, denn vier Wochen nach der Tat wurde sie von der Polizei festgenommen und war dabei im Besitz der Tatwaffe. Mehrere Augenzeugen sprechen von „einer zierlichen Frau“ auf dem Soziussitz des Motorrads, von dem die tödlichen Schüsse abgefeuert wurden. Der Sohn des Ermordeten, Michael Buback, behauptet, dass der deutsche Geheimdienst mit Becker schon seit 1972 eine Informantin in den Reihen der RAF hatte, die von den Mordplänen an Siegfried Buback wusste.

Konnte sich Becker einer „schützenden Hand“ unter den Strafverfolgern erfreuen, obwohl sie höchstwahrscheinlich am Mord des Generalstaatsanwalts beteiligt war? Einige sprechen von haltlosen Verschwörungstheorien während andere die Grundfesten des deutschen Rechtsstaats erschüttert sehen.

Der Moderator Franz Salditt erklärt, dass es zwischen Verfassungsschutz und Ermittlungsbehörden eine Grenze wie die Chinesische Mauer gebe. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde im Jahr 1950 von den Alliierten gegründet. Man wollte verhindern, dass die noch junge Demokratie von extremistischen Bewegungen geschwächt oder gar zerstört wird. Die sogenannte „Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten" sollte ein Frühwarnsystem sein. Damals wurde als Reaktion auf die Erfahrungen mit der Gestapo auch das Trennungsgebot zwischen geheimdienstlicher und polizeilicher Tätigkeiten formuliert. Doch Michael Buback wendet ein, auch eine chinesische Mauer sei überwindbar und die Grenze zwischen Verfassungsschutz und Polizei sei mehr als porös. Manchmal würden Informationen weitergeleitet und von den Ermittlungsbehörden zur Verfolgung von Straftaten genutzt und manchmal nicht. Nach welchen Regeln die Grenzen geöffnet werden, sei ihm jedoch nicht klar. Im Fall Siegfried Buback hatte der Verfassungsschutz Kenntnis über einen dreifachen Mord. Diese Informationen gingen auch an die Bundesanwaltschaft, aber nichts sei geschehen. Es seien Akten verschwunden, es wurden Vermerke gemacht und heute nach Öffnung eines Teils der Akten ist nicht mehr unterscheidbar, was Dichtung und was Wahrheit sei. Hier haben einige Wenige darüber entschieden, was als wahr gelten soll. Dies sei ein Skandal, nicht nur für die Opfer, sondern für die gesamte Öffentlichkeit. Rainer Griesbaum antwortet, die Bundesanwaltschaft habe größtes Verständnis für die Situation Bubacks. Doch der Verfassungsschutz muss selbst entscheiden können, wann er Informationen weiter gibt. Er könne dies beispielsweise nicht, wenn ein Informant in Gefahr sei oder der Staat selbst. Dass der Verfassungsschutz bei genauem Hinsehen eigentlich sich selbst und mit der Auswahl der Informationen, die er an die Ermittlungsbehörden weiter gibt oder auch nicht, auch das gesamte Ermittlungsverfahren kontrolliert, elektrisiert Salditt. Und nun wird auch dem Publikum ein wenig mulmig.

Die Rechtsanwaltskammer Koblenz vertritt die Rechtsanwälte der Landgerichtsbezirke Bad Kreuznach, Koblenz, Mainz und Trier.

Pressekontakt der Rechtsanwaltskammer Koblenz:
Schott Relations Hamburg GmbH
Andrea Zaszczynski
Wrangelstraße 111
20253 Hamburg
Telefon: 040-41 32 70 0
Fax: 040-41 32 70 70
info(at)srh-pr.de
www.schott-relations-hamburg.de


Über Schott. PR International Public Relations GmbH