Wie viel darf’s sein?

Abgeordneten-Bestechung immer noch straffrei.

Ein Beamter, der Geld oder eine geldwerte Leistung annimmt, ist dran. Wegen Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme. Ein Richter genauso. Und wer es unternimmt, einen Amtsträger durch Geschenke gewogen zu stimmen, wird ganz schnell wegen Bestechung bestraft. Jede Zuwendung, die über einen Blumenstrauß oder ähnlich Geringwertiges hinausgeht, ist verboten und wird streng geahndet. Genauso muss es auch sein. Schließlich leben wir ja nicht in einer Bananenrepublik.

MERKWÜRDIGE „KONTAKTPFLEGE“

Was für Amtsträger selbstverständlich ist, gilt für eine wichtige Personengruppe nicht: Die Parlamentarier. Das trifft auf Bundestagsabgeordnete ebenso zu wie auf Landtagsabgeordnete und auch auf die Mitglieder von Kommunalparlamenten wie dem Stadt- oder Gemeinderat. Diese Damen und Herren dürfen ohne Skrupel Geschenke entgegennehmen. Wie wäre es mit einem kleinen Brillantring für die Dame? Oder besser einen Pelzmantel? Und wie wäre es mit einem neuen schicken Sportflitzer für den Herrn? Oder einer geschenkten Urlaubsreise für den Abgeordneten samt ganzer Familie in die Karibik? „Kontaktpflege“ nennt man so landläufig. „Anfüttern“ sagt dazu der Jurist. Einerlei, wie man es nennt: In Deutschland ist das vollkommen legal.

Nur eine winzige Kleinigkeit gilt es zu beachten: Seit ein paar Jahren, genauer seit 1994, gibt es in Deutschland das Verbot des Stimmenkaufs von Abgeordneten (früher war auch das bei uns erlaubt). Man darf also nicht sagen: „Ich gebe dir 10.000 Euro, und dafür stimmst du in der Abstimmung am Soundsovielten so ab, wie ich es dir sage.“ Juristisch korrekt heißt es vielmehr: „Ich gebe dir 10.000 Euro, und dafür denkst du über meine Situation einmal in Ruhe nach.“ In der Bundesrepublik hat es bezeichnenderweise bisher nur einen einzigen Fall gegeben, in dem ein (kommunaler) Abgeordneter wegen Stimmenverkaufs verurteilt wurde. Wer einfach nur lächelnd Geschenke entgegennimmt, bleibt straffrei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

Wie schön, dass Abgeordnete, die sich kärglich entlohnt fühlen, auf diese Weise ein kleines Zubrot verdienen können. Das heißt natürlich nicht, dass Parlamentarier mehrheitlich käuflich seien. Doch zumindest der Wunsch, die Gesetzeslücke fortbestehen zu lassen, scheint bei einer Reihe von Volksvertretern zu bestehen. Denn alle Versuche, die Bestechung von Abgeordneten in Deutschland über den Stimmenkauf hinaus unter Strafe zu stellen, sind im Sand verlaufen. Dazu bedürfte es eines Gesetzes. Und dieses wird von Abgeordneten gemacht. Oder eben auch nicht.

WERTUNGSWIDERSPRUCH

Dabei hat es in der Vergangenheit schon mehr als genug Anstöße gegeben, diesen seltsamen Wertungswiderspruch zwischen strafbarer Beamten- und strafloser Abgeordnetenbestechung (außer im Fall des Stimmenkaufs) zu beseitigen. Der Bundesgerichtshof beispielsweise hat in einem Urteil vom 9.5.2006 mit allem Nachdruck auf einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf hingewiesen. In dem fraglichen Urteil hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung verschiedener kommunaler Abgeordneter wegen Bestechlichkeit und Vorteilsannahme aufgehoben. Diese Stadtratsmitglieder hatten sich massiv schmieren lassen. Sie hatten gerne und reichlich allerlei „Wohltaten“ entgegengenommen. Doch dieses „Anfüttern“, dieses generelle Gewogenmachen durch Geschenke aller Art, ist laut Gesetz, wie der Bundesgerichtshof bedauernd feststellt, auch für kommunale Abgeordnete straffrei, sofern sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.

