Gebecoen – Auf legale Weise illegitim den Profit steigern

Daß Verbraucher auf gesetzlicher Grundlage getäuscht werden dürfen, ist nicht neu. Auch Lohndumping geschieht mit Billigung, ja mit Förderung durch den Gesetzgeber. Mit der Novellierung des Meldegesetzes sollte die staatliche Verwaltung sogar ermächtigt werden, die Daten der Bürger an Adreßhändler zu verhökern. Auf gesetzlicher Grundlage ist eben alles möglich. Auch das Illegitime ist dann legal und die Betroffenen sind die Dummen.

Gebecoen ist das neue Wort für „illegitimes Abzocken mit legalen Mitteln“. Gebecot wird jemand, wenn er zum Beispiel legaler Verbrauchertäuschung zum Opfer fällt, oder wenn er mit formaljuristischen Kniffen und Tricks legal übervorteilt wird. Sprache lebt ja bekanntlich und paßt sich dem Wandel des sozialen Lebens an. Neue Ideen und neue gesellschaftliche Erscheinungen finden dadurch auch ihren sprachlichen Ausdruck. Gebecoen bezeichnet konsequentes profitorientiertes Verhalten nach dem Motto: der Mensch – Arbeitnehmer oder Kunde – hat der Wirtschaft (d.h. dem Profit) zu dienen und nicht etwa die Wirtschaft dem Menschen.

Gebecot wird mehr und mehr üblich, denn es funktioniert mit Rückendeckung von Gesetz und Rechtsprechung problemlos, kann allerdings Kunden kosten und den Ruf eines Unternehmens ruinieren. Doch das interessiert Managernomaden nicht, die nur darauf aus sind, kurzfristig den Profit eines Unternehmens zu steigern, um dabei kräftig mitzuverdienen, und dann mit dem gleichen Ziel zu einem anderen Unternehmen zu wechseln.

Kräftig Gebcot fühlen sich auch Kunden des Reiseveranstalters Gebeco, eines Beteiligungsunternehmens der TUI AG. Das kam so:

Die Kunden buchen auf Anraten von Gebeco für ihre Fern-Studienreise zusätzlich zum Reisepreis einen Zubringerflug für 250 Euro pro Person. Der Flug wird kurz vor Reiseantritt gestrichen, so daß die Anschlußflüge nicht erreicht werden. Lufthansa stellt Umbuchungen gar nicht bzw. nur teilweise für zwei Tage später in Aussicht. Gebeco, von den Kunden unverzüglich telefonisch informiert, bleibt untätig. Die Kunden faxen noch am gleichen Tag, daß ihre Reise eine erhebliche Verkürzung nicht vertrage, ohne den Reisezweck zunichte zu machen, und fordern für diesen Fall den Reisepreis zurück. Gebeco bleibt zu nähst untätig. 14 Tage später weigert sich der Reiseveranstalter, den Reisepreis zu erstatten. Der eingeschaltete TUI-Vorstand reagiert zuerst ebenfalls nicht, nach Anmahnung durch die Kunden dann mit einem nichtssagenden (Form-?)Schreiben. Die Kunden schalten einen Anwalt ein und bieten Gebeco an, die Reise zu einem anderen Zeitpunkt nachzuholen. Alternativ fordern sie den Reisepreis zurück. Geboco lehnt beides ab und ist sich wohl schon sicher, das Geld der Kunden ohne Gegenleistung behalten zu können. Als die Kunden Monate später klagen, behauptet der Reiseveranstalter, die Reise hätte problemlos auf einer anderen Route durchgeführt werden können. Das nach üblichem Standard des Qualitätsmanagements von dem Telefongespräch der Kunden mit Gebeco anzufertigende Protokoll kann (oder will, weil es von Nachteil wäre?) Gebeco nicht vorlegen. So können die Kunden nicht beweisen, daß sie Gebeco eine Frist zur Abhilfe gesetzt haben; ein formaljuristischer Nachteil. Auch die Widerlegung der dreisten Behauptung Gebecos, die Flüge hätten problemlos umgebucht werden können, ist den Kunden nicht möglich. So müssen die Kunden nicht nur auf die Reise verzichten, sondern werden auch noch um ihr Geld gebracht. Von ihren beträchtlichen zusätzlichen Aufwendungen gar nicht zu reden.

