Wirken ADHS-Behandlungen bei Jungen anders als bei Mädchen?
Pressetext verfasst von maroney am Di, 2023-03-21 16:22.ADHS ist ein Problem, das die Fähigkeit mancher Menschen beeinträchtigt, sich zu konzentrieren und ihr Verhalten zu kontrollieren. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. In den letzten Jahren ist die Zahl der ADHS-Diagnosen bei beiden Geschlechtern gestiegen. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass die am häufigsten eingesetzten Medikamente bei männlichen und weiblichen Patienten zum Teil unterschiedlich wirken.
Viele Jahre lang wurden Mädchen mit ADHS viel seltener diagnostiziert als Jungen, da sich ihre Symptome unterscheiden. Das hat sich inzwischen geändert. Neuere Studien zeigen jedoch, dass Mädchen mit ADHS immer noch nicht in allen Fällen eine angemessene Behandlung erhalten, es sei denn, ihre Symptome sind schwerwiegend.
Immer mehr Experten sind sich der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei ADHS bewusst. Im Allgemeinen zeigen Jungen und Männer mehr der typischen ADHS-Symptome wie Hyperaktivität oder Impulsivität. Frauen und Mädchen sind dagegen eher unaufmerksam, antriebsarm und zurückgezogen. Dies kann mitunter zu Fehldiagnosen und unzureichender oder verspäteter Behandlung führen und sich negativ auf die schulischen Leistungen und die psychosoziale Entwicklung auswirken.
ADHS wird häufig medikamentös behandelt. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass die dazu beiträgt, die Hauptsymptome zu lindern, alltägliche Aktivitäten zu erleichtern und das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität zu verbessern. Studien haben auch gezeigt, dass Erwachsene mit ADHS von einer medikamentösen Behandlung profitieren können. Der Unterschied zwischen Wirksamkeit und Effizienz von Medikamenten hängt davon ab, ob man sich auf die bestmögliche Wirkung des Medikaments unter idealen Bedingungen konzentriert oder auf die tatsächliche Wirkung auf den Patienten. Die Einnahme von ADHS-Medikamenten kann jedoch auch Nebenwirkungen haben, darunter Einschlafstörungen, Bluthochdruck, Wachstumsstörungen und Herzprobleme.
Zur Behandlung von ADHS werden zwei Arten von Medikamenten eingesetzt: Stimulanzien und Nicht-Stimulanzien. Zu den Stimulanzien gehören vor allem Medikamente wie Methylphenidat (Ritalin) und Dextroamphetamin. Methylphenidat wird am häufigsten eingesetzt und kann in kurz- oder langwirksamer Form eingenommen werden. Studien haben gezeigt, dass Stimulanzien dazu beitragen können, die Wachsamkeit zu verbessern und die Impulsivität zu verringern. Stimulanzien können auch kognitive und exekutive Funktionen positiv beeinflussen. Niedrige Dosen wirken sich positiv auf die kognitiven Fähigkeiten aus, während höhere Dosen positive Auswirkungen auf das Verhalten haben. Obwohl Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass Stimulanzien die schulischen Leistungen verbessern können, sind diese Verbesserungen in der Regel gering und klinisch nicht relevant.
In 25-30% der Fälle sind Stimulanzien nicht ausreichend wirksam. In diesen Fällen werden nicht-stimulierende Medikamente wie Atomoxetin, Clonidin und Guanfacin eingesetzt. Studien haben gezeigt, dass diese Medikamente zwar nicht so wirksam sind wie Stimulanzien, aber dennoch hilfreich sein können und weniger Nebenwirkungen haben.
In den letzten Jahren ist in der medizinischen Wissenschaft das Bewusstsein für den Einfluss des Geschlechts auf die Wirkung von Arzneimitteln gewachsen. Studien haben gezeigt, dass Frauen ein 1,5- bis 1,7-mal höheres Risiko haben, eine unerwünschte Arzneimittelwirkung zu erleiden als Männer. Dies könnte auf Unterschiede im Stoffwechsel, in der Immunität, im Hormonhaushalt oder in der Körperzusammensetzung zurückzuführen sein.
