Schweigen ist nicht erlaubt

Press Service:
Vernachlässigte Kinder – Mißhandlung von Schutzbefohlenen – Sexueller Mißbrauch
Immer wieder sterben vernachlässigte Kinder unter den Augen der überforderten Jugendämter. Diese sollten die Öffentlichkeit nutzen und keine Ausreden in den Raum stellen.In jedem Jahr werden nach Statistiken des Robert-Koch-Instituts bundesweit mindestens 30 000 Kinder in Deutschland vernachlässigt. Nicht jeder Fall von Kindesvernachlässigung endet so dramatisch wie der von Kevin aus Bremen. Deshalb dürften die weniger dramatischen, aber trotzdem traurigen Kinderschicksale nicht übersehen werden. In vielen Fällen ist ein Heimaufenthalt für die vernachlässigten Kinder jedenfalls besser, als von ihren Erziehungsberechtigten nur als Geldquelle benutzt und mißbraucht zu werden.
Jessica, sieben Jahre, Hamburg, Kevin, zwei Jahre, Bremen., Lea-Sophie, fünf Jahre, Schwerin. Außerdem die Fälle von Kindestötung im sächsischen Plauen und holsteinischen Darry.Todesfälle aus den Jahren 2005, 2006, 2007 und der Vorfall an der Paul-Due-Jensen Schule im schleswig-holsteinischen Wahlstedt,dort sollen während einer Klassenfahrt körperliche Gewaltanwendung mit sexuellen Handlungen gegen einen Mitschüler stattgefunden haben.Nach kurzen Ermittlungen legte die Staatsanwaltschaft den Fall zu den Akten. Alle Kinder stammten aus Familien, die nicht der sogenannten Norm in ihren sozialen Strukturen entsprechen und keine Führsprecher haben.Ein Aufschrei der Öffentlichkeit folgt erst,wenn es meistens zu spät ist und die Kinder verstorben sind.Wenn solche Fälle bekannt werden, gehen die zuständigen Behörden gerne auf Distanz und halten ihre schützenden Hände über die verantwortlichen Mitarbeiter.Auch eine Art von Vergangenheitsbewältigung, aber offensichtlich nicht die richtige Lösung, um Veränderungen herbeizuführen.

Eigentlich könnte man meinen, dass sich die Situation zumindest in den Ämtern auf Grund der spektakulären Fälle verbessert habe. Vielleicht aber doch nicht. Anlass zu dieser Vermutung ist der am 17.10.2011 dem Jugendamt der Landeshautstadt Kiel bekannt gemachte Fall des 3-jährigen Kevin K. Kevin lebt nur von einigen Keksen und trockenem Brot, gelegentlich etwas Milch. Wenn er Glück hat bekommt er von Daddy etwas von der 1 Euro-Pizza ab. Die Kühlschränke dienen nicht zur Vorratshaltung von Nahrung, sondern von Bier und harten Sachen. Mami geht gelegentlich noch im horizontalen Gewerbe anschaffen oder verspielt das Kindergeld im Spielkasino.
Der Vater ist alkoholabhängig und wegen Fahren unter Alkoholeinfluss verurteilt worden, ist möglicherweise auch nur der Scheinvater, damit die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und die Aufenthaltsberechtigung der thailändischen Mutter erlangt werden konnte, um infolge Leistungen nach Hartz IV und Unterhaltsvorschuss nach dem UVG vom Jugendamt abzukassieren. Die Regularien sind offensichtlich aber doch die Gleichen geblieben, wie in den bereits geschilderten Fällen aus 2005, 2006, 2007. Nach Meldung der Sache beim zuständigen Amt wurde erst einmal gar nichts unternommen. Nach 2 Tagen und erneuter Schilderung der für den 3-jährigen Kevin K. unhaltbaren Zustände wurde von der Sachbearbeiterin Frau E. vom Amt für Familie und soziales versprochen –wir kümmern uns darum-. Auf erneute Nachfrage bei der Sachbearbeiterin durch den Verfasser dieses Artikels als Vertreter der Presse wurde er auf das angebliche Auskunftsverweigerungsrecht des Amtes verwiesen. Er könne ja, so die Sachbearbeiterin Frau E., durch gerichtlichen Entscheid Akteneinsicht erwirken. Außerdem sei nichts bekannt über Kevin, auch nicht das er nicht an den vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen habe. Das hätte ja der Kinderarzt melden müssen, so Frau E. Die Frage stellt sich nur, wenn kein Kinderarzt aufgesucht wird, das Kind sich ca. 2 Jahre in Thailand aufgehalten hat und in Deutschland nicht krankenversichert war, wer das denn melden soll. Kindergeld hat die Kindesmutter Jiraporn Ch. allerdings auch während des Aufenthalts in Thailand weiter kassiert.

Das Presserecht über die Auskunftspflicht gegenüber Pressevertretern scheinen die Mitarbeiter der Landeshauptstadt Kiel möglicherweise nicht zu kennen. Es bleibt abzuwarten, wie die zuständigen Behörden vorgehen. Bei der Ausländerbehörde hat dieser Vorgang nur ein Schulterzucken ausgelöst. Es seien ja viele Ämter involviert und man müsse abwarten, so die Sachbearbeiterin. Die Sache ist selbstverständlich in ausgewogener Berichterstattung weiter zu beobachten.

