Warum die heutige FDP Friedrich Naumann verstecken muss

Westerwelle, Niebel & Co. haben mit dem Namensgeber ihrer Parteistiftung nichts gemein.

Nichts macht die totale Abkehr der FDP von ihren national-liberalen Wurzeln deutlicher als der Umgang mit Friedrich Naumann, dessen Todestag sich am 24. August zum 90. Mal jährt. 1958 benannte die FDP ihre neugegründete Parteistiftung nach ihm. Jetzt wird sein Name möglichst kleingeschrieben – oder gleich ganz weggelassen.

Doch während es für die schwarz-weiß-rot flaggende und sich auf das Reich berufende FDP der fünfziger Jahre oder zur Zeit ihres nationalliberalen Vorsitzenden Erich Mende durchaus eine gewisse Berechtigung gab, sich mit diesem Namen zu schmücken, haben die heutigen Liberalen mit den Vorstellungen Friedrich Naumanns nichts mehr gemein.

Naumann war Sozialreformer freiheitlicher Gesinnung, hatte stets das Wohl des deutschen Arbeiters im Sinn und war in seinem Patriotismus und seinen Bekenntnissen zum Deutschen Reich von kaum einem Zeitgenossen zu übertreffen. Im Gegensatz dazu ist die heutige FDP Vertreterin eines ungezügelten Globalkapitalismus und Marktradikalismus und kümmert sich mehr um die Sonderinteressen von Randgruppen als um die wirklichen Lebensinteressen des deutschen Volkes. Von den Idealen eines Friedrich Naumann ist eine solche Politik nicht nur meilenweit, sondern Lichtjahre entfernt.

Friedrich Naumann erblickte am 18. März 1860 in einem Pfarrhaus im sächsischen Dorf Störmthal – heute Teil der Gemeinde Großpösna bei Leipzig – das Licht der Welt. Nach dem Besuch der Nikolaischule in Leipzig und der Fürstenschule in Meißen studierte er evangelische Theologie in Leipzig und Erlangen. Als junger Theologiestudent war er dann 1881 Mitbegründer des Verbandes der Vereine Deutscher Studenten (VVDSt, auch „Kyffhäuser-Verband“ genannt), dessen Leitsatz „Mit Gott für Volk und Vaterland!“ lautete und der sich für die Repolitisierung der Studentenschaft im patriotischen Sinne einsetzte. Ziel des Verbandes, der bis heute die Farben Schwarz-Weiß-Rot führt und über Einzelbünde in der Bundesrepublik und in Österreich verfügt, war es vor allem, die innere Einheit der Deutschen voranzutreiben.

DER SOZIALREFORMER

Durch sein Engagement im VVDSt lernte Naumann die sozialreformerischen Ideen des Berliner Hof- und Dompredigers Adolf Stoecker und seiner Christlich-sozialen Partei kennen. Er wurde zunächst dessen begeisterter Anhänger. Stoeckers Ansatz war es, die sich zunehmend der SPD zuwendende Arbeiterschaft durch sozial-konservative und deutsch-nationale Ideen von der Sozialdemokratie zu lösen und für das Kaiserreich zurückzugewinnen. Stoecker schieb dazu: „In Berlin ergriff mich das Bewusstsein der Notwendigkeit, dass etwas geschehen müsse, um das Volk vom Abgrund zurückzurufen. Ich fand, dass Leute, die zur Kirche hielten, mit denen ich in freundschaftlichen Beziehungen stand, dennoch mit der Sozialdemokratie stimmten, weil sie in dieser Partei die Vertretung der Arbeiterinteressen erblickten. Da habe ich denn unter Gebet und Flehen den Entschluss gefasst, mitten hinein in die Sozialdemokratie zu gehen, den wilden Stier bei den Hörnern zu fassen und mit demselben zu ringen. (...) Seit fünfzehn Jahren ist das sozialistische Element der Köder, mit welchem die Arbeiter um ihren Glauben wie um ihren Patriotismus betrogen worden sind. Will man an ihre Herzen heran, so muss man die sozialen Dinge mit besprechen.“

Stoeckers Groll richtete sich auch gegen das moderne, urbane Judentum, das er als Fremdkörper innerhalb Deutschlands betrachtete und in dem er Liberalismus und Kapitalismus auf der einen Seite und andererseits – wegen des hohen Anteils von Juden in den Führungsetagen der Sozialdemokratie – Materialismus, Atheismus und Marxismus verkörpert sah. Während Stoecker die Position vertrat, dass ein Jude sich niemals als vollwertiger Angehöriger des deutschen Volkes erweisen könne, war Naumann der Ansicht, dass eine Assimilation in einem gewissen Maße durchaus möglich wäre. Der Dissens in dieser Frage führte schließlich dazu, dass sich Naumann und andere von Stoeckers christlich-sozialer Bewegung abwendeten und 1896 den Nationalsozialen Verein gründeten. Als Vereinspublikation wurde die sozialliberale Zeitschrift „Die Hilfe“, später von Theodor Heuss herausgegeben, ins Leben gerufen. Fortan widmete sich Naumann, der zwischenzeitlich als Pfarrer – unter anderem in Hamburgs „Rauhem Haus“ – gearbeitet hatte, voll und ganz der Politik. Unter dem Einfluss des großen Soziologen Max Weber trat der Nationalsoziale Verein Naumanns für Demokratisierung, Sozialpolitik und eine „politische Machtentfaltung der deutschen Nation nach außen“ ein.