Wörtlich heißt es in der Urteilsbegründung: „Die gesetzliche Regelung der Abgeordnetenbestechung führt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dazu, weite Teile von als strafwürdig empfundenen Manipulationen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen straflos zu stellen. Der Senat sieht hier gesetzgeberischen Handlungsbedarf: In allen anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens hat das gewandelte öffentliche Verständnis einer besonderen Sozialschädlichkeit von Korruption zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit von korruptivem Verhalten geführt. Diese Entwicklung ist bislang an dem Tatbestand der Abgeordnetenbestechung vorbeigegangen … Im Zusammenhang mit der ohnehin aufgrund internationaler Abkommen notwendigen Modifizierung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung sollte der Gesetzgeber deshalb nach Auffassung des Senats für entsprechende Abhilfe sorgen.“

Deutlicher geht es kaum. Hinzu kommt: Seit dem 16. September 2005 ist die UN-Konvention gegen Korruption (United Nations Convention Against Corruption, kurz UNCAC) in Kraft. Sie wurde von 140 Nationen unterzeichnet, darunter auch von der Bundesrepublik Deutschland. Über 100 Nationen haben die Konvention mittlerweile ratifiziert, das heißt in Kraft gesetzt. Darunter sind Staaten wie China, Südafrika, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Polen, Spanien, Schweden und USA. Österreich hat die Konvention am 11. Januar 2006 ratifiziert. Die entsprechende Anpassung der innerstaatlichen Rechtslage erfolgte in Österreich zum 1. Januar 2008. Seitdem ist die Abgeordnetenbestechung in Österreich gemäß § 304a StGB strafbar. In der Schweiz wurde die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Bestechung mit einer Botschaft des Bundesrates vom 21. September 2007 eingeleitet.

HERZLICH WENIG INTERESSE

Und die Bundesrepublik? Fehlanzeige! Wegen der fehlenden Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung hat Deutschland die UN-Konvention gegen Bestechung noch immer nicht ratifiziert. Denn diese verlangt eine Gleichbehandlung von Mitgliedern der Gesetzgebungsorgane oder kommunaler Volksvertretungen mit Amtsträgern, das heißt Beamten und Richtern. Weder die rot-grüne noch die schwarz-rote Koalition haben es fertig gebracht, einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu verabschieden. Und auch die gegenwärtige schwarz-gelbe Koalition zeigt herzlich wenig Interesse an einer Änderung der Situation. Allein die Fraktion der Linken hat mittlerweile einen „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung“ auf den Tisch gelegt.

Es kommt noch toller: Seit dem 15. Februar 1999 hat Deutschland die OECD-Konvention gegen Bestechung ausländischer Amtsträger ratifiziert. Diese Konvention verpflichtet die Teilnehmerstaaten, strafrechtliche Maßnahmen gegen Bestechung ausländischer Amtsträger (darunter auch Abgeordnete) vorzuschreiben. In Umsetzung dieser Konvention hat Deutschland die Bestechung ausländischer Abgeordnete durch das „Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung“ unter Strafe gestellt. Damit ergibt sich die irrwitzige Situation, dass seit nunmehr über 10 Jahren die Bestechung ausländischer Abgeordnete in Deutschland strenger geahndet wird als die Bestechung einheimischer Abgeordneter. Diese Privilegierung inländischer Parlamentarier ist durch nichts zu rechtfertigen und eines Rechtsstaats unwürdig.

Der bekannte Parteienkritiker Prof. von Arnim hat schon vor Jahren gewarnt: Die Tolerierung von politischer Korruption schwächt nicht nur die Bekämpfung von Korruption in Verwaltung und Wirtschaft. Sie begründet auch die Gefahr, dass eine Rechtsordnung, die es versäumt, ihre Rechtserzeuger gegen Korruption zu sichern, kraft innerer Logik allmählich selbst ihre Legitimation verlieren muss. In der Tat: Wenn der Staat von seinen Bürgern korrektes Verhalten einfordert, dann sollten die Abgeordneten mit gutem Beispiel vorangehen. Im Schlussdokument des G-8 Gipfels von Heiligendamm (7. Juni 2007), das unter deutschem Vorsitz verabschiedet wurde, hat sich Deutschland nicht nur verpflichtet, die UN-Konvention gegen Korruption umzusetzen, sondern auch zusammen mit den anderen G8-Staaten „beispielgebend“ bei der Bekämpfung der Korruption zu sein.

Wir warten darauf!

Dr. Petersen


Über DSZ-Verlag

Benutzerbild von DSZ-Verlag

Nachname
DSZ-Verlag

Adresse

www.national-zeitung.de

Postfach 60 04 64
81204 München

Telefon +49 89 89 60 850
Telefax +49 89 83 41 534
E-Mail info@dsz-verlag.de

Homepage
http://www.national-zeitung.de

Branche
Zeitung