Künstler erneut wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen auf der Anklagebank

Am 1. Dezember 2009 um 12:00 Uhr findet vor dem Amtsgericht Rinteln erneut eine Verhandlung wegen der Veröffentlichung eines amtlichen Schriftstücks eines Strafverfahrens statt. Die Staatsanwaltschaft Bückeburg wirft dem Künstler Tom Sack diesmal die Veröffentlichung der staatsanwaltschaftlichen Berufungsbegründung in der Strafsache wegen des auf Leinwand gemalten Staatsanwalts, des veröffentlichten Videos einer Hausdurchsuchung und der Veröffentlichung eines Durchsuchungsbefehls vor. Sack wurde am 31. März dieses Jahres wegen der ersten beiden Vorwürfe freigesprochen und wegen der Veröffentlichung des Durchsuchungsbefehls lediglich verwarnt.

Die Veröffentlichung von amtlichen Schriftstücken eines Strafverfahrens steht in Deutschland nach § 353d Nr. 3 StGB unter Strafe, wobei sich die unter dem Gesichtspunkt der Presse- bzw. Meinungsfreiheit umstrittene Norm im Abschnitt "Straftaten im Amt" des Strafgesetzbuchs befindet. Ferner ist Bedingung für eine Strafbarkeit, dass die Schriftstücke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind.

Tom Sack, der seine Öffentlichkeitsarbeit jedenfalls nicht als Amtsträger betreibt, kann nicht nachvollziehen, warum in seiner Veröffentlichung ein Unrecht liegen soll. Hierdurch seien weder die Rechte Dritter noch die Durchführung der noch ausstehenden Berufungsverhandlung in irgendeiner Weise betroffen. Es sei ein rechtsstaatlicher Grundsatz, dass Strafverfahren öffentlich und transparent stattfinden, gibt der Künstler zu bedenken. Seine Glaubwürdigkeit sei durch die gegen ihn laufenden Ermittlungen derart herabgesetzt, dass für ihn im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit manchmal eben nur die unverfälschte Wiedergabe von Originaldokumenten in Frage komme. In der veröffentlichten Berufungsbegründung gehe es schließlich um ihn als Künstler, es werde krampfhaft versucht, ihn zu kriminalisieren. So werde in der Berufungsbegründung die Strafbarkeit der Zurschaustellung des auf Leinwand gemalten Staatsanwalts beispielsweise damit begründet, dass dieser nicht in einer Robe dargestellt sei. "Das glaubt mir doch keiner, der es nicht selbst schwarz auf weiß gelesen hat", gibt sich Tom Sack erbittert. Die Argumente der Staatsanwaltschaft seien außerdem bereits in der Gerichtsverhandlung vom 31. März öffentlich vorgetragen worden, der Sinn und Zweck des rechtsstaatlich ohnehin fraglichen Veröffentlichungsverbots hier vollkommen verfehlt, so der Künstler.

Unterdessen ist weiter unklar wie es in den beiden großen Verfahren weitergeht, in denen Tom Sack "Kunstfälscherei im großen Stil" vorgeworfen wird. Die I. Große Strafkammer des Landgerichts Bückeburg hat zuletzt große Zweifel an der dort eingereichten Anklage geäußert. Ein Prozessauftakt am Berliner Amtsgericht Tiergarten ist nach Auskunft von Verteidiger Roman von Alvensleben frühestens Anfang 2010 zu erwarten, wobei auch in den dort angeklagten Fällen ein hinreichender Tatverdacht gegen seinen Mandanten in Frage stehe.


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Danke für den journalistischen Beitrag ... und das den "Hütern"

