Misswirtschaft in Wilhelmshaven: Bei einer Familie wäre längst der Gerichtsvollzieher da

In der Verwaltung gibt es Überlegungen, vier Schulgebäude durch private Investoren umbauen beziehungsweise sanieren und anschließend verwalten zu lassen. Betroffen sind die Integrierte Gesamtschule (IGS), die Hauptschule Nogatstraße, das Gebäude des künftigen, zusammengelegten Gymnasiums und das Berufsschulzentrum an der Friedenstraße. Im Gespräch ist ein Investitionsvolumen von fast 40 Millionen Euro.
Die Fraktionen von SPD und Grünen rückten in einer Podiumsdiskussion der Gewerkschaft Verdi jedoch von einem grundsätzlichen Ja zur öffentlich-privaten Partnerschaft (Public Private Partnership PPP) ab, wie es der Rat im November 2007 beschlossen hatte. Sie sehen aktuell keine Notwendigkeit, sich auf ein solches Modell einzulassen. Sowohl der Umbau der IGS als auch die Sanierung des Schulgebäudes an der Nogatstraße ließen sich allein aus öffentlichen Mitteln finanzieren.
CDU-Sprecher Stephan Hellwig stellte die Notwendigkeit in den Vordergrund, die Schulgebäude instandzusetzen. FDP-Fraktionschef Dr. Michael von Teichman sprach sich für die Zusammenarbeit mit privaten Investoren aus. BASU und LAW lehnen diese ab.

Solide Haushaltspolitik hat es in Wilhelmshaven wohl noch nie gegeben. Wenn eine Familie so wirtschaften würde wie die Stadt am Jadebusen, wären Gerichtsvollzieher Dauergäste. Im Rathaus allerdings will man so weiter machen wie gehabt. Jetzt hat die Verwaltung vor: Vier Schulen sollen von privaten Investoren umgebaut, saniert und anschließend verwaltet werden. Begeistert ist - wie nicht anders zu erwarten - die FDP. Die SPD und die Grünen gehen auf Distanz. Die Linken und eine Wählerinitiative sagen Nein.

Vertreten werden diese politischen Auffassungen nicht etwa mit Sachverstand, sondern mit Bauchgrimmen. Denn: Die Stadt hat schon so viele öffentliche Aufgaben in den Privatbereich verlagert, dass sich mit weiteren Privatisierungen nur noch eine Partei wie die FDP anfreunden kann. Für Liberale ist der Staat Teufelszeug, das man nur in geringen Dosen einnehmen sollte.

Verfolgt man die aktuellen Diskussionen in Wilhelmshaven, beschleicht einen das Gefühl, dass die Diskussionspartner keinen blassen Schimmer von Haushaltspolitik haben. Dafür zumindest ein Grundverständnis zu entwickeln, könnte allerdings ganz einfach sein.

Ein Versuch: Eine Familie hat 20 000 Euro gespart, geht zur Bank und führt dort ein Gespräch über den Bau eines Hauses, der 100 000 Euro kosten würde. Die Bank gewährt den gewünschten Kredit. Nach einem halben Jahr steht das Haus.

Dieses Haus gehört fortan zum Vermögenshaushalt der Familie. Abtrag und Zinsen belasten die Haushaltskasse, aus der auch alles andere bestritten werden muss. Haushaltskasse steht für Verwaltungshaushalt einer Stadt. Die ist eines Tages derart strapziert (der Sohn studiert, die Tochter bleibt in der Schule sitzen, die Lebenshaltungskostenn steigen, das Nettoeinkommen von Mutter und Vater steigt jedoch nicht mehr), dass dringend gegengesteuert werden muss. Deshalb spricht der Vater mit dem Nachbarn. Der übernimmt die Zinszahlungen und wird Mitbesitzer des Hauses.

Die Folge: Im Vermögenshaushalt der Familie stehen nicht mehr 100 000 Euro für das Haus, sondern 90 000 Euro. Dafür ist aber wieder mehr Geld in der Haushaltskasse. Wird diese Haushaltskasse nicht weiter strapaziert (Sohn beendet das Studium, die Tochter schafft endlich das Abitur, Vater und Mutter bekommen eine Gehaltserhöhung), ist das Haus nach ein paar Jahren endlich bezahlt. Abtrag und Zinsen fallen weg. Aber: Dem Nachbarn gehört immer noch ein Zehntel des Hauses.

Gut, sagt der Nachbar, gebt mir 15 000 Euro und das Haus gehört euch wieder zu 100 Prozent. So viel Geld ist aber nicht in der Haushaltskasse. Etwas dagegen tun könnte die Familie, indem sie einem anderen Nachbarn 20 Prozent des Hauses überschreibt und dafür 20 000 Euro bekommt. Und so weiter…Wenn jetzt auch noch der Immobilienmarkt zusammenbricht...

Ein Beitrag für www.2sechs3acht4.de - die internette Zeitung


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