Welche Werte verteidigen wir in Afghanistan?

Köhlers falsche Lehren aus der Geschichte.

Vergangene Woche wurde auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Berlin ein zentrales Ehrenmal für die bisher 3.100 seit Gründung der Bundeswehr im Jahre 1955 im Dienst getöteten Soldaten und Zivilangestellten eingeweiht. Die Idee hierzu stammt von Verteidigungsminister Jung, der nach einem Afghanistan-Besuch 2005 erklärte, es sei eine „patriotische Pflicht“, derer zu gedenken, „die ihr Leben in treuer Pflichterfüllung für unser Land gelassen haben“.

MODERNER ABLASS DER REGIERENDEN

Bei der Einweihung des Ehrenmals am Dienstag hielt Bundespräsident Horst Köhler eine Rede, die weitgehend an den Tatsachen vorbei führte. Dass nach wie vor kein zentrales Ehrenmal für die Millionen in und nach dem Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommenen deutschen Soldaten und Zivilisten existiert, bemängelte er nicht. Über das Bundeswehr-Denkmal sagte Köhler: „Es mutet uns zu, darüber nachzudenken, welchen Preis wir zu zahlen bereit sind für ein Leben in Freiheit und Sicherheit. Es mutet uns zu, ehrlich zu sein.“

Wahr ist aber leider, dass der Einsatz in Afghanistan das Leben der Deutschen in Freiheit und Sicherheit gefährdet und den Krieg nach Europa holt. Mit Ehrlichkeit haben also diese Ausführungen nichts zu tun.

Köhler weiter: Das Denkmal erinnere an jene, die „mit Leib und Leben für unser aller Sicherheit und für unsere Werte“ einstünden. In Wahrheit finden sich zu Einsätzen wie dem in Afghanistan vor allem sozial benachteiligte Männer (viele von ihnen aus den „neuen” Bundesländern) bereit. In früheren Kriegen gaben auch die Söhne von Ministern und Generalen, die des Großadmirals und die des Staatssekretärs ihr Leben. Am zweiten Tag des Polen-Feldzugs fiel Heinrich von Weizsäcker, Sohn des ranghöchsten Beamten im Auswärtigen Amt, Ernst von Weizsäcker, und Bruder des späteren Bundespräsidenten. Köhlers Sohn hingegen läuft dieses Risiko nicht. So gesehen stellt sich das Bundeswehr-Ehrenmal als ein moderner Ablass der in Berlin Regierenden dar.

IM DIENST DER US-WELTHERRSCHAFT

Was aber sind „unsere Werte“ in Afghanistan? Die Sicherung der Weltherrschaft der Vereinigten Staaten von Amerika? Eine Militärbasis zwischen China und dem Iran zu schaffen für mögliche Aggressionen?

Köhler hat sich für die Millionen für unser Vaterland in den Kriegen Gefallenen die Abwertung einfallen lassen, „dass der Soldatentod in der Vergangenheit oft propagandistisch missbraucht und überhöht wurde – gerade in Deutschland“. Der Bundespräsident verwechselt offenbar die Gegebenheiten in der einzigartigen deutschen Wehrmacht wie in den vorangegangenen untadeligen deutschen Heeren mit Gepflogenheiten in nationalsozialistischen Formationen. Besonders fanatische NS-Leute nannten ihre Kinder Horst nach dem ermordeten „Blutzeugen der Bewegung“ Horst Wessel. Horst Köhlers Bruder allerdings erhielt seinen Namen Adolf nach einem damals noch lebenden NS-Idol.

Wahr ist leider auch, dass der Bundestag mit den Stimmen aller Parteien vergangene Woche alle rund 20.000 Urteile gegen Landesverräter im Krieg aufgehoben hat. Unmittelbar vorher hat Merkel in ihrer Danziger Rede zum 1. September 1939 Deutschland die Schuld an von ihr behaupteten 60 Millionen Weltkriegtstoten, auch für die Opfer rein asiatischer Konflikte, aufgebürdet, für die „Befreiung Deutschlands durch die Alliierten“ gedankt und alle, die für Deutschland starben, nicht einmal erwähnt.

Der Bundespräsident behauptete: „In freiheitlichen Demokratien wie der unseren kommt es auf jede und jeden Einzelnen an.“ Doch in der Wirklichkeit spielt es überhaupt keine Rolle, dass nach allen Umfragen etwa 75 oder mehr Prozent der Bundesbürger den Einsatz in Afghanistan ablehnen und einen sofortigen Rückzug verlangen. Die in Berlin Regierenden entscheiden eiskalt gegen den Volkswillen und deklarieren das dann noch als Demokratie.

PERVERTIERUNG DER HEIMATVERTEIDIGUNG

Als „Grund, warum es in unserem Land eine Armee gibt“, führt Köhler an: „Freiheit und Sicherheit verlangen Einsatz.“ Das Grundgesetz lässt seit 1956 „Streitkräfte zur Verteidigung“ zu. Gedacht war an den Schutz der Bundesrepublik vor der – damals sowjetischen – Bedrohung. Dass Deutschland am Hindukusch verteidigt würde, ist eine unglaublich primitive Irreführung.

