BGH kippt bisherige Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit angewandter Kunst

Für Werke der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine höheren Anforderungen an die urheberechtliche Schutzfähigkeit zu stellen als für Werke der zweckfreien Kunst. Mit diesem Urteil rückt der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst ab.

Im Urheberrecht gilt der Grundsatz, dass nicht nur Werke von herausragender künstlerischer Qualität in den Genuss urheberrechtlichen Schutzes kommen dürfen, sondern ein solcher Schutz grundsätzlich auch den Ergebnissen alltäglichen kreativen Schaffens zuteil werden kann (sog. "kleine Münze"). Dies bedeutet konkret, auch ein einfaches Lied, Gedicht, eine Zeichnung kann unter Umständen Urheberrechtschutz genießen. Die Anforderungen an die Gestaltungshöhe des jeweiligen Werkes dürfen daher nicht zu hoch angesetzt werden.

Ein Ausnahme galt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bislang für Werke der angewandten Kunst.

Unter "angewandter Kunst" sind solche Werke zu verstehen, welche im Unterschied zu Werken der reinen Kunst, z. B. Gemälden, Skulpturen, literarischen Werken, für einen bestimmten Gebrauch entworfen wurden. Hierunter fallen z. B. Designermöbel, Modeschöpfungen, Werbegrafiken, Designobjekte, etc.

Werken der angewandten Kunst verlangte die Rechtsprechung bislang eine deutlich höhere Gestaltungshöhe ab ("deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung"), als Werken der zweckfreien Kunst. Werken der angewandten Kunst wurde daher nur in Ausnahmefällen Urheberrechtsschutz zuerkannt. Als wohl bekanntestes Beispiel eines Gebrauchsobjekts, welches die Rechtsprechung als schutzfähig i. S. d. Urheberrechts ansah, ist die berühmte Wagenfeld-Leuchte zu nennen, welche zu einem Inbegriff des Bauhaus-Designs avancierte.

Begründet wurde diese - durchaus umstrittene - Auffassung mit dem Argument, Werke der angewandten Kunst könnten schon nach dem Geschmacksmustergesetz Schutz genießen, welches seinerseits bereits gewisse Anforderungen an die Gestaltungshöhe stellte und dem Urheberrecht "wesensgleich" sei.

Nach der Reform des Geschmacksmusterrechts setze die geschmacksmusterrechtliche Schutzfähigkeit jedoch keine bestimmte Gestaltungshöhe mehr voraus, sondern die Unterschiedlichkeit des neu angemeldeten Geschmacksmusters zu früheren Mustern, so dass die frühere enge Verbindung zum Urheberrecht nicht mehr gegeben sei.

An die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst seien daher grundsätzliche keine anderen Anforderungen zu stellen, als an die Schutzfähigkeit von Werken der reinen, zweckfreien Kunst.

Fazit:

Die Gleichstellung von Werken der angewandten Kunst mit solchen der reinen Kunst hat weitreichende Auswirkungen auf den Schutzumfang derartiger Werke. So erfordert das Geschmacksmustergesetz eine Registrierung des Musters während Urheberschutz von selbst und ohne jegliche Formalitäten entsteht. Weiterhin beträgt die Schutzdauer eines Geschmacksmusters maximal 25 Jahre wohingegen das Urheberrecht erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt.

Die Auswirkungen dieser neuen Rechtsprechung bleiben abzuwarten.


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