Verkehrsrecht: Das dubiose Geschäft mit der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU)

Tausende Autofahrer werden jährlich zu Unrecht zur MPU (Medizinisch-Psychologischen Untersuchung) gebeten. Wehren kann man sich dagegen noch immer kaum. Udo Reissner, Fachanwalt für Verkehrsrecht, meint "Bei vielen Betroffenen entsteht der Eindruck der systematischen Abzocke." Und er begründet das.

Über kaum etwas erzählt man sich so schaurige Märchen, wie über die medizinisch-psychologische Untersuchung – landläufig den "Idioten-Test". Die meisten Anordnungen von medizinisch-psychologischen Untersuchungen ergehen im Zusammenhang mit Alkohol oder Drogen. Aber auch gesundheitliche Probleme können die Verwaltungsbehörde dazu veranlassen, die Vorlage einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zur Abklärung von Eignungszweifeln anzufordern. Eine Vorstufe der medizinisch-psychologischen Untersuchung ist das fachärztliche Gutachten.

Es kommt immer wieder vor, dass Führerscheinstellen ohne ausreichenden Rechtsgrund von Autofahrern verlangen, zur Abklärung von Eignungszweifeln eine MPU vorzulegen. Udo Reissner: "Das gesamte Feld um die MPU hat sich zwischenzeitlich zu einem florierenden und lukrativen Geschäftsbereich entwickelt, bei vielen Betroffenen entsteht leicht der Eindruck der systematischen Abzocke."

In der Kritik stehen mehrere Mißstände

  • Weil die Quote der Durchfaller bei der MPU hoch ist, ist zu befürchten, dass sich eine Szene aus dubiosen Beratern etablieren könnte, die für teures Geld Vorbereitungskurse. Gelegentlich komt es gar vor, dass diese Vorbereitungskurse von denselben Betreibern angeboten werden, die auch die medizinisch-psychologische Begutachtung selbst durchführen. Eine Qualifikation müssen diese selbsternannten Spezialisten nicht vorweisen. Oft schröpfen sie, ohne echte Hilfe zu bieten, so Rechtsanwalt Udo Reissner
  • Während im Grundsatz jede Schulnote juristisch überprüfbar ist, ist dies beim Ergebnis der Begutachtung anders. Bisweilen spielen Sympathie oder Antipathie zwischen Prüfer und Probant eine Rolle. Es fehlt eine Überprüfbarkeit der Prüfung. Dies liegt im Wesentlichen auch daran, dass während der Prüfungen keine Dritten – so z.B. ein Rechtsanwalt des Betroffenen – zugelassen werden. Videoaufzeichnungen werden ebenfalls nicht akzeptiert.
  • Es gibt keinen einheitlichen Fragenkatalog für die MPU wodurch grundsätzlich einer gewissen Willkür Tür und Tor geöffnet werden.
  • Die Anordnung der MPU ist (noch) nicht justiziabel, d.h. isoliert gerichtlich überprüfbar. Weigert sich ein Betroffener, sich begutachten zu lassen, so muss er grundsätzlich abwarten, bis ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzieht. Wer kein MPU-Gutachten vorlegt, gilt automatisch als fahruntüchtig und verliert seinen Führerschein. In einem gerichtlichen Verfahren gegen diesen Entzug wird dann das Gericht erst überprüfen können, ob die Anordnung der MPU rechtswidrig war oder nicht. Dieses gerichtliche Verfahren kann jedoch Monate oder Jahre dauern.
  • Die große Koalition hat aus diesem Grunde im Koalitionsvertrag eine Reform der MPU festgeschrieben. Auch der Arbeitskreis „Fahreignung und MPU“ des Verkehrsgerichtstags 2014 in Goslar hatte diese Problematik auf der Agenda. Ob und zu welchem Zeitpunkt sich dann jedoch tatsächlich etwas Bemerkbares ändert, bleibt abzuwarten.

    Zehn Prozent fälschlich angeordnete MPU

    Geschätzte zehn Prozent der Anordnungen dürften es zweifelhaft sein. „Führerscheinstellen nutzen ihre Macht aus. Es werden zu viele MPU-Gutachten zu Unrecht angeordnet“, bestätigt Prof. Wolfgang Schubert, Verkehrspsychologe bei Dekra in Berlin. So hatte beispielsweise eine Führerscheinstelle allein aufgrund einer anonymen Anzeige eines Unbekannten bei der Fahrerlaubnisbehörde eine MPU angeordnet, so Rechtsanwalt Udo Reissner. Der Wahrheitsgehalt der Behauptungen konnte aufgrund der anonymen Anzeige naturgemäß kaum überprüft werden. In einem anderen Fall reichte der Behörde schon das Gerücht, der Autofahrer nasche gerne einmal an Drogen, um eine Fahrtauglichkeitsprüfung anzuordnen.

    Ist eine Begutachtung erst einmal angeordnet, so rät Rechtsanwalt Udo Reissner grundsätzlich zu folgendem Verhaltenskodex:

    Häufig ist die richtige Vorbereitung auf die anstehende medizinisch-psychologische Untersuchung existenziell für die Erfolgsaussichten. So muss beispielsweise in einigen Fällen eine Alkohol- oder Drogenabstinenz für eine gewisse Zeit nachgewiesen werden. Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, kann die medizinisch-psychologische Untersuchung auch kaum mit Erfolg bestanden werden. Hier ist dringend und schnell anwaltlicher Rat erforderlich.

    Grundvoraussetzung für realistische Erfolgsaussichten ist häufig die Einsicht in die Unterlagen der Behörde. Der Betroffene hat grundsätzlich einen Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen, die der gewählten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Verfügung gestellt werden.

    Die Begutachtungsstelle wird grundsätzlich vom Betroffenen als Auftraggeber beauftragt. Das Rechtsverhältnis besteht allein zwischen dem Auftraggeber und dem Gutachter, die Fahrerlaubnisbehörde ist in dieses Rechtsverhältnis nicht involviert. Aus diesem Grunde sollte auch dringend davon abgesehen werden, die begutachtende Stelle zu ermächtigen, das Gutachten unmittelbar an die Fahrerlaubnisbehörde zu übersenden.

    Der Autor dieses Beitrags ist Udo Reissner von der überörtlichen Sozietät Reissner, Ernst & Kollegen in Augsburg und Starnberg. Er ist nicht nur Fachanwalt für Verkehrsrecht sowie ADAC- Vertragsanwalt und Schwacke-Vertragsanwalt sondern zugleich auch Strafverteidiger.
    Rechtsanwalt Udo Reissner betreut Mandanten aus dem gesamten Bundesgebiet in Verkehrsrechtsangelegenheiten und Verkehrsrstrafverfahren.

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