Die friedfertige Verteidigungsbereitschaft unseres Landes und seiner Verbündeten habe, wie Köhler ausführt, dazu beigetragen, den Eisernen Vorhang zu überwinden. Überwunden hat ihn zweifellos die mutige und aufrechte mitteldeutsche Bevölkerung. Deren friedliche Revolution vor 20 Jahren lässt sich bestimmt nicht vergleichen mit dem Abwurf von Bomben auf die beiden von Taliban entführten Tanklastzüge in Kundus. Der afghanische Präsident Hamid Karsai setzte sich jetzt über die ihm zugeteilte Rolle eines US-Satrapen souverän hinweg. Seine Kritik an dem Vorgehen der Bundeswehr in Kundus ist an Deutlichkeit kaum zu überbieten: „Mehr als neunzig Tote für zwei einfache Tanklaster, die obendrein in einem Flussbett feststeckten!“

TERRORISTEN ODER FREIHEITSKÄMPFER?

Köhler beruft sich auf den „internationalen Terrorismus“, der unser friedliches Zusammenleben bedrohe. Wir Deutschen hätten „aus unserer Geschichte auch die Lehre gezogen, dass die Menschenrechte uns zum Handeln verpflichten“. Allerdings sehen wir weg, wenn die USA und Israel die Menschenrechte laufend brechen und etwa 800 UN-Resolutionen missachten. Die so genannten Terroristen in Afghanistan sind zu einem großen Teil Freiheitskämpfer, die sich das Recht nehmen, ihr seit langem geschundenes und geknechtetes Land zu verteidigen. Viele opfern als Selbstmordattentäter bewusst ihr Leben für die Sache, die sie für gerecht erachten. Dabei kämpfen sie offener als Hunderttausende Partisanen im Zweiten Weltkrieg gegen die deutsche Wehrmacht, die gerade von den in unserem Vaterland derzeit Herrschenden immerfort geschmäht und verteufelt wird. Wir haben kein Recht, die „westliche“ (oder auch nur unsere mitteleuropäische) Weltanschauung den Menschen in Afghanistan aufzuzwingen.

Das Bundeswehr-Ehrenmal soll laut Köhler uns daran erinnern, „dass unsere Bundeswehr unverrückbar Teil der guten demokratischen Entwicklung unseres Landes ist“. Es erinnert aber leider vor allem daran, dass der Bundeswehreinsatz in Afghanistan gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung im Interesse der in den USA Herrschenden durchgesetzt wurde und wird. Die Schweiz hingegen opfert seit 500 Jahren – einmal nur unterbrochen durch die napoleonische Herrschaft – keinen einzigen Mann für fremde Interessen. Die Schweizer Bevölkerung genießt im Gegensatz zur bundesdeutschen ihr unantastbares Recht, mit Volksinitiativen und Referenden auch in Bundesangelegenheiten selbst zu entscheiden. Die in Berlin Herrschenden wissen genau, dass sie ständig gegen den Willen der großen Mehrheit handeln. Aber als Demokraten der besonderen Art ist es ihnen gleichgültig.

VERSPIELT DEUTSCHLAND SEIN ANSEHEN?

Weltweit sind laut allen Umfragen die USA und Israel die unbeliebtesten Staaten. Dass Deutschland auf Dauer seinen Rang als positiver Spitzenreiter halten kann, wird nach den Geschehnissen in Afghanistan immer unwahrscheinlicher. Vor allem die zunehmende Tötung von Zivilisten erbittert die Bevölkerung immer mehr. Deutschland hat derzeit 4.050 Soldaten in Afghanistan im Einsatz und steht somit an dritter Stelle der in dem unglücklichen Land stationierten fremden Truppen, noch vor Frankreich mit 3.160. Nach der Bundestagswahl dürfte die Forderung Washingtons nach einer neuen Aufstockung der deutschen Einheiten an die Öffentlichkeit gelangen.

„Auch Deutschland – das wissen wir – ist im Visier von Terroristen“, sagte Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung zu dem, was sie schönfärberisch „eine der schwersten militärischen Auseinandersetzungen der Bundeswehr mit den Taliban“ nennt (gemeint ist die Bombardierung der liegengebliebenen Laster und der umstehenden Menschen). Das mag mittlerweile wohl zutreffen; es wäre ein Wunder, wenn wir nicht alsbald die Folgen des deutschen Militäreinsatzes zu spüren bekommen. Nur sind die Deutschen nicht so blöd, Ursache und Wirkung zu verwechseln. Weswegen sich Verteidigungsminister Jung Sprüche wie den folgenden sparen kann: „Wenn unsere Soldaten im Interesse der Bürger unseres Landes Leib und Leben riskieren, dann haben sie die Unterstützung des gesamten deutschen Öffentlichkeit verdient.“

Dr. Gerhard Frey


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