Ein Beispiel ist eine Studie über Herzmedikamente, die ergab, dass Frauen nur die Hälfte der Dosis der beiden wichtigsten Herzmedikamente benötigen, die derzeit empfohlen wird. Dies ist besorgniserregend, da die Frauen möglicherweise eine zu hohe Dosis des Medikaments erhalten haben, was für ihre Gesundheit gefährlich sein könnte. Immer mehr Experten schlagen vor, dass bei der Einführung eines neuen Medikaments ein bestimmter Prozentsatz von Frauen in die Stichprobe aufgenommen werden sollte, um die optimale frauenspezifische Dosis zu ermitteln. Für Medikamente gegen ADHS gibt es diese Art von Forschung jedoch noch nicht.
In den letzten Jahren wurde verstärkt untersucht, wie Mädchen und Frauen auf Medikamente reagieren, die zur Behandlung von ADHS eingesetzt werden. Eine 2020 erschienene Übersichtsarbeit (doi: 10.1371/journal.pone.0239257) untersuchte die Unterschiede bei der Verschreibung von Medikamenten, ihre Wirksamkeit und Effizienz bei der Behandlung von ADHS bei Mädchen und Frauen sowie mögliche Wissenslücken.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine systematische Literaturrecherche zu ADHS-Medikamenten durchgeführt, um herauszufinden, ob es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Sie suchten in elektronischen Datenbanken nach relevanten Artikeln, die bis zum 20. September 2019 veröffentlicht wurden. Von den 2671 gefundenen Datensätzen erfüllten 14 die Kriterien, dass sie in englischer Sprache verfasst waren, eine formal diagnostizierte ADHS-Stichprobe enthielten und die Daten explizit nach Geschlecht sortiert waren. Zusätzlich wurde nach Arbeiten zu Verschreibungsraten gesucht, was zu weiteren 7 Studien führte. Schließlich wurden 21 Studien in die Analyse eingeschlossen.
Im Allgemeinen wurden Jungen mehr Medikamente verschrieben als Mädchen. Eine Studie fand heraus, dass nur ein Viertel der verschriebenen Medikamente für Mädchen bestimmt waren. In einer anderen Studie wurde festgestellt, dass Mädchen seltener Methylphenidat verschrieben bekamen als Jungen (55,8 % gegenüber 69,7 %) und häufiger gar kein Medikament erhielten (18,7 % gegenüber 28,4 %). Eine US-amerikanische Studie ergab, dass Mädchen seltener Dextroamphetamin, Atomoxetin und Methylphenidat verschrieben bekamen als Jungen (2,1 % vs. 4,2 %). Auch eine koreanische Studie fand heraus, dass Mädchen seltener Methylphenidat und Atomoxetin verschrieben bekamen als Jungen.
Frauen unter 18 Jahren erhalten seltener Rezepte für Medikamente wie Methylphenidat, Amphetamin, Dexamphetamin und Atomoxetin als Männer. Bei den 8- bis 15-Jährigen erhielten 34,9 % der Mädchen diese Medikamente, aber nur 56,1 % der Jungen. In den älteren Altersgruppen kehrt sich der Trend jedoch um. Bei den 16- bis 25-Jährigen erhielten 32,1% der Frauen, aber nur 25,6% der Männer diese Medikamente. In der Altersgruppe der 26- bis 35-Jährigen erhielten 16,2 % der Frauen ein Rezept, aber nur 10,2 % der Männer, und in der Altersgruppe der 36- bis 46-Jährigen waren es 16,8 % der Frauen, aber nur 9,1 % der Männer. Eine andere Studie ergab, dass Mädchen im Alter von 7 bis 15 Jahren viermal weniger ADHS-Medikamente erhielten als Jungen derselben Altersgruppe.
Andere Studien untersuchten die Verwendung von Medikamenten bei Erwachsenen. Eine Studie zeigte, dass Frauen im Alter von 18 bis 64 Jahren weniger Medikamente erhielten als Männer. Eine andere Studie zeigte jedoch, dass in der Altersgruppe der 16- bis 25-Jährigen mehr Frauen als Männer Medikamente erhielten. Eine weitere Studie zeigte, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen, die Medikamente erhielten, bei Erwachsenen über 21 Jahren fast verschwunden war.
