Kommunikative Verständigung als Gewaltersatz? „Gewalt und Kommunikation“ ist jetzt bei Shaker erschienen

Essen, den 22.12.2009. Die Reihe Essener Studien zur Semiotik und Kommunikationsforschung begrüßt mit Julia Dörings Publikation „Gewalt und Kommunikation“ ihren 29. Band, der nun beim Shaker Verlag erschienen ist. In der Neuerscheinung beschäftigt sich die Autorin mit der Beziehung von Gewalt und Face-to-face-Kommunikation im Rahmen erfahrungstheoretischer und kommunikationsanalytischer Betrachtungen.

In einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Gewaltbegriff und dessen Struktur geht Julia Döring in ihrem Buch auf 143 Seiten Fragen zu verbalen Verletzungen, eingeschränkten Rederechten und subtilen Drohungen nach und zeigt auf, inwiefern Gewalt und Kommunikation keine entgegengesetzten Erscheinungen, sondern bis ins Kleinste miteinander verwobene Phänomene sind. Vor diesem Hintergrund interessiert sie vor allem, wie die Möglichkeiten, in Kommunikationsprozesse eindringende Gewaltformen zu reduzieren, zu bewerten sind. Die Konfliktlösungsmethode der „Gewaltfreien Kommunikation“ (GFK) nach Marshall B. Rosenberg fungiert dabei als Prüfstein. Denn die bewertungsfreie und bedürfnisorientierte Sprache gemäß dem GFK-Modell verspricht Anwendern einen gewaltfreien kommunikativen Umgang ohne manipulierende Machtverhältnisse oder verletzende Worte. Beziehungsorientierte Äußerungen, auf moralische Urteile verzichtende Beobachtungen sowie gegenseitige Wertschätzung für die jeweils fremden Bedürfnisse sollen dabei helfen, Konflikte gewaltfrei zu lösen und zu Win-win-Situationen aller Beteiligter führen.

Dass gewaltlose Absichten sowie eine kritik- und bewertungsfreie Sprache jedoch gar nicht ausreichen können, um kommunikative Gewaltverhältnisse und -erfahrungen zu verhindern, legt Julia Döring durch kommunikationstheoretische Überlegungen und anschauliche Beispiele dar. So zeigt die Autorin unter anderem auf, inwiefern sich jedes faktische Gespräch dem Ideal eines herrschaftsfreien Dialogs nur annähren kann oder selbst die gewaltlosesten Kommunikations¬intentionen andere zutiefst verletzen. Immer im Blickfeld behält sie dabei übergeordnete Handlungszusammenhänge und -zwecke, in die Gespräche eingebettet sind, da durch sie bereits Möglichkeiten und Grenzen „gewaltfreier“ Kommuni¬kation festgelegt werden.

Mit sowohl kommunikativen als auch extrakommunikativen Betrachtungen bietet Julia Döring in ihrem Buch eine umfassende Darstellung verschiedener Gewaltdimensionen in und durch Kommunikation, welche vor dem Hintergrund der bislang sehr einseitig orientierten Forschung einen innovativen Beitrag leistet und eine Vielzahl von Anschlussmöglichkeiten bietet. Die Neuerscheinung ist bereits der 29. Beitrag der Buchreihe Essener Studien zur Semiotik und Kommunikationsforschung, welche vor dem institutionellen Hintergrund des Instituts für Kommunikationswissenschaft von Prof. Dr. H. Walter Schmitz, Prof. Dr. Achim Eschbach sowie Prof. Dr. Jens Loenhoff herausgegeben und von Shaker verlegt wird.

Robin A. Kurilla (MA)
Fachbereich Geisteswissenschaften
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Die Essener Kommunikationswissenschaft versteht sich als eine theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft, die sich mit kommunikativen Phänomenen in all ihren Ausprägungsformen beschäftigt. Sie grenzt sich darin explizit von namensgleichen, rein publizistischen oder medienwissenschaftlichen Studienangeboten in Deutschland ab, die sich vornehmlich auf massenmedial vermittelte Kommunikationen beschränken. Anders als diese Studiengänge befasst sich die Essener Kommunikationswissenschaft umfassend mit der Beschreibung, Analyse und Erklärung von kommunikativen Prozessen, aber auch mit den Verarbeitungsformen von Information und Wissen. Sie begreift kommunikative Prozesse als Sozialhandlungen der Kommunikationspartner, die nur unter Verlust ihrer Einheit in die einzelnen Teilhandlungen zerlegt werden können. Sie untersucht also den Kommunikationsprozess als einheitliches Geschehen, unabhängig davon, ob er mittels moderner Kommunikationstechnologien oder in Face-to-face-Situationen erfolgt, sie richtet sich sowohl auf die Voraussetzungen als auch auf die Struktur- und Funktionsmerkmale jedweder Form von Kommunikation. Die kommunikationswissenschaftliche Perspektive ist dabei grundsätzlich interdisziplinär. In sie gehen naturwissenschaftliche, aber vor allem geistes- und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse ein, insofern sie sich auf menschliche Kommunikationsformen in Kultur, Gesellschaft und Technik beziehen.