Sexualisierte Gewalt zerstört eine Familie

Sexualisierte Gewalt zerstört eine Familie – Brigitte Winkel stellt das Buch „Die Prinzessin vom Leuchtturm“ von Viktoria Grantz vor.

Schon kurz nach 19 Uhr am Freitag, den 16. April 2010 füllt sich Gretels Lesestube im Restaurant Dobbendeel in Bad Bederkesa. Pünktlich um 19.30 Uhr beginnt Frau Brigitte Winkel mit der Vorstellung des Buches „Die Prinzessin vom Leuchtturm“ von Viktoria Grantz. Gekonnt führt sie ihre Gäste durch eine abenteuerliche Familiengeschichte.

Am Anfang des Buches wird die Liebesgeschichte von Christa und Heinrich beschrieben, die sich in den frühen 1950er Jahre kennen lernen. Christa arbeitet als Postbotin in einem Dorf hinter dem Deich zwischen Cuxhaven und Hamburg. Oft muss sie gegen Regen und Sturm ankämpfen, um Päckchen und Briefe zustellen zu können. Sie lebt allein und verspürt eigentlich keine Lust dazu, sich zu binden. Erst als ein neuer Kollege zu ihrem Team dazu stößt, ändert sich langsam ihre Meinung und sie verliebt sich nach und nach.

Heinrich ist ihr Chef und ein lieber Mensch, der Christa liebevoll umwirbt, ohne zu fordern. Ganz vorsichtig beginnt diese Liebesgeschichte. Mal fahren sie mit seinem Motorrad zum Strand, mal lädt er sie zum Essen ein. Nach Verlobung und Hochzeit wollen sie eine Familie gründen und Andrea lässt nicht lange auf sich warten.

Das Mädchen entwickelt sich sofort zum Sonnenschein der Familie. Nach einem schweren Sturm, der ihr Haus beschädigt und viele Gebäude im Umkreis fast dem Erdboden gleichmacht, entschließen sie sich, einen Leuchtturm zu kaufen, weil Christa der Meinung ist, dieses Gebäude wird allen Stürmen der Welt trotzen.

Während eines Besuches bei der Großmutter wird Andrea zum ersten Mal von zwei zwölfjährigen Nachbarsjungen missbraucht. Obwohl Christa die Zeichen erkennt, will sie daran glauben, es sei nichts geschehen. Ein paar Monate später wiederholt sich der Übergriff. Diesmal lässt sie sich nicht von ihrem Wunschdenken beeinflussen und befragt ihre Tochter. Die gibt freimütig zu, dass die Jungen an ihr herumgefingert hätten. Als Heinrich davon erfährt, ist er außer sich und stellt die Jungen zur Rede. Diese streiten alles ab.

Eines Tages erhält Heinrich Besuch von seinem Chef. Der erklärt ihm unumwunden, dass er von einem ehemaligen Kegelbruder über die Missbrauchsanschuldigungen informiert worden sei und fordert Heinrich auf, sich beim Vater der Jungen zu entschuldigen. Heinrich lässt sich nicht beirren. Das führt dazu, dass er versetzt wird und im weit entfernten Köln Briefe sortieren muss.

Da Christa und Heinrich während eines Italienurlaubs auf die Idee gekommen sind, Zimmer an deutsche Urlauber zu vermitteln, weiten sie dieses Geschäft aus und nehmen sogar noch Spanien mit ins Programm. Dadurch bekommt Heinrich die Möglichkeit, weiterem Mobbing aus dem Weg gehen und kann bei der Post kündigen. Ihr kleines Reisebüro läuft gut, hat aber den Nachteil, dass sie immer mal wieder verreisen müssen, um mit Vermietern im Süden zu verhandeln.

Während dieser Auslandsaufenthalte wird Andrea, die bei der Oma übernachten muss, immer wieder missbraucht. Da sie aber erkannt hat, dass ihr Vater nicht in der Lage ist, etwas gegen die Jungen zu unternehmen, schweigt sie, um ihren Eltern nicht noch mehr Ärger zu bereiten.

Obwohl Christa und Heinrich immer wieder mit ihrer Tochter reden, erzählt diese nichts von den Übergriffen. Als Andrea älter wird, kann sie ihren psychischen Druck nur noch mit Alkohol und Drogen einigermaßen im Zaum halten. Um den ständig steigenden Konsum finanzieren zu können, fängt sie an zu stehlen. Als das nicht reicht, gleitet sie immer mehr in die Prostitution ab. Sie mietet sich sogar heimlich eine Garage, um einen Raum zu haben, in dem sie ihr Diebesgut lagern und ab und zu untertauchen kann. Christa und Heinrich haben den Zugang zu ihr nun vollends verloren. Andrea lässt niemanden mehr an sich heran und ist jetzt ständig auf der Flucht vor ihren Eltern und der Polizei. Eines Tages sucht sie nach vielen Monaten zum ersten Mal wieder den Leuchtturm auf und es kommt zu einem abenteuerlichen Finale.

Nachdem Brigitte Winkel mit viel Applaus verabschiedet wurde, stellt sich der Autor, Herausgeber und Lebensberater Hans Georg van Herste den zahlreichen Fragen des Publikums. Selbst Missbrauchsopfer, erklärt er ausführlich, was in einem missbrauchten und alleingelassenen Opfer vor sich gehen kann. Die Ohnmacht, gegen Anfeindungen nichts ausrichten zu können, hat er selbst am eigenen Leibe verspüren müssen, als er vor ein paar Jahren Kirchenmitarbeitern auf die Spur kam, die sexualisierte Gewalt ausübten und Angst vor Entdeckung hatten. Wegen seines großen Bekanntheitsgrades blieb es nicht bei übler Nachrede. Nein, sogar ein Film wurde gedreht, indem er als böser Sektenführer bezeichnet wurde, der arme, unschuldige Frauen in seine Sex-Sekte lockt. Diese völlig aus der Luft gegriffene Behauptung kostete ihn viel Geld und noch mehr Patienten, ohne dass er sich allerdings von seinem Weg abbringen ließ. Erst gegen 22 Uhr löste sich nach einer langen Diskussion die Runde auf.

Die Besucher, die extra aus Neu-Wulmsdorf, Bremervörde und Hannover angereist waren, erklärten einhellig, dass sie immer wieder erstaunt seien, wie viel Macht die Kirche nach wie vor hat und wie groß die Lobby der Täter ist.

Buchtipp
Viktoria Grantz – Die Prinzessin vom Leuchtturm – ISBN: 9783837069556 – 116 Seiten – 8,80 Euro

Veranstaltungstipp
Am 28. Mai 2010 wird Hans Georg van Herste im Dobbendeel sein Buch „Die Kaputtmacher“ vorstellen, in dem er seine Erfahrungen als Verleumdungsopfer in einem packenden Roman verarbeitet hat.

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