Heimopfer demonstrieren gegen Preisverleihung an Antje Vollmer

Es hat sich schon vor zwei Wochen abgezeichnet: Opfer von Gewalt und Terror in Heimen unter überwiegend kirchlicher Trägerschaft protestieren gegen die Verleihung des "Hans-Ehrenberg-Preises" an Frau Antje Vollmer.
Die Zeitung "Der Westen" berichtet in ihrer Onlineausgabe "DERWESTEN" vom 31.10.11 über diese Preisverleihung und nennt als Gründe: "Für die Jury, die den Preis der Politikerin zuerkannt hat, sagte Prof. Traugott Jähnichen von der Ev. Fakultät der Ruhr-Uni, es gebe vor allem zwei Gründe dafür: Da sei einmal die Aussöhnung mit der Tschechoslowakei im öffentlichen Dialog gewesen, zum zweiten Vollmers Einsatz beim „Runden Tisch Heimerziehung“, wo frühere Heimkinder als Opfer von Misshandlungen Rechte gegenüber Vertretern vom Heimträgern geltend machen konnten. Antje Vollmer habe als Vorsitzende entscheidend zum Konsens beigetragen: Es wurde ein Fonds mit 120 Millionen Euro gegründet, der Abschlussbericht erfolgte Anfang 2011."
Mit der Auszeichnung für Vollmers Einsatz beim "Runden Tisch Heimerziehung" und den Passus, sie habe "entscheidend zum Konsens beigetragen", sind viele Heimopfer nicht einverstanden. Sie lassen ihrem Unmut auf der Homepage der Christuskirchengemeinde Bochum freien Lauf.
An ihre Seite hat sich der evangelische Pfarrer im Ruhestand Dierk Schäfer aus Bad Boll gestellt. Er steht kontrovers zu den Begründungsversuchen seines Kollegen Thomas Wessel, Pfarrer in der Christuskirchengemeinde Bochum. Schäfers Meinung, die teilweise auf der Homepage der Christuskirche nicht oder erst nach Protest veröffentlicht wurde, hat er in seinem Blog wiedergegeben und zur öffentlichen Diskussion freigegeben.
Schäfer an Wessel: "Und wenn Sie in Ihrer Begründungsnot immer wieder darauf hinweisen, daß es nicht um die Ergebnisse des Runden Tisches, nicht einmal um den Runden Tisch überhaupt geht, können Sie doch nicht abstreiten, daß Frau Vollmers Name in der öffentlichen Wahrnehmung fest mit dem Runden Tisch verknüpft ist. Ihre Würdigung wird in der Öffentlichkeit immer auch als Würdigung ihrer letzten publikumswirksamen Tätigkeit aufgefaßt werden. Selbst die Medien, die sich nicht nur auf eine epd-Meldung verlassen, werden in Zusammenhang mit der Preisverleihung den Runden Tisch erwähnen. Wer meint, dies ignorieren zu können, ist naiv oder unredlich."
Gegenüber dem Lokalsender "radio bochum" verteidigt Thomas Wessel die Preisvergabe: "Am runden Tisch habe es „absurde Forderungen“ der Opfer gegeben. Für Vollmer sei es nicht leicht gewesen einen Konsens zu erzielen."
Auf seiner Homepage verneint er allerdings jeden Zusammenhang mit der Arbeit am "Runden Tisch".
Zu den unterstellten "absurden Forderungen" nimmt Heidi Dettinger, Schriftführerin des "Vereins ehemaliger Heimkinder" im Blogeintrag des Radiosenders Stellung: "Absurd nennt der Herr Pastor die Forderungen, welche die Opfer kirchlicher Heimkinderhöllen stellen. Was ist denn NICHT absurd als Entschädigung für eine zerbrochene Biografie? Für geraubte Schul- und Berufsbildungschancen? Was darf es denn sein für geschundene Seelen, gefolterte Körper, gesplitterte Knochen und ausgebrannte Hoden? Welche Forderung würde der Herr Pfarrer denn als genehm ansehen? Aber vielleicht weiß er einfach nicht, wovon er redet... Hat er schon mal sein eigenes Erbrochenes (oder auch das von anderen, da waren die "Erzieher", Nonnen, Brüder, Diakonissen nicht unbedingt so eigen) vom Boden auflutschen müssen? Oder tagelang in einer Besenkammer gekauert, oder auf kaltem Flur die ganze Nacht gestanden? Um es mal deutlich zu machen: Der Verein ehemaliger Heimkinder e.V. fordert
-> eine Opferrente von 300 Euro monatlich oder wahlweise 54.000 Euro Einmalzahlung
-> für ehemalige Heimkinder mit Behinderung 400 Euro monatlich oder wahlweise 72.000 Euro
-> für Überlebende mit besonders schwerer Schädigung die Möglichkeit, eine höhere Summe einzuklagen Absurd?"
Die Preisverleihung ist am 22. November, um 18 Uhr in der Christuskirche Bochum. Der Haupteingang ist über den Willy-Brandt-Platz (etwa Haushöhe 7) zu erreichen. Parkplätze finden sich auch am Rathaus. Die Demonstranten treffen sich bereits um 17:30 Uhr am Haupteingang der Christuskirche.

Hintergrundinformationen:
http://www.derwesten.de/staedte/bochum/antje-vollmer-erhaelt-den-hans-eh...
http://www.christuskirche-bochum.de/2011/11/antje-vollmer-margot-kasmann...
http://dierkschaefer.wordpress.com/category/heimkinder/
http://dierkschaefer.wordpress.com/2011/11/17/zur-diskussion-mit-thomas-...
http://www.radiobochum.de/Lokalnachrichten.592+M579f970350c.0.html