Münchner Verein Kinderschutz e.V. will Äußerungen über Kindesmissbrauch verbieten

30.03.2014, München - Am vergangenen Freitag fand der Auftakt zweier sachlich zusammenhängender Verfahren am Landgericht München zum hoch emotionalen Thema Kinderschutz statt. Kläger ist der Münchner Verein "Kinderschutz e.V.". Es geht in beiden Verfahren um eine von dem Kläger begehrte Unterlassung von kritischen Äußerungen hinsichtlich der Zustände in Einrichtungen des Vereins Kinderschutz e.V. bzw. seiner Vorgängerorganisationen, so z.B. im ehemaligen Amalie-Nacken-Heim in Dachau. Bei Landgerichtsprozessen herrscht Anwaltszwang, so dass sich sowohl Kläger als auch Beklagter jeweils von einem Rechtsanwalt vertreten ließen.

Das Gericht habe die Sitzung einberufen, da rechtliche Zweifel bestünden, ob der von dem Kläger beantragte einstweilige Rechtsschutz in allen Punkten durchgehe oder ob nicht vielmehr einige Behauptungen des Beklagten unter den Grundsatz der Meinungsfreiheit fallen und Tatsachenbehauptungen darstellen, meinte die Vorsitzende Richterin.

Der eigentlich Betroffene, ein heute 54-jähriger Mann und selbst ehemaliger Bewohner einer der Einrichtungen, hatte schwere Vorwürfe gegen den Verein Kinderschutz e.V. erhoben. So hat er u.a. behauptet, er sei in den 1970er Jahren selbst Opfer von sexuellen Übergriffen durch Mitarbeiter des Rechtsvorgängers des klagenden Vereins geworden. Er sei damals im Amalie-Nacken-Heim in Dachau als Schutzbefohlener über Jahre hinweg sexuellen Übergriffen durch den damaligen Erzieher und gleichzeitig auch durch den Vorstand des Rechtsvorgängers des Klägers ausgesetzt gewesen, der gleichzeitig sein Vormund gewesen sei.

Der Verein Kinderschutz e.V. sei daher "wegen wiederholtem, langjährigem, vielfachen Kindesmissbrauches sowie Entzug von Kindern und Jugendlichen [...] unter permanenter Missachtung der UN-Kinderrechts-Konventionen anzuzeigen."

Der Verein, der "trotz mehrfacher strafrechtlicher Auffälligkeiten vom deutschen Finanzamt als gemeinnützig anerkannt" sei, trage den Begriff "Kinderschutz" irreführend im Namen. Seine Vorwürfe habe der 54-jährige in einer Internationalen Strafanzeige den Vereinten Nationen in New York sowie zur Kenntnis diversen Regierungskreisen und juristischen Einrichtungen in Deutschland übermittelt.

Der am vergangenen Freitag Beklagte, ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Thüringen, habe von dieser Strafanzeige des Betroffenen erfahren und diese an eine Vielzahl von Empfängern weitergeleitet.

In dem ersten am Freitag verhandelten Verfahren ging es nun zum Einen darum, ob der Arzt die Strafanzeige seinerseits rechtmäßig an die Ermittlungsbehörden weiterleiten durfte und zum Anderen um die Frage, ob er zusätzlich von einem "korrupten System" habe sprechen dürfen.

Der beklagte Arzt erklärte dazu in der mündlichen Verhandlung, er berufe sich auf Art. 20 des Grundgesetzes, welcher ihm ein Widerstandsrecht einräume, er sehe sich auch in einem Widerstreit der Pflichten. Zudem könne nur die Öffentlichkeit für ein schnelles Ende des Leides sorgen, das der Arzt bei dem eigentlich Betroffenen vermute. Die Zustände hätten sich bis heute nicht geändert. Zum Beweis bot der Beklagte Zeugnis des unmittelbar Betroffenen 54-jährigen und einer heute 19-jährigen Frau an. Dabei handele es sich um die Tochter des Anzeigeerstatters, die derzeit in einer Einrichtung des Kinderschutz e.V. untergebracht sei und dort als Diabetikerin mit 50% Behinderung auch aktuell nicht die notwendige medizinische Hilfe erfahre. Zudem könne Beweis dafür angeboten werden, dass das Patenkind eines der Zuschauer in einer der Einrichtungen geschlagen worden sei.

Der Beklagte könne deshalb davon ausgehen, dass die Äußerungen richtig seien und erklärte, er werde seine Behauptungen nicht widerrufen.

Als der Beklagte zusätzlich vortrug, der Kläger habe kein menschliches Ethos, verloren der Klägervertreter sowie der Kläger die Fassung und verlangten, dass der Beklagtenvertreter auf den Beklagten einwirke, damit dieser sich zügele.

Die Vorsitzende Richterin gab in der Verhandlung zu erkennen, dass bereits streitig sei, ob der beklagte Arzt die Äußerungen aus der Strafanzeige sich zu Eigen gemacht habe. Zudem könne es sich bei den Äußerungen des ehemaligen Bewohners der Einrichtungen durchaus um Tatsachenbehauptungen im Rahmen eines begründeten Vortrags handeln, die von der Wahrnehmung begründeter Interessen gedeckt seien.

Der Kläger räumte über seinen Prozessbevollmächtigten bereits selbst ein, es mag so gewesen sein, dass der unmittelbar Betroffene misshandelt worden sei.

Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verurteilen, es zukünftig zu unterlassen zu behaupten, dass der Verein nach wie vor sein Unwesen an Kindern treibe. Diese Behauptung sei auf die Gegenwart und auf die Zukunft gerichtet und daher zu unterlassen.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Da zum anberaumten Verkündungstermin am Freitagnachmittag keine der Parteien anwesend war, werde das Urteil zugestellt, ließ das Gericht verlauten. Die Pressestelle hat die Bekanntgabe der Entscheidung ggü. den Medien für Montag, 31.03.2014 zugesagt.

Der Verein Kinderschutz e.V. ließ über seinen Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass er gegenüber den Medien keine Stellungnahme abgeben werde und auch nicht für ein Interview bereitstehe.

Zunächst waren die Verfahren gegen den Arzt und gegen den ehemaligen Heimbewohner für den vergangenen Freitag unmittelbar hintereinanderfolgend vorgesehen.

Die Verhandlung im zweiten Verfahren fiel wegen Krankheit der Richterin aus.
Sie wurde verlegt auf Dienstag, den 08.04.2014 um 13:15 Uhr im Justizpalast in der Prielmayerstraße in München.