Recht der Kinder
Grundgesetz Bundesrepublik Deutschland : Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 6 (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

Außerhalb der Gesellschaft
Das Jugendamt wusste von Jessica, Kevin und Lea-Sophie, konnte aber offensichtlich deren Tod nicht verhindern.
Unbemittelte Familien, die ihren Unterhalt nicht selbst verdienten oder deren Haushaltsgeld und Kindergeld für Drogen und Alkohol verprasst wird, wie z.B. bei Jessicas Eltern, bei Kevins Eltern oder bei wie bei Lea-Sophies Eltern, beide im Hartz IV Leistungsbezug und leisteten sich neben zwei Kindern auch noch zwei Hunde und vier Katzen. Auch Spielsucht der Eltern und ein untauglicher, für eine Kindeserziehung ungeeigneter Lebenswandel, ist oft ein Grund, weshalb Kinder ihres gesetzlichen Anspruchs auf eine anständige Behandlung und Versorgung oft beraubt werden, wobei beraubt wörtlich zu nehmen wäre, denn ist kein Geld mehr da, haben es die kleinen auszubaden und werden aus Frust noch stärker beeinträchtigt. Hinzu oder einhergehend kommt noch der Tatbestand des sexuellen Mißbrauchs an Kindern durch Familienangehörige oder andere Dritte. Das hier nach neusten statistischen Zahlen ein Rückgang zu verzeichnen ist, sollte niemanden zum Wegschauen veranlassen.

Verhungert Ende eines kurzen Lebens
Alle drei Kinder waren bei den zuständigen Ämtern ihrer Städte bekannt. Sozial- und Jugendbehörden wussten um Probleme in diesen Familien. Im Fall Kevins hat das Jugendamt auf richterlichen Beschluss sogar die Vormundschaft übernommen, ihn aber trotzdem in der Obhut seines drogensüchtigen Vaters belassen und der dann sterben musste. Bei Lea-Sophie gab es massive Hinweise, dass die Familie in einer schwierigen Lage steckt. Angeblich haben sich daraufhin die Behörden um den Fall gekümmert. Dass das Kind dennoch zwei Wochen später starb, dass es in einem Zustand ins Krankenhaus gebracht wurde, der den Sprecher des Krankenhauses an Bilder aus dem Konzentrationslager zu NS-Zeiten erinnerte, ist augenscheinlich ein unlösbarer Widerspruch.
Trotzdem kommentierte die Stadtverwaltung Schwerin nur Stunden nach dem Tod des unterernährten, dehydrierten Mädchens den Fall so, dass den Sozialarbeitern vom Jugendamt kein Vorwurf zu machen sei. Für den Fall möglicher Kindeswohlgefährdung gebe es ein geregeltes Verfahren. Nach diesem ist auch in dem konkreten Fall gehandelt worden".
Besser als mit diesem Satz hätte die Stadtverwaltung das Desaster gar nicht beschreiben können. So werden gleich zwei Gründe genannt, warum Lea-Sophie nicht geholfen wurde.
1.) Es gibt Vorschriften, die zwar der Empfehlung des Deutschen Städtetages zur Festlegung fachlicher Verfahrensstandards in den Jugendämtern bei akut schwerwiegender Gefährdung des Kindeswohls entsprechen - aber nicht ausreichen.
2.) Die Mitarbeiter haben entweder nicht genug Zeit oder nicht genug Mitgefühl, um jenseits dieser Regularien tatsächlich nach den Kindern zu suchen, deren Wohl sie sich anzunehmen haben.
Nicht erst seit Jessica und Kevin, aber spätestens seitdem müsste klar sein, dass Jugendämter nicht Kinder verwalten sollen, sondern deren Lebensretter sein müssen. Dazu braucht es ein Mindestmaß an Überzeugung, so schlimm das Milieu am Rand auch sein mag, in dem diese Notsituationen entstehen. Einen Teil dazu müssen die Jugendamtsmitarbeiter selbst leisten, es muss ihre moralische Verpflichtung sein.
Es braucht Courage, um diese Bedingungen zu erkämpfen. Es braucht den Mut der Mitarbeiter, aus den Jugendämtern heraus deren Umbau zu fordern und die Politik zu zwingen. Ein Jahr nach Kevin aus Bremen hat das Bundesland Schleswig-Holstein ein Kinderschutzgesetz beschlossen. Sich frustriert hinter viel zu hohe Aktenberge zurückzuziehen und auf Vorschriften und etwaige rechtliche Möglichkeiten zu verweisen könnte nur als ein Alibi dafür angesehen werden, für den Fall, wenn etwas schief geht.

Wenn nicht Leib und Leben eines Kindes gefährdet sind, dürfen Sozialarbeiter angeblich nicht in Familienstrukturen eingreifen. Sie können dem Kind so lange nicht helfen, bis die Mutter darum bittet oder sich die Situation dramatisch zuspitzt. Nur ist es dann meistens schon zu spät, wie aus den geschilderten Fällen zu erblicken ist, um Nachteile abzuwenden.

Klartext:
Die Öffentlichkeit nutzen für einen Aufschrei aus den Ämtern wäre angebracht. Dies ist auch der stellvertretenden Amtsleiterin Frau T. vom Amt für Familie und Soziales der Landeshauptstadt Kiel angeboten worden. Eine Öffentlichkeit für Ausreden gibt es allerdings nicht.


Über Lothar Bösselmann