Der vorliegende Band geht auf eine von 2011 bis 2012 an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführte, dreisemestrige Ringvorlesungsfolge zurück, die sich mit Schreibverfahren in Medizin und Literatur befasst hat und von der Herausgeberin und dem Herausgeber organisiert wurde.

Krankheit schreiben
Aufzeichnungsverfahren in Medizin und Literatur
Yvonne Wübben
Wallstein Verlag

http://www.new-ebooks.de/ebooks/23163

Er nimmt von der Beobachtung seinen Ausgang, dass sich das Aufzeichnen von Krankheit wesentlich im Operationsraum der Schrift vollzieht und von den Verfahren des Aufschreibens mitkonstituiert wird. Wenn Schreiben als Verfahren der Pathologie bezeichnet wird, dann geht es hier vor allem um drei Aspekte – praktisch-instrumentelle, rhetorische und poetologische bzw. genologische: Der erste Aspekt betrifft den instrumentellen Charakter des Schreibens, d. h. einzelne regelgeleitete Schreibhandlungen bzw. -tätigkeiten wie das Notieren, Durchstreichen und Exzerpieren, die in der Klinik anzutreffen sind und dort mit Praktiken des Beobachtens zusammenfallen. Zweitens meint Schreiben ein rhetorisches Verfahren, das bestimmte Effekte erzielt und z.B. mit Evidenz oder – wie das Sektionsprotokoll – mit dem epistemischen Ideal der Objektivität verknüpft sein kann. Drittens ist Schreiben auf die Organisationsform von Texten bezogen, die als epistemische Genres – etwa als observationes oder casus – in Medizin und Literatur Verbreitung erfahren und mit wissenschaftlichen Argumentationsstilen assoziiert sind. In allen drei genannten Aspekten (regelgeleitete Handlung/Tätigkeit, Rhetorik, Textorganisation) wird Schreiben relevant für die Erfassung von Pathologien und kann selbst zum Gegenstand der Krankheitslehre werden, wie das Bild auf dem Buchcover verdeutlicht. Es zeigt eine psychiatrische Akte, welche die Lied-Handschrift eines Patienten zu diagnostischen und nosographischen Zwecken aufnimmt, um an ihr – schreibend – Abweichungen des Schreibens zu markieren und zu fixieren.