Israels Mann in Berlin

Dirk Niebel, FDP, Bundesminister.

So ungeniert agierte die Israel-Lobby in der deutschen Regierung noch nie. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) und stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe, lässt keine Gelegenheit aus, „um in Solidarität mit dem Staat Israel und seiner Bevölkerung zu wirken“, wie es die DIG-Leitsätze vorschreiben.

Niebels erste Reise soll ihn nach Afrika führen. Das brachte den „Tagesspiegel“ jetzt auf die naheliegende Frage: „Sie wollen in afrikanischen Ländern mit Israel gemeinsam Entwicklungsprojekte anstoßen. Warum mit Israel?“ Darauf Niebel: „Unter meiner Vorgängerin (Heidemarie Wieczorek-Zeul, SPD) lautete die Vorgabe, mit Israel nicht zu kooperieren. Ich sehe das komplett anders. Sie wissen, ich bin Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Es gibt keine Nation, die in Bewässerungstechnologie mehr Erfahrung hat als Israel. Es gibt wenige Nationen, die einen so guten Zugang zu muslimischen Staaten haben wie Deutschland. Wenn man beides kombiniert, helfen wir Menschen und haben auch einen Zugang, unsere Entwicklungszusammenarbeit in den palästinensischen Gebieten wieder intensiver aufzunehmen.“

„PALÄSTINENSERN DAS WASSER ABGEGRABEN“

Mal abgesehen davon, dass für Niebel alle Wege über Tel Aviv zu führen scheinen, ist seine Argumentation hochgradig unlogisch. Denn Deutschlands „guter Zugang zu muslimischen Staaten“ hat sich erledigt, wenn es im Doppelpack mit Israel auftritt, das in diesen Staaten, zurückhaltend ausgedrückt, wenig beliebt ist. Und zu der Erfahrung Israels „in Bewässerungstechnologie“ gehört es leider gerade, Palästinensern das lebensnotwendige Trinkwasser vorzuenthalten.

Der Hydrologe Clemens Messerschmid, der seit 1999 im Westjordanland lebt, urteilt daher: „Das Problem ist nicht, dass wir kein Wasser haben und das Problem ist nicht, dass wir kein Geld haben. Das Problem ist, dass es eine Besatzung gibt, die sagt: ‚Nein, ihr dürft nicht bohren.’ … Das Problem ist, dass den Palästinensern das gesamte Wasser abgegraben wird. Palästinenser haben nicht das Recht, hier zu bohren, haben nicht das Recht, lokale oder überregionale Wasserressourcen anzuzapfen, noch nicht einmal für ihren Hauswassergebrauch.“

Und das alles ist auch kein Geheimnis, sondern veranlasste zum Beispiel den ARD-Weltspiegel am 13. September 2009 zu dem Beitrag „Palästina: Wasser nur für Israelis?“ Clemens Messerschmid kritisierte darin auch die deutsche Politik, weil sie „sich nicht traut, politischen Druck auf Israel auszuüben, um diese Bohrgenehmigungen zu bekommen“. Und jetzt kommt Dirk Niebel und preist die israelische Wasserkompetenz. Zynischer geht es kaum.

„UNTER MÖLLEMANN GELITTEN“

Klar, dass Niebel an der israelkritischen Haltung des 2003 bei einem Fallschirmsprung zu Tode gekommenen FDP-Vizechefs Jürgen Möllemann Anstoß nimmt: „Ich war einer derjenigen Liberalen, die sehr früh und sehr laut dagegen protestiert haben. Ich hatte aber noch kein wichtiges Amt. Ja, ich gebe zu, ich habe darunter gelitten. Ich bin sehr froh, dass meine Partei deutlich gemacht hat, dass sie anders als damals Herr Möllemann in ihrer Gänze zur historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel steht.“

Sieht man sich Niebels Prioritäten an, klingt es wie eine Drohung, wenn er erklärt: „Wir wollen eine werteorientierte Entwicklungszusammenarbeit machen.“ Und: „Unsere Botschaft an Eliten, die ihre Aufgabe nicht ausfüllen, ist die Werteorientierung unserer Angebote. Wir schaffen damit Anreize, die gute Regierungsführung belohnt.“

Niebel war es, der noch im Wahlkampf verlangte, das Ministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit abzuschaffen. Von Entwicklungszusammenarbeit hat er so viel Ahnung wie zu Schulzeiten von Latein: ungenügend. Immerhin: Das eine Jahr, in dem er in Israel in einem Kibbuz lebte, habe seinen Horizont sehr erweitert, sagt Niebel. Während man in der Schule, wie

Niebel weiß, ohne Kenntnisse nicht in die nächste Klassenstufe vorrückt, gehen in der Politik die Uhren anders. Da zählt Vitamin B. Und jetzt kann der Mann schalten und walten und gleich mal – das war seine erste größere Amtshandlung – die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit China und Indien beenden. Man muss ja schließlich Schwerpunkte setzen.

Karl Diefenbach


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