Mythos KO-Tropfen: Warum ganz normale Partygänger KO-Tropfen kaufen

Seit einigen Jahren häufen sich wieder Berichte über sogenannte K.-o.-Tropfen. Dieser eher unscharfe und umgangssprachlich geprägte Begriff umfasst als Sammelbezeichnung eine breite Palette an Substanzen. Diese werden, wenn man den Berichten der mutmaßliche Betroffenen glauben schenkt, von gewissenlosen Tätern in einem unbeobachteten Moment in das Getränk des Opfers gemischt, um es willenlos zu machen und später auszurauben oder sexuell zu missbrauchen. Die UNO sah sich veranlasst, dem Thema im Drogenbericht des Jahres 2010 enorm viel Platz einzuräumen. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen entziehen der vor allem über Boulevardmedien verbreiteten Hysterie jedoch ihre Grundlage. Tatsächlich scheint es sich dabei nicht um ein Massenphänomen zu handeln, sondern eher um einen Urbanen Mythos. Personen, die im Internet und anderswo K.-o.-Tropfen kaufen, beziehen diese in den meisten Fällen für den eigenen Gebrauch als Partydroge.
Laut Duden online sind K.-o.-Tropfen „lösliche Psychopharmaka, die Getränken oder auch Speisen in krimineller Absicht zugesetzt werden und rasch zu meist stundenlanger Bewusstlosigkeit führen“. Im Internet sind diese Substanzen heute problemlos erhältlich. Es gibt sogar Websites, auf denen Anleitungen zu finden sind, wie man, ausgerüstet mit handelsüblichen Küchenutensilien, aus einem frei erhältlichen industriellen Lösungsmittel selbst K.-o.-Tropfen herstellen kann.

Eine kursorische Recherche nach dem Keyword „K.-o.-Tropfen kaufen“ führt auf Google.de zu rund 400.000 Ergebnissen, in der am weitesten verbreiteten Falschschreibung „KO Tropfen kaufen“ sind es immerhin noch 140.000. Mehr als die Hälfte der so gefundenen Websites bieten selbst K.-o.-Tropfen an oder verweisen durch prominent platzierte Links auf derartige Angebote. Bei genauerer Betrachtung der Kaufangebote stellt sich jedoch heraus, dass nur ein Bruchteil davon „echte“ Knockout-Drogen im Angebot hat. Oft werden als Ersatz Hausmittel wie Baldrian-Tropfen, sogenannte „Legal Highs“ bzw. Research Drugs oder völlig wirkungslose homöopathische Arzneien präsentiert. Die größte deutschsprachige Website für rezeptpflichtige Arzneien, alles-rezeptfrei.net, führt unter der Kategorie KO-Tropfen die Diazepam-Zubereitung Valocordin, das Schmerzmittel Tilidin, die Partydroge Liquid Ecstasy (GHB) und das industrielle Lösungsmittel Gamma-Hydroxybuttersäure (GBL). Vereinzelt findet man auf Verkaufsseiten auch Angebote für Flunitrazepam, Temazepam, Antihistaminika, Neuroleptika, Ketamin und verschiedene Antimuskarinika. Eine verschwindend geringe Rolle spielen die Schlafmittel Chloralhydrat und Methyprylon sowie die noch in den 1980er-Jahren weit verbreiteten Barbiturate.

Laut einer Schätzung, die 2010 vom renommierten British Journal of Criminology (London) getroffen wurde, beläuft sich allein die im Vereinigten Königreich über Online-Portale jährlich verkaufte GHB-Menge auf rund 1,8 Millionen Konsumeinheiten. In einer von ebendiesem Journal durchgeführten Langzeitstudie mit 200 Mädchen, die nachts in die Notaufnahme britischer Krankenhäusern kamen und behaupteten, dass man ihnen K.-o.-Tropfen in ein Getränk gemischt hätte, konnten in keinem einzigen Fall Spuren von K.-o.-Tropfen im Blut nachgewiesen werden, wohl aber in 94 % der Fälle ein deutlich erhöhter Alkoholspiegel. Das Journal kommt zu dem Schluss, dass es sich bei den sogenannten Vergewaltigungsdrogen um nicht mehr als einen urbanen Mythos handelt und dass die im Umlauf befindlichen K.-o.-Tropfen überwiegend für den Eigenkonsum oder für den Verkauf an Endverbraucher bestimmt sind.

In Politik und Exekutive deutet sich nun ein vorsichtiges Umdenken im Hinblick auf K.-o.-Tropfen an. So werden in der Bearbeitung von Vorfällen, in denen Personen K.-o.-Tropfen kaufen wollten, diese nicht mehr per se als potentielle Vergewaltiger eingestuft. Berichte von angeblichen Opfern werden genauer auf ihren Tatsachengehalt geprüft. So gut wie immer stellt sich bei der medizinischen Untersuchung heraus, dass die beschriebenen Symptome wie Gedächtnisverlust, plötzliche Schläfrigkeit oder Übelkeit auf den übermäßigen Konsum von Alkohol zurückzuführen sind. Aus Sicht der Dorgenprävention ist es erforderlich, jugendlichen Konsumenten besser aufzuklären. Da im Internet jeder, der „KO Tropfen kaufen“ in Google eintippt, nur noch zwei Mausklicks von einer Bestellung entfernt ist, muss eine wirksame Prävention an den Schulen, Jugendeinrichtungen und Universitäten des Landes ansetzen.

27.08.2014: | | | |