In einer Studie wurde die Wirksamkeit von Methylphenidat bei Erwachsenen untersucht. An der Studie nahmen 1.414.183 Frauen und 1.579.704 Männer teil. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen während der Einnahme von Methylphenidat ein um 31 % geringeres Risiko hatten, ein substanzbezogenes Ereignis zu erleiden, während Männer ein um 35 % geringeres Risiko hatten. Auch zwei Jahre nach der Medikamenteneinnahme hatten Frauen noch ein um 14 % geringeres Risiko, ein substanzbezogenes Ereignis zu erleiden, als Männer, deren Risiko um 19 % geringer war.
Einige Studien haben die Wirksamkeit von Methylphenidat bei Jungen und Mädchen mit ADHS untersucht und einige geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt. So zeigten Mädchen unter Methylphenidat eine geringere Verbesserung bei der Bearbeitung von Aufgaben im Sitzen und schnitten bei der Rechtschreibung schlechter ab als Jungen. Dagegen zeigten Mädchen bei allen Methylphenidat-Dosierungen bessere Leistungen bei der konzentrierten Aufmerksamkeit als Jungen. Mädchen mit ADHS zeigten nach 24 Monaten Methylphenidat-Einnahme auch eine signifikant geringere Symptomschwere als Jungen.
Betrachtet man dagegen die Anzahl der Mädchen und Jungen, die positiv auf Methylphenidat reagierten, gab es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. In einer Studie mit Jugendlichen mit ADHS zeigte sich, dass Methylphenidat bei Mädchen die Selbsteinschätzung der schulischen Leistungsfähigkeit verbesserte, die Selbsteinschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit jedoch verschlechterte. Jungen berichteten, dass sich ihre schulischen und psychosozialen Fähigkeiten nach der Einnahme von Methylphenidat verbesserten. Schließlich zeigte eine kleine Studie, dass Mädchen mit ADHS unter der Einnahme von Methylphenidat deutlich präziser waren als ohne Medikamente.
In Deutschland ist Methylphenidat (Ritalin) bei Jungen und Mädchen das mit Abstand am häufigsten eingesetzte Medikament bei ADHS. Wer Methylphenidat erwerben möchte, braucht – unabhängig vom Geschlecht – ein Betäubungsmittelrezept.
In einer speziellen Studie wurde untersucht, wie wirksam zwei Arten von Medikamenten (Concerta und Metadate mit kontrollierter Wirkstoffabgabe) die Symptome von ADHS bei Kindern lindern. 48 Mädchen und 136 Jungen wurden untersucht und die Wirksamkeit der Medikamente wurde alle 90 Minuten über einen Zeitraum von 12 Stunden gemessen. Die Ergebnisse zeigten, dass Mädchen nach 1,5 und 3 Stunden bessere Ergebnisse erzielten als Jungen, aber ab 7,5 Stunden wirkte das Medikament bei Mädchen weniger gut. Am Ende des 12-Stunden-Zeitraums war das Medikament bei Jungen wirksamer als bei Mädchen.
In einer Studie mit Kindern und Jugendlichen mit ADHS sprachen Mädchen weniger positiv auf Dextroamphetamin, Lisdexamphetamin und Amphetamin an als Jungen (51 % der Mädchen gegenüber 78,8 % der Jungen). Eine US-amerikanische Studie mit Daten aus dem Gesundheitswesen ergab ebenfalls, dass Frauen ein um 31 % geringeres Risiko aufwiesen, bei der Einnahme von ADHS-Medikamenten eine schwerwiegende Nebenwirkung zu erleiden, als Männer (deren Risiko um 35 % geringer war). Eine andere Studie, an der 12.503 Mädchen und Frauen und 26.249 Jungen und Männer teilnahmen, ergab jedoch keinen geschlechtsspezifischen Unterschied hinsichtlich der Wirkung von Amphetamin und Dextroamphetamin auf die Verringerung von Depressionen bei ADHS; bei beiden Geschlechtern war die Wahrscheinlichkeit, an Depressionen zu erkranken, geringer als bei Personen, die keine Medikamente einnahmen.