FRIEDRICH NAUMANNS „MITTELEUROPA“

1903 fusionierte der Nationalsoziale Verein mit der Freisinnigen Vereinigung Eugen Richters, um die Spaltung des liberalen Lagers im Deutschen Reich zumindest teilweise zu überwinden. Richters rechtsliberale Freisinnige unterstützten – im Gegensatz zur linksliberalen Freisinnigen Volkspartei – die Flotten- und Kolonialpolitik Kaiser Wilhelms II. und stimmten daher mit den außenpolitischen Vorstellungen Naumanns überein. Naumann, ein packender und wortgewaltiger Redner, wurde über den Wahlkreis Heilbronn für die Freisinnige Vereinigung in den Berliner Reichstag gewählt. Wenig später vereinigten sich die Freisinnige Vereinigung, die Freisinnige Volkspartei und die Deutsche Volkspartei zur Fortschrittlichen Volkspartei. Bei der Reichstagswahl 1912 verpasste Naumann jedoch die Wiederwahl in den Reichstag und kehrte erst im Juni 1913 ins Parlament zurück, dem er bis 1918 als Abgeordneter erhalten blieb.

Neben seiner parlamentarischen Tätigkeit wirkte Naumann auch als politischer Publizist und Schriftsteller. So veröffentlichte er während des Ersten Weltkrieges, im Jahr 1915, sein bahnbrechendes Werk „Mitteleuropa“, in dem er in der Tradition Friedrich Lists forderte, dass am Ende des Krieges ein von Deutschland geführter mitteleuropäischer Wirtschaftsbund stehen müsse, der die Kernstaaten Deutschland und Österreich-Ungarn sowie Holland, Belgien, die Schweiz, Serbien, Montenegro, Bulgarien und Rumänien als angegliederte Gebiete umfassen solle. Gleichzeitig sprach sich Naumann für die Achtung und den Schutz nationaler Minderheiten aus. In „Mitteleuropa“ heißt es dazu: „Staatserhaltende Nachgiebigkeit in Dingen, die ohne Staatsgefahr gewährt werden können! Überall in Mitteleuropa ist eine freundlichere Denkweise über nationale Minderheiten dringend nötig. Das muss recht eigentlich der Geist unseres mitteleuropäischen Staatsverbandes sein, wenn er überhaupt etwas Gedeihliches werden soll. Es muss viel mehr sachlicher, fühlbarer Liberalismus auch über Sprachgrenzen hinaus vorhanden sein! Es muss, wenn wir nicht am Nationalitätenstreit verbluten sollen.“ Jener mitteleuropäische Bund, als dessen Vorbild Naumann das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ansah, sollte die langfristige Sicherung des Friedens sowie wirtschaftliche Unabhängigkeit und Autarkie als Ziele verwirklichen.

„VOLKSERHALTUNG IST STAATSZWECK“

Der Ausgang des Krieges erschütterte Naumann tief. Wenngleich auch körperlich nicht mehr in bester Verfassung, kämpfte er leidenschaftlich gegen das Versailler Diktat, wurde erster Vorsitzender der 1918 von ihm mitgegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und trat als Abgeordneter in die Weimarer Nationalversammlung ein. Dort gehörte er dem „Ausschuss zur Vorberatung des Entwurfs einer Verfassung für das Deutsche Reich“ an und beantragte unter anderem die Aufnahme von Grundrechten in die zukünftige Weimarer Reichsverfassung. Zu jenen Grundrechten, die Naumann in seinem Antrag formulierte, zählten unter anderem: „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Deutschen Vaterland“, „Kunst ist Nationalangelegenheit“, „Jede Arbeit ist gleichen Rechtes und gleicher Würde“, „Volkserhaltung ist Staatszweck, Kinderzuwachs ist Nationalkraft“, „Ordnung und Freiheit sind Geschwister“, „Geheimpolitik gibt es nicht mehr, wir achten alle Völker, die uns achten“. Abschließen wollte Naumann seinen Grundrechtskatalog mit den Worten „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!“ aus Hoffmann von Fallerslebens „Lied der Deutschen“. Es wurde drei Jahre später, am 11. August 1922, vom sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert zur offiziellen deutschen Nationalhymne erklärt. Allerdings erlebte Friedrich Naumann dies nicht mehr mit. Er starb am 24. August 1919 an einem Schlaganfall in Travemünde – wenige Wochen nach Vollendung des Verfassungswerkes, in dem sein Antrag keine Berücksichtigung fand.

Nationalfreiheitliche verneigen sich anlässlich der 90. Wiederkehr seines Todestages vor diesem großen deutschen Patrioten. Am Lebenswerk und den Ideen Friedrich Naumanns wird deutlich, wie weit die heutige FDP von dem entfernt ist, was der sächsische Pfarrer und freisinnige Politiker für sein Vaterland anstrebte.

Thorsten Thomsen


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