Amtsgericht München: "Dampf aus dem Kessel nehmen"

05.04.2014, München - Vor einem guten Dutzend Zuschauer und ungefähr ebenso vielen Justizbeamten fand am vergangenen Donnerstag vor dem Amtsgericht München die Hauptverhandlung in Sachen Kathrin L. gegen den Beklagten Stefan W. statt. Die Klägerin ist Familienrichterin am Amtsgericht München und begehrt die zukünftige Unterlassung diverser Behauptungen, die der beklagte Vater auf einer Internetseite bekanntgegeben hatte.

So warf er der Richterin vor, diese würde wohl Rechtsbeugung, Betrug, Verwahrungsbruch und Protokollfälschung in seinem Familienverfahren begehen.

Der Beklagte trat mit seinem Beistand Michael B. auf, die Klägerin ließ sich von Rechtsanwalt Thomas Michael N. von der Münchner Kanzlei Novak und Schulz vertreten. Sie selbst erschien zum Termin nicht.

Der noch recht junge Richter am Amtsgericht Christian Calame, welcher über das Begehren seiner Berufskollegin zu entscheiden hatte, vertrat zu Gunsten des Beklagten die Auffassung, dass es sich bei den Behauptungen des Beklagten um Meinungsäußerungen handele, aufgrund der Tatsache, dass diese vom Beklagten in der Form "die wären wohl..." vorgetragen worden seien.

Straftaten seitens der Richterin lägen nach Ansicht des Gerichts aber bereits offensichtlich nicht vor. Für Laien sei es mitunter schwierig zu subsumieren, wann die Voraussetzungen für eine mögliche Straftat vorlägen. Zur strafrechtlichen Bewertung der Handlungen der Klägerin sei außerdem die Staatsanwaltschaft München I und nicht der Zivilrichter zuständig. Der Beklagte möge diesbezüglich bitte das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft abwarten. Der Zivilrichter sehe sich nicht als Superrevisionsinstanz für familiengerichtliche Entscheidungen. Ein Protokoll müsse nach den gesetzlichen Bestimmungen des FamFG auch nicht gefertigt werden, sondern lediglich ein Vermerk, dabei bleibe es dem oder der Vorsitzenden überlassen, in welcher Form dies geschehe:

§ 28 FamFG (Verfahrensleitung): "Über Termine und persönliche Anhörungen hat das Gericht einen Vermerk zu fertigen ; [...] in den Vermerk sind die wesentlichen Vorgänge des Termins und der persönlichen Anhörung aufzunehmen."

Das zivilrechtliche Beweisangebot für die beispielsweise von dem Beklagten behauptete Rechtsbeugung durch die Klägerin müsse zur Klageabwehr allerdings der Beklagte liefern, dieses sei bisher nicht geschehen. Rechtsbeugung sei nach dem Gesetz ganz eng auszulegen, da gäbe es nur paar Fälle deutschlandweit.

Stefan W. trug vor, genau die Freiheiten des Richters im Familienrecht führten dazu, dass ein Beweis über den Inhalt einer familiengerichtlichen Verfahrens nicht geführt werden könne, was seine Rechte als Vater maßgeblich beeinflusse. Ihm sei allein durch die Anordnung eines familiengerichtlichen Gutachtens durch die Klägerin ein Schaden von 10.000 EUR entstanden. Er trug vor, dass er Widerklage gegen das Begehr der Klägerin erhebe. Der Richter erklärte daraufhin in einem richterlichen Hinweis, dass eine Feststellungsklage sich nur auf das Bestehen von Rechtsverhältnissen beziehen könne. Zwischen Klägerin und Beklagtem bestehe diesbezüglich aber kein Rechtsverhältnis, so dass die Widerklage bereits unzulässig sein dürfte und den Beklagten lediglich Geld koste. Der Beklagte nahm daraufhin die Widerklage zurück.

Der beklagte Vater bot daraufhin einen Mitschnitt -offensichtlich aus einer familiengerichtlichen Sitzung, an, die Ummöglichkeit des Beweises im Familienrecht hindere den Beklagten daran zu beweisen, dass die Klägerin Rechtsbeugung begangen habe. Als das Gericht den Mitschnitt nicht zuließ, da er unzulässig sei, erwiderte der Beklagte "Die Klägerin lügt, und das muss festgestellt werden" und ergänzte, nach der Rechtsprechung des BGH sei ein Mitschnitt zur Verteidigung ein legitimes Beweismittel. Das Gericht sah das offenbar anders.

Der Richter erläuterte, die Äußerungen des Beklagten seien unbedingt mit der Meinungsfreiheit abzuwägen, dieser Punkt sei derzeit im vorliegenden Verfahren noch nicht entschieden. Er wolle aber den "Dampf aus dem Kessel nehmen" und regte an, der Beklagte möge einsehen, dass es bis zur Klärung der Sache durch die Staatsanwaltschaft nicht zulässig ist, die strittigen Äußerungen jedenfalls nicht als Tatsachenbehauptungen zu tätigen.

Rechtsanwalt N. als Klägervertreter trug in der Verhandlung so gut wie gar nichts vor, außer dass er sich mit dem Beklagten rechtlich und nicht inhaltlich auseinandersetzen wolle.

Er stellte lediglich den Antrag, aus seinen Schriftsätzen und stimmte der Rücknahme der Widerklage unter Verwahrung gegen die Kostenlast zu.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung.

Gegenüber der Presse wollten weder die Klägerin noch deren Rechtsanwalt ein Statement abgeben. Nach der Verhandlung sagte der Klägervertreter dem PRESSEBLOG, dafür solle man sich bei den Pressekollegen aus Saarbrücken bedanken, die Äußerungen von Rechtsanwaltskollegen und Gerichtsverhandlungen sachlich völlig falsch darstellten.

Eine Entscheidung ist für den 17.04.2014 um 08:45 Uhr im Amtsgericht München, Pacellistraße 5, Saal B 815 anberaumt.

Link zum Videobericht: http://youtu.be/IsZWa2mg6Z8

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