der Gerechtigkeit ein Spiegel vorgehalten wird! Diese Zivilcourage ist bewunderswert.
Die deutsche Justiz läuft schon seit längerem außerhalb jeder Kontrolle. Die Frage die sich stellt, ist, wie die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Auch hier macht sich eine Vertrauenskrise breit, die die Grundfesten unserer Demokratie erschüttern könnte. Hier noch weitere Beispiele: z. B. aus Spiegel-Online und von der Koblenz "CASINO-JUSTIZ" (Quelle: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,191226,00.html). Spiegel-Online bezeichnet das Landgericht Koblenz als "Das Monte Carlo der deutschen Strafjustiz". Weiter heisst es in dem Artikel: "Während das Drogenverfahren gegen zwei Mitangeklagte bereits beendet ist, muss sich Christoph Daum weiter gedulden. Vieles spricht für einen Freispruch des Fußballtrainers. Doch in Koblenz ist gar nichts sicher, sondern Merkwürdiges an der Tagesordnung.
Wäre es streng rechtsstaatlich zugegangen, hätte der vergangene Dienstag am Koblenzer Landgericht, es war der 27. Verhandlungstag im Kokain-Prozess gegen den Fußballcoach Christoph Daum und zwei Mitangeklagte, anders geendet.
Es war nämlich zu entscheiden über Befangenheitsanträge gegen den Berichterstatter Günter Hagenmeier, der sich am 7. März hinter dem Rücken seiner Mitrichter und der Staatsanwaltschaft mit zwei Daum-Anwälten außerhalb von Koblenz, an der Raststätte Peppenhoven-West (A 61), getroffen hatte. Obwohl Raststätten gewöhnlich Treffpunkte von höchstmöglicher Anonymität sind, kam die Sache doch heraus.
Aufgefordert, über den Inhalt des merkwürdigen mehrstündigen Gesprächs zu berichten, wand sich Hagenmeier: Es seien "neben persönlichen und allgemein beruflichen Themen" nur der Ablauf und Probleme des laufenden Verfahrens, im Besonderen den Angeklagten Daum betreffend, erörtert worden. Natürlich wollten die Verteidiger der Mitangeklagten mehr wissen. Es gab weitere Nachfragen. Hagenmeier stellte sich stur. Weitere Befangenheitsanträge drohten. Hagenmeier schwieg. Wäre es streng rechtsstaatlich zugegangen, hätte er aus der 1. Strafkammer ausscheiden müssen - zu sehr hatte sein Verhalten in letzter Zeit das Misstrauen von Daums Mitangeklagten geschürt (vom düpierten Vorsitzenden Ulrich Christoffel ganz zu schweigen). Wieso wurde zwischen den Dreien von der Tankstelle Vertraulichkeit vereinbart? Eine solche Vereinbarung gibt es nicht im Strafprozess. Was dürfen wir und die anderen Verfahrensbeteiligten nicht wissen? fragten sich die Mitangeklagten. Wurden Absprachen getroffen und wenn ja, welche? Wieso trifft sich der Richter heimlich gerade mit den Daum-Anwälten? Was bedeutet diese Klüngelei für uns?

Wäre es streng rechtsstaatlich zugegangen, hätte am Dienstag der Daum-Prozess platzen müssen, denn man hatte zwar einen Ersatzschöffen, nicht hingegen einen Ersatzrichter. Doch April, April: Nichts platzte. Hagenmeier wurde gehalten, die Befangenheitsanträge abgelehnt. Auf einmal hatte man das erhoffte Ergebnis:
In Koblenz, dem Monte Carlo der deutschen Strafjustiz, scheitert ein Prozess nicht nach 27 Verhandlungstagen. Da rollt die Kugel weiter. Dafür ereignete sich Überraschendes, dank der verfahrenen Situation und der angeschlagenen Reputation der Koblenzer Justiz. Einige Gespräche mit der Staatsanwaltschaft und mit dem Gericht, einige Rechnereien und siehe da: Auf einmal war der Prozess für die zwei Mitangeklagten zu Ende.
Auf einmal waren weitere Aussagen gegen Daum nicht mehr nötig. Auf einmal hatte man das erhoffte Ergebnis und dieses sogar rechtskräftig - viereinhalb Jahre für Rüdiger Klemens wegen Handeltreibens und Einfuhr von Betäubungsmitteln, 24 Monate auf Bewährung für Hans-Josef Welter. Auch der Haftbefehl gegen Klemens wurde wie gewünscht ausgesetzt. Ein Koblenzer Insider: "Das ist eine einzige Farce. Dieses Ergebnis hätte man nach fünf Verhandlungstagen haben können."
Das Verfahren gegen Daum aber wurde abgetrennt. Seine Verteidiger, von der Entwicklung völlig überrascht, fragen sich nun, was ihren Mandanten künftig erwarten wird. "Hat er nicht schon genug Geld und Kraft aufgewendet, um mit seiner Vergangenheit Schluss zu machen? Wie weit ist der Weg nach Canossa? Hat er nicht genug gebüßt, indem er 27 Mal von Istanbul nach Koblenz reiste und in sich in aller Öffentlichkeit reumütig zu seinen Fehlern bekannte?" Soweit die Berichterstattung von Spiegel-Online. Jedem Interessierten wird die vollständige Lektüre des Online-Artikels empfohlen.

Man muss schon ziemlich unverfroren sein, wenn man sich "Recht und Ordnung auf die Fahnen schreibt" und dann so agiert. Ich kann nur jeden ermutigen, hier - in diesem Portal - sein Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben und "Demokratie zu leben".