Auch Atomoxitin hat möglicherweise unterschiedliche Auswirkungen auf Jungen und Mädchen. In fünf Studien zeigte sich, dass Mädchen mit ADHS, die Atomoxitin einnahmen, im Allgemeinen weniger zu negativem Verhalten neigten als Mädchen, die ein Scheinmedikament (Placebo) einnahmen. Jungen mit ADHS neigten ebenfalls weniger zu diesen Verhaltensweisen, aber der Effekt war etwas schwächer. Mädchen, die Atomoxitin einnahmen, verbesserten sich in einigen Bereichen nicht, während Jungen, die Atomoxitin einnahmen, sich verbesserten. In zwei Studien zeigten 7- bis 13-jährige Mädchen, die Atomoxitin einnahmen, eine geringere Symptomschwere als Mädchen, die ein Placebo erhielten.
Zwei Studien haben gezeigt, dass Atomoxetin bei der Behandlung von ADHS-Symptomen bei Frauen wirksamer sein könnte als bei Männern. In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie mit 536 Erwachsenen (188 Frauen und 348 Männer) zeigte sich bei Frauen ein größerer Behandlungseffekt als bei Männern, insbesondere in Bezug auf die emotionale Dysregulation und das soziale Leben. Auch in einer Längsschnittstudie mit 384 Erwachsenen (137 Frauen und 247 Männer) zeigten Frauen mit ADHS größere Verbesserungen bei Hyperaktivität und Impulsivität, emotionaler Dysregulation und Gesamtwerten als Männer mit ADHS. Auch im CAARS-Test verbesserten sich Frauen mit ADHS unter Atomoxetin signifikant stärker als Männer mit ADHS.
Der Body-Mass-Index, die Körperzusammensetzung und sogar Hormone haben einen Einfluss darauf, wie eine Person auf ein Medikament anspricht. Es wird vermutet, dass Frauen die Wirkung von Stimulanzien früher spüren als Männer, aber eine geringere Absorptionsrate haben. Es ist unklar, warum einige Frauen über ungünstige Ergebnisse bei der Einnahme eines bestimmten Medikaments berichteten. Möglicherweise hängt dies mit dem Hormonspiegel während des Menstruationszyklus zusammen. Es muss weiter erforscht werden, ob die Dosierung der Medikamente für Frauen angepasst werden muss. Langzeitstudien über den Einfluss des Geschlechts könnten Ärzten dabei helfen, ihren Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen.
Kinder unter 18 Jahren, insbesondere Mädchen, erhalten in der Regel weniger ADHS-Medikamente als Jungen. Auch erwachsene Frauen erhalten in den meisten Studien weniger Medikamente als Männer. Allerdings ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern bei Erwachsenen nicht mehr so groß.
Die Einnahme von Stimulanzien zur Behandlung von ADHS-Symptomen kann bei Mädchen und Jungen unterschiedlich sein. Studien haben gezeigt, dass die Wirkung von Stimulanzien wie Methylphenidat bei Mädchen früher einsetzt als bei Jungen, aber auch früher wieder nachlässt. Auch die Besserung der Symptome kann in verschiedenen Situationen unterschiedlicher ausfallen. Jungen mit ADHS können zu Hause weniger störendes Verhalten zeigen als Mädchen, die sich eher zurückziehen. Allerdings können Verbesserungen bei Jungen für Lehrer deutlicher sichtbar sein als bei Mädchen. Da bei Mädchen meist die unaufmerksame Form diagnostiziert wird, ist es wichtig zu untersuchen, ob Methylphenidat für sie eine geeignete Behandlung darstellt. Außerdem ist die einmal tägliche Anwendung von Methylphenidat für Mädchen möglicherweise nicht die beste Option.
Aus dieser Übersicht geht hervor, dass mehr Forschung erforderlich ist, um zu verstehen, wie sich verschiedene pharmakologische Ansätze zur Behandlung von ADHS auf Frauen und Männer auswirken. Es wird vermutet, dass Stimulanzien möglicherweise nicht die beste Methode zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefiziten bei weiblichen ADHS-Patienten sind. Um hieraus Schlussfolgerungen zu ziehen, liegen jedoch nicht genügend Forschungsergebnisse vor. Es ist wichtig, in klinischen Studien die Daten für Männer und Frauen getrennt darzustellen.
Es ist offensichtlich, dass es an Wissen über die Wirkung und die Nebenwirkungen von ADHS-Medikamenten mangelt. Um diese Medikamente besser zu verstehen, ist es wichtig, dass zukünftige Forschung die geschlechtsspezifischen Unterschiede genauer untersucht.