Das ist ein für den TUI-Konzern blamabler Fall von Kunden-Mißmanagement durch die Geschäftsführung der Tochter Gebeco und der bei TUI für diese Beteiligungsgesellschaft Verantwortlichen!

Der Fall führte auf der Hauptversammlung der TUI AG im Februar 2012 zu einem Antrag, dem Vorstand die Entlastung wegen der Verletzung der Pflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters zu verweigern. Bei den anwesenden Aktionären fand der Antrag sehr viel Beifall und Unterstützung. Der Vorstandsvorsitzende der TUI AG, Dr. Frenzel, hat sich nach der unwiderleglichen Präsentation dieser unglaublich miserablen Kundenbehandlung auf der Hauptversammlung bei den Kunden zwar entschuldigt und versprochen, sich des für Gebeco und TUI blamablen Vorgangs anzunehmen. Den Worten folgten allerdings trotz freundlicher Erinnerung durch die Betroffenen bis jetzt keinerlei Taten.

Daß weder Dr. Frenzel noch die Gebeco-Geschäftsführer Steinweg und Bohlander sich rühren, liegt vermutlich nicht (nur) an mangelhaften Umgangsformen. Soziale Kompetenzen verbessern sich ja leider nicht proportional zum Einkommen. Vielmehr läßt es vermuten, daß der TUI-Vorstand die praktizierte miese Kundenbehandlung durch die Verantwortlichen ihrer Beteiligungsgesellschaft billigt. Logisch weiter gedacht toleriert der TUI-Vorstand damit potentiell geschäftsschädigendes Verhalten der Gebeco-Geschäftsführung und praktiziert es dadurch auch für den TUI-Konzern. Denn es ist nicht zu verhindern ist, daß der Vorgang einer ständig wachsenden Zahl möglicher Kunden bekannt wird und sie möglicherweise von einer Buchung bei Gebeco (und vielleicht auch anderen TUI-Beteiligungen) abhält. Da dies auch dem TUI-Vorstand bekannt ist – er wurde auf der Hauptversammlung explizit darauf aufmerksam gemacht – könnte man folgern, der Vorstand nähme die Schädigung des Vermögens der Aktionäre der TUI AG billigend in Kauf. Das dürfte die Aktionäre nicht erfreuen und könnte Thema auf der nächsten Hauptversammlung sein. Der Großaktionär soll ja schon ungeduldig geworden sein und wolle, wie man hört, mit seiner Beteiligung endlich Geld verdienen.

Fest steht aber jetzt schon: Die Geschäftsführungen von Gebeco/TUI werden mit diesem Horror-Beispiel von Kundenmißhandlung auf jeden Fall in die Managementgeschichte eingehen. Zur Steigerung der Profitabilität des Konzerns wird solche Kundenbehandlung sicher nicht beitragen. Interessant anzumerken: Frenzel, dessen Vertrag noch im Sommer 2012 um zwei Jahre verlängert wurde, verläßt überraschend – wie es heißt – auf eigenen Wunsch vorzeitig den Vorstand. Sein Nachfolger wird Friedrich Joussen, der von Vodafone Deutschland kommt. Auf ihn wartet die schwierige Aufgabe, das Touristik-Angebot des Konzerns für zahlungskräftige Kunden interessant zu machen. Durch eine Behandlung wie sie Gebeco seinen Kunden zumutet, werden aber eher Kunden vertrieben als margenstarke Reiseangebote.

Die TUI/Gebeco werden unter Beobachtung bleiben. Unternehmer und Manager, die im immer intensiver werdenden Wettbewerb unternehmerischen Erfolg sucht, können aus solchen Lehrstücken großen Nutzen ziehen.

Die Fallstudie „Qualitätsmanagement in der Praxis - Wenn Kunden sich als Beuteopfer fühlen - ein “Reise”-Erlebnis mit Gebeco/TUI“, ist in 3. erweiterter Auflage bei READ – Rüdenauer Edition Autor Digital (www.read.ruedenauer.de) erschienen (ISBN 978-3-943788-07-5) und in allen guten (Internet-)Buchhandlungen sowie beim Verlag direkt (www.read.ruedenauer.de) erhältlich.

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